als Pflicht und Vernunft. Je unangenehmer Jh- nen der Mann ist, desto mehr Lob verdient Jhre Verleugnung. Bedencken Sie, daß es ein ordent- licher und stiller Mann ist, der noch Ehre hat, die er verlieren könnte, und der, um seinen guten Nah- men nicht einzubüssen, Jhnen wohl begegnen wird.
Sie haben jetzt eine Gelegenheit, die stärckste Probe des Gehorsams und der kindlichen Liebe zu ge- ben. Ergreiffen Sie diese Gelegenheit: sie ist wür- dig, von Jhnen ergriffen zu werden, und jedermann erwartet dieses von Jhnen: wiewohl es mir leyd thut, daß Sie wider Jhre Neigung eine solche Probe able- gen sollen. Allein wie schön wird es klingen, wenn man sagen darf, daß Jhre Eltern Jhnen verpflichtet sind? Ein recht stoltzes Lob! das Sie aber nicht er- halten könnten, wenn nichts wider Jhre Neigung von Jhnen begehret würde. Bedencken Sie: solche Eltern sollen Jhnen verpflichtet werden, denen Sie unendlich verpflichtet sind; denen an dieser Sache so vieles gelegen ist, und die nicht nachgeben wollen, nachdem sie so oft in glei- chen Anfoderungen nachgegeben haben; Eltern, die nun einmal erwarten, daß Sie aus Gehorsam und aus Zutrauen auf ihre Einsichten und Erfahrung ihnen wider nachgeben sollen!
Jch hoffe Sie bald zu sehen, und Jhren so lie- benswürdigen Gehorsam gegenwärtig an Jhnen zu rühmen. Es ist eine der vornehmsten Absichten meiner Reise, daß ich mich von den Verbindun-
gen
als Pflicht und Vernunft. Je unangenehmer Jh- nen der Mann iſt, deſto mehr Lob verdient Jhre Verleugnung. Bedencken Sie, daß es ein ordent- licher und ſtiller Mann iſt, der noch Ehre hat, die er verlieren koͤnnte, und der, um ſeinen guten Nah- men nicht einzubuͤſſen, Jhnen wohl begegnen wird.
Sie haben jetzt eine Gelegenheit, die ſtaͤrckſte Probe des Gehorſams und der kindlichen Liebe zu ge- ben. Ergreiffen Sie dieſe Gelegenheit: ſie iſt wuͤr- dig, von Jhnen ergriffen zu werden, und jedermann erwartet dieſes von Jhnen: wiewohl es mir leyd thut, daß Sie wider Jhre Neigung eine ſolche Probe able- gen ſollen. Allein wie ſchoͤn wird es klingen, wenn man ſagen darf, daß Jhre Eltern Jhnen verpflichtet ſind? Ein recht ſtoltzes Lob! das Sie aber nicht er- halten koͤnnten, wenn nichts wider Jhre Neigung von Jhnen begehret wuͤrde. Bedencken Sie: ſolche Eltern ſollen Jhnen verpflichtet werden, denen Sie unendlich verpflichtet ſind; denen an dieſer Sache ſo vieles gelegen iſt, und die nicht nachgeben wollen, nachdem ſie ſo oft in glei- chen Anfoderungen nachgegeben haben; Eltern, die nun einmal erwarten, daß Sie aus Gehorſam und aus Zutrauen auf ihre Einſichten und Erfahrung ihnen wider nachgeben ſollen!
Jch hoffe Sie bald zu ſehen, und Jhren ſo lie- benswuͤrdigen Gehorſam gegenwaͤrtig an Jhnen zu ruͤhmen. Es iſt eine der vornehmſten Abſichten meiner Reiſe, daß ich mich von den Verbindun-
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als Pflicht und Vernunft. Je unangenehmer Jh-
nen der Mann iſt, deſto mehr Lob verdient Jhre
Verleugnung. Bedencken Sie, daß es ein ordent-
licher und ſtiller Mann iſt, der noch Ehre hat, die
er verlieren koͤnnte, und der, um ſeinen guten Nah-
men nicht einzubuͤſſen, Jhnen wohl begegnen
wird.
Sie haben jetzt eine Gelegenheit, die ſtaͤrckſte
Probe des Gehorſams und der kindlichen Liebe zu ge-
ben. Ergreiffen Sie dieſe Gelegenheit: ſie iſt wuͤr-
dig, von Jhnen ergriffen zu werden, und jedermann
erwartet dieſes von Jhnen: wiewohl es mir leyd thut,
daß Sie wider Jhre Neigung eine ſolche Probe able-
gen ſollen. Allein wie ſchoͤn wird es klingen, wenn
man ſagen darf, daß Jhre Eltern Jhnen verpflichtet
ſind? Ein recht ſtoltzes Lob! das Sie aber nicht er-
halten koͤnnten, wenn nichts wider Jhre Neigung
von Jhnen begehret wuͤrde. Bedencken Sie:
ſolche Eltern ſollen Jhnen verpflichtet werden,
denen Sie unendlich verpflichtet ſind; denen
an dieſer Sache ſo vieles gelegen iſt, und
die nicht nachgeben wollen, nachdem ſie ſo oft in glei-
chen Anfoderungen nachgegeben haben; Eltern, die
nun einmal erwarten, daß Sie aus Gehorſam und
aus Zutrauen auf ihre Einſichten und Erfahrung
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Jch hoffe Sie bald zu ſehen, und Jhren ſo lie-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 560. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/574>, abgerufen am 23.11.2024.
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