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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

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Mir verging die Geduld. Auf stand ich:
Thee-Topf, Milch, alles stieß ich um. Der Teufel
hohle Wetter, Sonnenschein und die Hure auf Ei-
ner Post. Scheert euch fort, ins Teufels Nah-
men, wenn ich mit eurer Herrschaft sprechen will,
und so wenig Gelegenheit habe, sie zu sprechen.

Die Fräulein stand halb in Schrecken auf,
und nahm Handschuhe und Fechtel aus dem Fen-
ster.

Sie müssen nicht weggehen, Fräulein. Bey
meiner Seele, sie müssen nicht weggehen! - - Jch
ergriff sie bey der Hand.

Jch muß nicht? Herr Lovelace. Ja!
ich muß! Sie können auf die Magd eben so gut
fluchen, wenn ich nicht zugegen bin, als wenn ich
dabey bin: es wäre denn, daß sie mich meynen,
und die Magd nennen.

Allerliebstes Kind, sie müssen nicht weggehen.
Sie müssen mich nicht verlassen. Solche recht
vorsetzliche Verachtung! Sie thun gantz unnöthige
Fragen an das Mädchen, bloß um mir den Mund
zu stopfen. Wer kann das ertragen?

Halten sie mich nicht auf: sagte sie, und suchte
sich loßzureißen. Jch will mich nicht halten las-
sen. Weder sie, noch ihre Weise gefallen mir.
Sie suchten gestern Gelegenheit, sich mit mir zu
zancken: und ich kann noch keine andere Ursache
errathen, als diese, daß ich zu gefällig gegen sie
gewesen bin. Sie sind ein undanckbarer Mensch,
und ich hasse sie von gantzem Hertzen, Herr
Lovelace.

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Mir verging die Geduld. Auf ſtand ich:
Thee-Topf, Milch, alles ſtieß ich um. Der Teufel
hohle Wetter, Sonnenſchein und die Hure auf Ei-
ner Poſt. Scheert euch fort, ins Teufels Nah-
men, wenn ich mit eurer Herrſchaft ſprechen will,
und ſo wenig Gelegenheit habe, ſie zu ſprechen.

Die Fraͤulein ſtand halb in Schrecken auf,
und nahm Handſchuhe und Fechtel aus dem Fen-
ſter.

Sie muͤſſen nicht weggehen, Fraͤulein. Bey
meiner Seele, ſie muͤſſen nicht weggehen! ‒ ‒ Jch
ergriff ſie bey der Hand.

Jch muß nicht? Herr Lovelace. Ja!
ich muß! Sie koͤnnen auf die Magd eben ſo gut
fluchen, wenn ich nicht zugegen bin, als wenn ich
dabey bin: es waͤre denn, daß ſie mich meynen,
und die Magd nennen.

Allerliebſtes Kind, ſie muͤſſen nicht weggehen.
Sie muͤſſen mich nicht verlaſſen. Solche recht
vorſetzliche Verachtung! Sie thun gantz unnoͤthige
Fragen an das Maͤdchen, bloß um mir den Mund
zu ſtopfen. Wer kann das ertragen?

Halten ſie mich nicht auf: ſagte ſie, und ſuchte
ſich loßzureißen. Jch will mich nicht halten laſ-
ſen. Weder ſie, noch ihre Weiſe gefallen mir.
Sie ſuchten geſtern Gelegenheit, ſich mit mir zu
zancken: und ich kann noch keine andere Urſache
errathen, als dieſe, daß ich zu gefaͤllig gegen ſie
geweſen bin. Sie ſind ein undanckbarer Menſch,
und ich haſſe ſie von gantzem Hertzen, Herr
Lovelace.

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[229/0235] Mir verging die Geduld. Auf ſtand ich: Thee-Topf, Milch, alles ſtieß ich um. Der Teufel hohle Wetter, Sonnenſchein und die Hure auf Ei- ner Poſt. Scheert euch fort, ins Teufels Nah- men, wenn ich mit eurer Herrſchaft ſprechen will, und ſo wenig Gelegenheit habe, ſie zu ſprechen. Die Fraͤulein ſtand halb in Schrecken auf, und nahm Handſchuhe und Fechtel aus dem Fen- ſter. Sie muͤſſen nicht weggehen, Fraͤulein. Bey meiner Seele, ſie muͤſſen nicht weggehen! ‒ ‒ Jch ergriff ſie bey der Hand. Jch muß nicht? Herr Lovelace. Ja! ich muß! Sie koͤnnen auf die Magd eben ſo gut fluchen, wenn ich nicht zugegen bin, als wenn ich dabey bin: es waͤre denn, daß ſie mich meynen, und die Magd nennen. Allerliebſtes Kind, ſie muͤſſen nicht weggehen. Sie muͤſſen mich nicht verlaſſen. Solche recht vorſetzliche Verachtung! Sie thun gantz unnoͤthige Fragen an das Maͤdchen, bloß um mir den Mund zu ſtopfen. Wer kann das ertragen? Halten ſie mich nicht auf: ſagte ſie, und ſuchte ſich loßzureißen. Jch will mich nicht halten laſ- ſen. Weder ſie, noch ihre Weiſe gefallen mir. Sie ſuchten geſtern Gelegenheit, ſich mit mir zu zancken: und ich kann noch keine andere Urſache errathen, als dieſe, daß ich zu gefaͤllig gegen ſie geweſen bin. Sie ſind ein undanckbarer Menſch, und ich haſſe ſie von gantzem Hertzen, Herr Lovelace. Trei- P 3

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 229. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/235>, abgerufen am 24.11.2024.