[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.muß ich billig folgen, sonderlich da Sie mir zu fol- gen pflegen, so oft ich mich unterstehe, Jhnen einen Rath zu geben, den ich andern besser als mir selbst geben kann. Jch muß dieses zu meiner Entschul- digung bekennen. Denn ich finde, daß ich mich in das Unglück gestürtzet habe, und ich kann mich doch nicht einer eintzigen tadelhaften Neigung dabey beschuldigen. Jst Jhnen das nicht gantz unbegreiflich? Die Sache hengt so zusammen: ich habe zu Anfang einen Fehltritt gethan, und dadurch bin ich auf sol- che Jrrwege gerathen, aus denen ich mich nicht wider zu rechte finden kann. Denn ob ich gleich zu Anfang nur Einen falschen Tritt that, so hat mich doch dieser eine falsche Tritt hundert Meilen von dem rechten Wege abgeleitet: und ich armes verirretes Kind habe nicht einen eintzigen Freund, nicht einen Wandersmann gefunden, der mich wider zu recht gewiesen hätte. Jch hochmüthiges Mädchen verlies mich darauf, Doch
muß ich billig folgen, ſonderlich da Sie mir zu fol- gen pflegen, ſo oft ich mich unterſtehe, Jhnen einen Rath zu geben, den ich andern beſſer als mir ſelbſt geben kann. Jch muß dieſes zu meiner Entſchul- digung bekennen. Denn ich finde, daß ich mich in das Ungluͤck geſtuͤrtzet habe, und ich kann mich doch nicht einer eintzigen tadelhaften Neigung dabey beſchuldigen. Jſt Jhnen das nicht gantz unbegreiflich? Die Sache hengt ſo zuſammen: ich habe zu Anfang einen Fehltritt gethan, und dadurch bin ich auf ſol- che Jrrwege gerathen, aus denen ich mich nicht wider zu rechte finden kann. Denn ob ich gleich zu Anfang nur Einen falſchen Tritt that, ſo hat mich doch dieſer eine falſche Tritt hundert Meilen von dem rechten Wege abgeleitet: und ich armes verirretes Kind habe nicht einen eintzigen Freund, nicht einen Wandersmann gefunden, der mich wider zu recht gewieſen haͤtte. Jch hochmuͤthiges Maͤdchen verlies mich darauf, Doch
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muß ich billig folgen, ſonderlich da Sie mir zu fol-
gen pflegen, ſo oft ich mich unterſtehe, Jhnen einen
Rath zu geben, den ich andern beſſer als mir ſelbſt
geben kann. Jch muß dieſes zu meiner Entſchul-
digung bekennen. Denn ich finde, daß ich mich
in das Ungluͤck geſtuͤrtzet habe, und ich kann mich
doch nicht einer eintzigen tadelhaften Neigung dabey
beſchuldigen. Jſt Jhnen das nicht gantz unbegreiflich?
Die Sache hengt ſo zuſammen: ich habe zu Anfang
einen Fehltritt gethan, und dadurch bin ich auf ſol-
che Jrrwege gerathen, aus denen ich mich nicht
wider zu rechte finden kann. Denn ob ich gleich
zu Anfang nur Einen falſchen Tritt that, ſo hat mich
doch dieſer eine falſche Tritt hundert Meilen von dem
rechten Wege abgeleitet: und ich armes verirretes
Kind habe nicht einen eintzigen Freund, nicht einen
Wandersmann gefunden, der mich wider zu recht
gewieſen haͤtte.
Jch hochmuͤthiges Maͤdchen verlies mich darauf,
daß ich den rechten Weg wuͤßte, und war unbeſorget,
ſo viel ich auch von Jrrlichtern gehoͤret hatte, daß
ich durch ein Jrrlicht wuͤrde verfuͤhret werden. Die-
ſes Jrrlicht ſchwebet noch immer um mich, da ich
mich unter Suͤmpfen und Moraͤſten befinde, und
bringet mich wider zuruͤcke, wenn ich einige Schritte
vor mich gegangen bin. Doch es iſt ein gemein-
ſchaftliches Ziel, auf welches alle unſere richtigen
Wege und Jrrwege zuſammen lauffen. Wie ſanft
will ich mein Haupt legen, wenn ich dieſes Ziel
werde erreichet haben, das allen meinen Jammer be-
ſchlieſſet.
Doch
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