Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite


Madame,

Jch habe mich schon vor zehen Jahren einiger-
maßen entschlossen, nicht zu heyrathen. Denn
ich bemerckte in denen Familien, in denen es am
besten zuging, (diesen Umstand nicht zu verges-
sen) allerhand Verdrießlichkeiten, die ich nicht
überkriegen kann. Es gefiel mir auch das ein-
tzelne Leben wegen der Familie meines Bruders,
und wegen eines Kindes darinnen gut genug.
Allein das Mädchen hat uns insgesamt verdrieß-
lich gemacht: und ich sehe nicht, warum ich mich
alles Vergnügens denen zu Liebe entschlagen soll-
te, die mir es nicht einmal Danck wissen.

So viel von den Bewegungs-Gründen, die
von mir selbst und von meiner Familie hergenom-
men sind. Jch habe ein grosses Vermögen, da-
für ich Gott dancke. Alles, oder das meiste da-
von habe ich selbst erworben. Bemercken Sie die-
sen Umstand: denn ich war der jüngste Bruder.
Sie haben auch, Gott sey es gedancket, schöne
Güter, die sie durch ihre Sparsamkeit und weise
Haushaltung sehr verbessert haben. Ehe ich wei-
ter gehe, muß ich noch das sagen: Sparsamkeit
ist eine der größesten Tugenden in diesem Jam-
mer-vollen Leben, denn sie setzt uns in den Stand,
gegen jederman gerecht zu seyn, und einige, die
es verdienen, zu belohnen.

Sie haben nicht mehr als ein Kind: und ich
bin noch ein Junggeselle, und habe nie ein Kind
gehabt. Nicht alle Junggesellen können das sagen.

Jhre
L 4


Madame,

Jch habe mich ſchon vor zehen Jahren einiger-
maßen entſchloſſen, nicht zu heyrathen. Denn
ich bemerckte in denen Familien, in denen es am
beſten zuging, (dieſen Umſtand nicht zu vergeſ-
ſen) allerhand Verdrießlichkeiten, die ich nicht
uͤberkriegen kann. Es gefiel mir auch das ein-
tzelne Leben wegen der Familie meines Bruders,
und wegen eines Kindes darinnen gut genug.
Allein das Maͤdchen hat uns insgeſamt verdrieß-
lich gemacht: und ich ſehe nicht, warum ich mich
alles Vergnuͤgens denen zu Liebe entſchlagen ſoll-
te, die mir es nicht einmal Danck wiſſen.

So viel von den Bewegungs-Gruͤnden, die
von mir ſelbſt und von meiner Familie hergenom-
men ſind. Jch habe ein groſſes Vermoͤgen, da-
fuͤr ich Gott dancke. Alles, oder das meiſte da-
von habe ich ſelbſt erworben. Bemercken Sie die-
ſen Umſtand: denn ich war der juͤngſte Bruder.
Sie haben auch, Gott ſey es gedancket, ſchoͤne
Guͤter, die ſie durch ihre Sparſamkeit und weiſe
Haushaltung ſehr verbeſſert haben. Ehe ich wei-
ter gehe, muß ich noch das ſagen: Sparſamkeit
iſt eine der groͤßeſten Tugenden in dieſem Jam-
mer-vollen Leben, denn ſie ſetzt uns in den Stand,
gegen jederman gerecht zu ſeyn, und einige, die
es verdienen, zu belohnen.

Sie haben nicht mehr als ein Kind: und ich
bin noch ein Junggeſelle, und habe nie ein Kind
gehabt. Nicht alle Junggeſellen koͤnnen das ſagen.

Jhre
L 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0173" n="167"/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
          <floatingText>
            <body>
              <salute> <hi rendition="#et"> <hi rendition="#fr">Madame,</hi> </hi> </salute><lb/>
              <dateline> <hi rendition="#et">Montags den 15ten May.</hi> </dateline><lb/>
              <p><hi rendition="#in">J</hi>ch habe mich &#x017F;chon vor zehen Jahren einiger-<lb/>
maßen ent&#x017F;chlo&#x017F;&#x017F;en, nicht zu heyrathen. Denn<lb/>
ich bemerckte in denen Familien, in denen es am<lb/>
be&#x017F;ten zuging, (die&#x017F;en Um&#x017F;tand nicht zu verge&#x017F;-<lb/>
&#x017F;en) allerhand Verdrießlichkeiten, die ich nicht<lb/>
u&#x0364;berkriegen kann. Es gefiel mir auch das ein-<lb/>
tzelne Leben wegen der Familie meines Bruders,<lb/>
und wegen eines Kindes darinnen gut genug.<lb/>
Allein das Ma&#x0364;dchen hat uns insge&#x017F;amt verdrieß-<lb/>
lich gemacht: und ich &#x017F;ehe nicht, warum ich mich<lb/>
alles Vergnu&#x0364;gens denen zu Liebe ent&#x017F;chlagen &#x017F;oll-<lb/>
te, die mir es nicht einmal Danck wi&#x017F;&#x017F;en.</p><lb/>
              <p>So viel von den Bewegungs-Gru&#x0364;nden, die<lb/>
von mir &#x017F;elb&#x017F;t und von meiner Familie hergenom-<lb/>
men &#x017F;ind. Jch habe ein gro&#x017F;&#x017F;es Vermo&#x0364;gen, da-<lb/>
fu&#x0364;r ich Gott dancke. Alles, oder das mei&#x017F;te da-<lb/>
von habe ich &#x017F;elb&#x017F;t erworben. Bemercken Sie die-<lb/>
&#x017F;en Um&#x017F;tand: denn ich war der ju&#x0364;ng&#x017F;te Bruder.<lb/>
Sie haben auch, Gott &#x017F;ey es gedancket, &#x017F;cho&#x0364;ne<lb/>
Gu&#x0364;ter, die &#x017F;ie durch ihre Spar&#x017F;amkeit und wei&#x017F;e<lb/>
Haushaltung &#x017F;ehr verbe&#x017F;&#x017F;ert haben. Ehe ich wei-<lb/>
ter gehe, muß ich noch das &#x017F;agen: Spar&#x017F;amkeit<lb/>
i&#x017F;t eine der gro&#x0364;ße&#x017F;ten Tugenden in die&#x017F;em Jam-<lb/>
mer-vollen Leben, denn &#x017F;ie &#x017F;etzt uns in den Stand,<lb/>
gegen jederman gerecht zu &#x017F;eyn, und einige, die<lb/>
es verdienen, zu belohnen.</p><lb/>
              <p>Sie haben nicht mehr als ein Kind: und ich<lb/>
bin noch ein Jungge&#x017F;elle, und habe nie ein Kind<lb/>
gehabt. Nicht alle Jungge&#x017F;ellen ko&#x0364;nnen das &#x017F;agen.<lb/>
<fw place="bottom" type="sig">L 4</fw><fw place="bottom" type="catch">Jhre</fw><lb/></p>
            </body>
          </floatingText>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0173] Madame, Montags den 15ten May. Jch habe mich ſchon vor zehen Jahren einiger- maßen entſchloſſen, nicht zu heyrathen. Denn ich bemerckte in denen Familien, in denen es am beſten zuging, (dieſen Umſtand nicht zu vergeſ- ſen) allerhand Verdrießlichkeiten, die ich nicht uͤberkriegen kann. Es gefiel mir auch das ein- tzelne Leben wegen der Familie meines Bruders, und wegen eines Kindes darinnen gut genug. Allein das Maͤdchen hat uns insgeſamt verdrieß- lich gemacht: und ich ſehe nicht, warum ich mich alles Vergnuͤgens denen zu Liebe entſchlagen ſoll- te, die mir es nicht einmal Danck wiſſen. So viel von den Bewegungs-Gruͤnden, die von mir ſelbſt und von meiner Familie hergenom- men ſind. Jch habe ein groſſes Vermoͤgen, da- fuͤr ich Gott dancke. Alles, oder das meiſte da- von habe ich ſelbſt erworben. Bemercken Sie die- ſen Umſtand: denn ich war der juͤngſte Bruder. Sie haben auch, Gott ſey es gedancket, ſchoͤne Guͤter, die ſie durch ihre Sparſamkeit und weiſe Haushaltung ſehr verbeſſert haben. Ehe ich wei- ter gehe, muß ich noch das ſagen: Sparſamkeit iſt eine der groͤßeſten Tugenden in dieſem Jam- mer-vollen Leben, denn ſie ſetzt uns in den Stand, gegen jederman gerecht zu ſeyn, und einige, die es verdienen, zu belohnen. Sie haben nicht mehr als ein Kind: und ich bin noch ein Junggeſelle, und habe nie ein Kind gehabt. Nicht alle Junggeſellen koͤnnen das ſagen. Jhre L 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/173
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/173>, abgerufen am 24.11.2024.