Jhrer spotten? Fräulein! - - - Jch stand auf, und bat sie von neuen einen Tag zur Trauung zu bestimmen. Jch bedaurete, daß ich den Lord M. zur Hochzeit gebeten hätte, weil dieses einen Aufschub verursachen könnte. Allein ich sagte, ich wollte die Einladung wieder abschreiben, wenn sie nichts dagegen einzuwenden hätte: oder ich wollte ihm den Tag bestimmen, den sie mir be- stimmen würde, ohne auf ihn zu warten, wenn ihn seine Unpäßlichkeit hinderte, zur rechten Zeit da zu seyn.
Der Tag, den ich bestimme, wird nie anbre- chen: sagte sie. Wundern sie sich nicht. Wenn irgend eine wohlgezogene Person Richter zwischen uns seyn sollte, so würde sie sich dieses nicht befrem- den lassen. Aber wahrhaftig, Herr Lovelace, (sie weinte für Ungeduld) sie müssen entweder nicht wissen, wie man mit einem wohlgezogenen Ge- müth umgehen muß, ob man gleich wegen ihrer Geburt und Erziehung etwas besseres hoffen soll- te; oder sie sind undanckbar, (und nach einigem Verzuge) noch ärger als undanckbar. Allein ich will weggehen. Morgen will ich sie wieder sprechen. Es ist mir ohnmöglich dieses früher zu thun. Jch glaube, daß ich sie hasse. Sie mögen mich ansehen! Jch glaube gewiß, daß ich sie hasse: und wenn ich das bey einer genauen Prüfung finde, so muß es zwischen uns nicht wei- ter kommen.
Jch war allzu verdrießlich und unruhig, als daß ich sie an dem Weggehen hätte hindern sollen.
Sie
Jhrer ſpotten? Fraͤulein! ‒ ‒ ‒ Jch ſtand auf, und bat ſie von neuen einen Tag zur Trauung zu beſtimmen. Jch bedaurete, daß ich den Lord M. zur Hochzeit gebeten haͤtte, weil dieſes einen Aufſchub verurſachen koͤnnte. Allein ich ſagte, ich wollte die Einladung wieder abſchreiben, wenn ſie nichts dagegen einzuwenden haͤtte: oder ich wollte ihm den Tag beſtimmen, den ſie mir be- ſtimmen wuͤrde, ohne auf ihn zu warten, wenn ihn ſeine Unpaͤßlichkeit hinderte, zur rechten Zeit da zu ſeyn.
Der Tag, den ich beſtimme, wird nie anbre- chen: ſagte ſie. Wundern ſie ſich nicht. Wenn irgend eine wohlgezogene Perſon Richter zwiſchen uns ſeyn ſollte, ſo wuͤrde ſie ſich dieſes nicht befrem- den laſſen. Aber wahrhaftig, Herr Lovelace, (ſie weinte fuͤr Ungeduld) ſie muͤſſen entweder nicht wiſſen, wie man mit einem wohlgezogenen Ge- muͤth umgehen muß, ob man gleich wegen ihrer Geburt und Erziehung etwas beſſeres hoffen ſoll- te; oder ſie ſind undanckbar, (und nach einigem Verzuge) noch aͤrger als undanckbar. Allein ich will weggehen. Morgen will ich ſie wieder ſprechen. Es iſt mir ohnmoͤglich dieſes fruͤher zu thun. Jch glaube, daß ich ſie haſſe. Sie moͤgen mich anſehen! Jch glaube gewiß, daß ich ſie haſſe: und wenn ich das bey einer genauen Pruͤfung finde, ſo muß es zwiſchen uns nicht wei- ter kommen.
Jch war allzu verdrießlich und unruhig, als daß ich ſie an dem Weggehen haͤtte hindern ſollen.
Sie
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Jhrer ſpotten? Fraͤulein! ‒ ‒ ‒ Jch ſtand
auf, und bat ſie von neuen einen Tag zur Trauung
zu beſtimmen. Jch bedaurete, daß ich den Lord
M. zur Hochzeit gebeten haͤtte, weil dieſes einen
Aufſchub verurſachen koͤnnte. Allein ich ſagte,
ich wollte die Einladung wieder abſchreiben, wenn
ſie nichts dagegen einzuwenden haͤtte: oder ich
wollte ihm den Tag beſtimmen, den ſie mir be-
ſtimmen wuͤrde, ohne auf ihn zu warten, wenn ihn
ſeine Unpaͤßlichkeit hinderte, zur rechten Zeit da zu
ſeyn.
Der Tag, den ich beſtimme, wird nie anbre-
chen: ſagte ſie. Wundern ſie ſich nicht. Wenn
irgend eine wohlgezogene Perſon Richter zwiſchen
uns ſeyn ſollte, ſo wuͤrde ſie ſich dieſes nicht befrem-
den laſſen. Aber wahrhaftig, Herr Lovelace,
(ſie weinte fuͤr Ungeduld) ſie muͤſſen entweder nicht
wiſſen, wie man mit einem wohlgezogenen Ge-
muͤth umgehen muß, ob man gleich wegen ihrer
Geburt und Erziehung etwas beſſeres hoffen ſoll-
te; oder ſie ſind undanckbar, (und nach einigem
Verzuge) noch aͤrger als undanckbar. Allein
ich will weggehen. Morgen will ich ſie wieder
ſprechen. Es iſt mir ohnmoͤglich dieſes fruͤher
zu thun. Jch glaube, daß ich ſie haſſe. Sie
moͤgen mich anſehen! Jch glaube gewiß, daß ich
ſie haſſe: und wenn ich das bey einer genauen
Pruͤfung finde, ſo muß es zwiſchen uns nicht wei-
ter kommen.
Jch war allzu verdrießlich und unruhig, als
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/258>, abgerufen am 21.11.2024.
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