ben: Wenn wir Kinder von ihr haben: so sind dieses in den Augen der Welt und nach dem Aus- spruch unsers eigenen Hertzens, sehr starcke Ban- de, von denen wir uns nicht so leicht loßreissen können. Eine solche Maitresse sitzt so feste an uns, als das Fell: und wir müßten uns beyna- he schinden, wenn wir uns von ihr loßreissen wollten.
Selbst alsdenn, wenn wir sie wegen ihrer Untreue verstoßen, müßte sie es dumm angefan- gen haben, wenn sie keine Vertheidiger fände. Jch habe es noch nie erlebt, daß eine Person so gottloß, oder eine Sache so schlimm gewesen wäre, der niemand aus Haß gegen den Beleidigten, oder aus Mitleiden mit dem Beleidiger, das Wort geredet hätte. Man hält zum wenigsten den Mann für einen Unmenschen. Wenn die Maitresse auch nicht vor einen Pfennig Ehre aus unserm Hause mit sich nimmt, so läßt sie uns doch eben so wenig Ehre darin: und am aller- wenigsten behalten wir Ehre bey dem schönen Theile der Welt, auf dessen Hochachtung wir am ehrgeitzigsten sind.
Kann uns dieser geringe Vortheil, daß wir eine Maitresse abschaffen können, so bald wir wollen, so wichtig scheinen, daß wir um dessentwillen uns einer viel größeren Gefahr aussetzen? Wir sind Leute von gutem Stande und von ansehnlichen Mitteln: sollen wir um einer solchen Ursache wil- len uns mit Frauensleuten, die unter unserm Stande sind, behelfen? Sollen wir unser Bette
und
ben: Wenn wir Kinder von ihr haben: ſo ſind dieſes in den Augen der Welt und nach dem Aus- ſpruch unſers eigenen Hertzens, ſehr ſtarcke Ban- de, von denen wir uns nicht ſo leicht loßreiſſen koͤnnen. Eine ſolche Maitreſſe ſitzt ſo feſte an uns, als das Fell: und wir muͤßten uns beyna- he ſchinden, wenn wir uns von ihr loßreiſſen wollten.
Selbſt alsdenn, wenn wir ſie wegen ihrer Untreue verſtoßen, muͤßte ſie es dumm angefan- gen haben, wenn ſie keine Vertheidiger faͤnde. Jch habe es noch nie erlebt, daß eine Perſon ſo gottloß, oder eine Sache ſo ſchlimm geweſen waͤre, der niemand aus Haß gegen den Beleidigten, oder aus Mitleiden mit dem Beleidiger, das Wort geredet haͤtte. Man haͤlt zum wenigſten den Mann fuͤr einen Unmenſchen. Wenn die Maitreſſe auch nicht vor einen Pfennig Ehre aus unſerm Hauſe mit ſich nimmt, ſo laͤßt ſie uns doch eben ſo wenig Ehre darin: und am aller- wenigſten behalten wir Ehre bey dem ſchoͤnen Theile der Welt, auf deſſen Hochachtung wir am ehrgeitzigſten ſind.
Kann uns dieſer geringe Vortheil, daß wir eine Maitreſſe abſchaffen koͤnnen, ſo bald wir wollen, ſo wichtig ſcheinen, daß wir um deſſentwillen uns einer viel groͤßeren Gefahr ausſetzen? Wir ſind Leute von gutem Stande und von anſehnlichen Mitteln: ſollen wir um einer ſolchen Urſache wil- len uns mit Frauensleuten, die unter unſerm Stande ſind, behelfen? Sollen wir unſer Bette
und
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ben: Wenn wir Kinder von ihr haben: ſo ſind
dieſes in den Augen der Welt und nach dem Aus-
ſpruch unſers eigenen Hertzens, ſehr ſtarcke Ban-
de, von denen wir uns nicht ſo leicht loßreiſſen
koͤnnen. Eine ſolche Maitreſſe ſitzt ſo feſte an
uns, als das Fell: und wir muͤßten uns beyna-
he ſchinden, wenn wir uns von ihr loßreiſſen
wollten.
Selbſt alsdenn, wenn wir ſie wegen ihrer
Untreue verſtoßen, muͤßte ſie es dumm angefan-
gen haben, wenn ſie keine Vertheidiger faͤnde.
Jch habe es noch nie erlebt, daß eine Perſon ſo
gottloß, oder eine Sache ſo ſchlimm geweſen waͤre,
der niemand aus Haß gegen den Beleidigten,
oder aus Mitleiden mit dem Beleidiger, das
Wort geredet haͤtte. Man haͤlt zum wenigſten
den Mann fuͤr einen Unmenſchen. Wenn die
Maitreſſe auch nicht vor einen Pfennig Ehre aus
unſerm Hauſe mit ſich nimmt, ſo laͤßt ſie uns
doch eben ſo wenig Ehre darin: und am aller-
wenigſten behalten wir Ehre bey dem ſchoͤnen
Theile der Welt, auf deſſen Hochachtung wir am
ehrgeitzigſten ſind.
Kann uns dieſer geringe Vortheil, daß wir eine
Maitreſſe abſchaffen koͤnnen, ſo bald wir wollen,
ſo wichtig ſcheinen, daß wir um deſſentwillen uns
einer viel groͤßeren Gefahr ausſetzen? Wir ſind
Leute von gutem Stande und von anſehnlichen
Mitteln: ſollen wir um einer ſolchen Urſache wil-
len uns mit Frauensleuten, die unter unſerm
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 4. Göttingen, 1749, S. 136. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa04_1749/142>, abgerufen am 16.02.2025.
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