sey ein albernes Mädchen, auf das ihre Vormünder genaue Achtung zu geben Ursache hätten. Allein an der gestrigen Aufführung des Mädchens (denn am Verstande sey sie weiter nichts als ein Mädchen) wüste ich nichts auszusetzen. Sie hätte sich so aufge- führt, wie man es von einem frey erzogenen und guthertzigen Kinde erwarten könnte, das sich darauf verliesse, daß es in einer ehrlichen Gesellschaft sey.
Sie erwiederte; es sey alles gut, was ich gesagt hätte. Wenn aber die Jungfer mit der gestrigen Ge- sellschaft so wohl zufrieden gewesen sey, so möchte ich selbst urtheilen, ob sie so unschuldig seyn könnte, als man sie abgemahlet hätte. Sie vor ihr Theil kenne- te zwar London nicht: allein sie müsse mir aufrich- tig sagen, daß sie in ihrem Leben noch keine solche Gesellschaft gesehen hätte, und sich auch nicht wün- schete, sie jemals wieder zu sehen.
Hörest du es, Belford! du kommst noch schlim- mer weg, als Mercurius!
Dieses verdroß mich. Jch sagte: manches Frau- enzimmer, das der Jungfer Partington weit vor- zuziehen sey, werde schlecht bestehen, wenn es mit so grosser Strenge beurtheilet werden sollte.
O nein! Wenn ich aber bey diesem Frauenzim- mer nichts bemercket hätte, das mit der Tugend strit- te, so hätte sie mit mir eben so viel Mitleiden als mit der Jungfer Partington, weil ich nicht zu wissen schiene, was zu einer tugendhaften Aufführung ge- hörte. Es sey zu wünschen, daß Gemüther, die einander so gleich wären, nie von einander getrennet werden möchten.
Solche
ſey ein albernes Maͤdchen, auf das ihre Vormuͤnder genaue Achtung zu geben Urſache haͤtten. Allein an der geſtrigen Auffuͤhrung des Maͤdchens (denn am Verſtande ſey ſie weiter nichts als ein Maͤdchen) wuͤſte ich nichts auszuſetzen. Sie haͤtte ſich ſo aufge- fuͤhrt, wie man es von einem frey erzogenen und guthertzigen Kinde erwarten koͤnnte, das ſich darauf verlieſſe, daß es in einer ehrlichen Geſellſchaft ſey.
Sie erwiederte; es ſey alles gut, was ich geſagt haͤtte. Wenn aber die Jungfer mit der geſtrigen Ge- ſellſchaft ſo wohl zufrieden geweſen ſey, ſo moͤchte ich ſelbſt urtheilen, ob ſie ſo unſchuldig ſeyn koͤnnte, als man ſie abgemahlet haͤtte. Sie vor ihr Theil kenne- te zwar London nicht: allein ſie muͤſſe mir aufrich- tig ſagen, daß ſie in ihrem Leben noch keine ſolche Geſellſchaft geſehen haͤtte, und ſich auch nicht wuͤn- ſchete, ſie jemals wieder zu ſehen.
Hoͤreſt du es, Belford! du kommſt noch ſchlim- mer weg, als Mercurius!
Dieſes verdroß mich. Jch ſagte: manches Frau- enzimmer, das der Jungfer Partington weit vor- zuziehen ſey, werde ſchlecht beſtehen, wenn es mit ſo groſſer Strenge beurtheilet werden ſollte.
O nein! Wenn ich aber bey dieſem Frauenzim- mer nichts bemercket haͤtte, das mit der Tugend ſtrit- te, ſo haͤtte ſie mit mir eben ſo viel Mitleiden als mit der Jungfer Partington, weil ich nicht zu wiſſen ſchiene, was zu einer tugendhaften Auffuͤhrung ge- hoͤrte. Es ſey zu wuͤnſchen, daß Gemuͤther, die einander ſo gleich waͤren, nie von einander getrennet werden moͤchten.
Solche
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ſey ein albernes Maͤdchen, auf das ihre Vormuͤnder
genaue Achtung zu geben Urſache haͤtten. Allein an
der geſtrigen Auffuͤhrung des Maͤdchens (denn am
Verſtande ſey ſie weiter nichts als ein Maͤdchen)
wuͤſte ich nichts auszuſetzen. Sie haͤtte ſich ſo aufge-
fuͤhrt, wie man es von einem frey erzogenen und
guthertzigen Kinde erwarten koͤnnte, das ſich darauf
verlieſſe, daß es in einer ehrlichen Geſellſchaft ſey.
Sie erwiederte; es ſey alles gut, was ich geſagt
haͤtte. Wenn aber die Jungfer mit der geſtrigen Ge-
ſellſchaft ſo wohl zufrieden geweſen ſey, ſo moͤchte ich
ſelbſt urtheilen, ob ſie ſo unſchuldig ſeyn koͤnnte, als
man ſie abgemahlet haͤtte. Sie vor ihr Theil kenne-
te zwar London nicht: allein ſie muͤſſe mir aufrich-
tig ſagen, daß ſie in ihrem Leben noch keine ſolche
Geſellſchaft geſehen haͤtte, und ſich auch nicht wuͤn-
ſchete, ſie jemals wieder zu ſehen.
Hoͤreſt du es, Belford! du kommſt noch ſchlim-
mer weg, als Mercurius!
Dieſes verdroß mich. Jch ſagte: manches Frau-
enzimmer, das der Jungfer Partington weit vor-
zuziehen ſey, werde ſchlecht beſtehen, wenn es mit
ſo groſſer Strenge beurtheilet werden ſollte.
O nein! Wenn ich aber bey dieſem Frauenzim-
mer nichts bemercket haͤtte, das mit der Tugend ſtrit-
te, ſo haͤtte ſie mit mir eben ſo viel Mitleiden als mit
der Jungfer Partington, weil ich nicht zu wiſſen
ſchiene, was zu einer tugendhaften Auffuͤhrung ge-
hoͤrte. Es ſey zu wuͤnſchen, daß Gemuͤther, die
einander ſo gleich waͤren, nie von einander getrennet
werden moͤchten.
Solche
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 526. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/540>, abgerufen am 24.11.2024.
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