Jch habe mich schon vor zehen Jahren einiger- maßen entschlossen, nicht zu heyrathen. Denn ich bemerckte in denen Familien, in denen es am besten zuging, (diesen Umstand nicht zu verges- sen) allerhand Verdrießlichkeiten, die ich nicht überkriegen kann. Es gefiel mir auch das ein- tzelne Leben wegen der Familie meines Bruders, und wegen eines Kindes darinnen gut genug. Allein das Mädchen hat uns insgesamt verdrieß- lich gemacht: und ich sehe nicht, warum ich mich alles Vergnügens denen zu Liebe entschlagen soll- te, die mir es nicht einmal Danck wissen.
So viel von den Bewegungs-Gründen, die von mir selbst und von meiner Familie hergenom- men sind. Jch habe ein grosses Vermögen, da- für ich Gott dancke. Alles, oder das meiste da- von habe ich selbst erworben. Bemercken Sie die- sen Umstand: denn ich war der jüngste Bruder. Sie haben auch, Gott sey es gedancket, schöne Güter, die sie durch ihre Sparsamkeit und weise Haushaltung sehr verbessert haben. Ehe ich wei- ter gehe, muß ich noch das sagen: Sparsamkeit ist eine der größesten Tugenden in diesem Jam- mer-vollen Leben, denn sie setzt uns in den Stand, gegen jederman gerecht zu seyn, und einige, die es verdienen, zu belohnen.
Sie haben nicht mehr als ein Kind: und ich bin noch ein Junggeselle, und habe nie ein Kind gehabt. Nicht alle Junggesellen können das sagen.
Jhre
L 4
Madame,
Montags den 15ten May.
Jch habe mich ſchon vor zehen Jahren einiger- maßen entſchloſſen, nicht zu heyrathen. Denn ich bemerckte in denen Familien, in denen es am beſten zuging, (dieſen Umſtand nicht zu vergeſ- ſen) allerhand Verdrießlichkeiten, die ich nicht uͤberkriegen kann. Es gefiel mir auch das ein- tzelne Leben wegen der Familie meines Bruders, und wegen eines Kindes darinnen gut genug. Allein das Maͤdchen hat uns insgeſamt verdrieß- lich gemacht: und ich ſehe nicht, warum ich mich alles Vergnuͤgens denen zu Liebe entſchlagen ſoll- te, die mir es nicht einmal Danck wiſſen.
So viel von den Bewegungs-Gruͤnden, die von mir ſelbſt und von meiner Familie hergenom- men ſind. Jch habe ein groſſes Vermoͤgen, da- fuͤr ich Gott dancke. Alles, oder das meiſte da- von habe ich ſelbſt erworben. Bemercken Sie die- ſen Umſtand: denn ich war der juͤngſte Bruder. Sie haben auch, Gott ſey es gedancket, ſchoͤne Guͤter, die ſie durch ihre Sparſamkeit und weiſe Haushaltung ſehr verbeſſert haben. Ehe ich wei- ter gehe, muß ich noch das ſagen: Sparſamkeit iſt eine der groͤßeſten Tugenden in dieſem Jam- mer-vollen Leben, denn ſie ſetzt uns in den Stand, gegen jederman gerecht zu ſeyn, und einige, die es verdienen, zu belohnen.
Sie haben nicht mehr als ein Kind: und ich bin noch ein Junggeſelle, und habe nie ein Kind gehabt. Nicht alle Junggeſellen koͤnnen das ſagen.
Jhre
L 4
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Madame,
Montags den 15ten May.
Jch habe mich ſchon vor zehen Jahren einiger-
maßen entſchloſſen, nicht zu heyrathen. Denn
ich bemerckte in denen Familien, in denen es am
beſten zuging, (dieſen Umſtand nicht zu vergeſ-
ſen) allerhand Verdrießlichkeiten, die ich nicht
uͤberkriegen kann. Es gefiel mir auch das ein-
tzelne Leben wegen der Familie meines Bruders,
und wegen eines Kindes darinnen gut genug.
Allein das Maͤdchen hat uns insgeſamt verdrieß-
lich gemacht: und ich ſehe nicht, warum ich mich
alles Vergnuͤgens denen zu Liebe entſchlagen ſoll-
te, die mir es nicht einmal Danck wiſſen.
So viel von den Bewegungs-Gruͤnden, die
von mir ſelbſt und von meiner Familie hergenom-
men ſind. Jch habe ein groſſes Vermoͤgen, da-
fuͤr ich Gott dancke. Alles, oder das meiſte da-
von habe ich ſelbſt erworben. Bemercken Sie die-
ſen Umſtand: denn ich war der juͤngſte Bruder.
Sie haben auch, Gott ſey es gedancket, ſchoͤne
Guͤter, die ſie durch ihre Sparſamkeit und weiſe
Haushaltung ſehr verbeſſert haben. Ehe ich wei-
ter gehe, muß ich noch das ſagen: Sparſamkeit
iſt eine der groͤßeſten Tugenden in dieſem Jam-
mer-vollen Leben, denn ſie ſetzt uns in den Stand,
gegen jederman gerecht zu ſeyn, und einige, die
es verdienen, zu belohnen.
Sie haben nicht mehr als ein Kind: und ich
bin noch ein Junggeſelle, und habe nie ein Kind
gehabt. Nicht alle Junggeſellen koͤnnen das ſagen.
Jhre
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/173>, abgerufen am 24.11.2024.
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