damit ich den angenehmsten Segen, der gedacht werden kann, empfangen möge.
Sie machte noch einige Einwürfe, allein zuletzt erlaubte sie es mir.
Jch setzte mich ihr gerade gegen über, damit mir die Zeit nicht lang währen möchte: denn wir waren beynahe die ersten in der Kirche. Durch meine Auf- führung erwarb ich mir ihr günstiges Urtheil.
Der Jnhalt der Predigt war sehr ausgesucht. Der Text war eine Erzählung oder ein Gleichniß des Propheten, von dem Schoos-Lamm eines armen Mannes, welches er sehr liebete, das ihm von ei- nem reichen Manne genommen ward. Der Pro- phet erlog das, um den David zum Nachdencken zu bringen, als er mit des Uria Weibe der Bathse- ba, die Ehe gebrochen und den Mann hatte ermor- den lassen. (Bruder die Mädchens sind doch vom Anfang der Welt an allem Unglück schuld gewesen). Als nun David im Zorne schwor: (König David konnte auch schwören. Doch was weißt du, wer König David war: es ist ein Mann in der Bibel!) daß der reiche Mann ein Mann des Todes wäre: so ergriff Nathan (so hieß der Prophet) ein ehrlicher Kerl, und kein dummer Kopf, die Gelegenheit, und rief aus: du bist der Mann! Dieses waren die Textes-Worte. Bey meiner Seele! ich dach- te der Prediger hätte mich allein angesehen: ich warf meine Augen so gleich auf mein Schoos- Lamm hin. Jch muß dir aber auch das sagen: mein Rosen-Knöspchen fiel mir ein. Damahls bin ich doch frömmer gewesen als David war.
Als
damit ich den angenehmſten Segen, der gedacht werden kann, empfangen moͤge.
Sie machte noch einige Einwuͤrfe, allein zuletzt erlaubte ſie es mir.
Jch ſetzte mich ihr gerade gegen uͤber, damit mir die Zeit nicht lang waͤhren moͤchte: denn wir waren beynahe die erſten in der Kirche. Durch meine Auf- fuͤhrung erwarb ich mir ihr guͤnſtiges Urtheil.
Der Jnhalt der Predigt war ſehr ausgeſucht. Der Text war eine Erzaͤhlung oder ein Gleichniß des Propheten, von dem Schoos-Lamm eines armen Mannes, welches er ſehr liebete, das ihm von ei- nem reichen Manne genommen ward. Der Pro- phet erlog das, um den David zum Nachdencken zu bringen, als er mit des Uria Weibe der Bathſe- ba, die Ehe gebrochen und den Mann hatte ermor- den laſſen. (Bruder die Maͤdchens ſind doch vom Anfang der Welt an allem Ungluͤck ſchuld geweſen). Als nun David im Zorne ſchwor: (Koͤnig David konnte auch ſchwoͤren. Doch was weißt du, wer Koͤnig David war: es iſt ein Mann in der Bibel!) daß der reiche Mann ein Mann des Todes waͤre: ſo ergriff Nathan (ſo hieß der Prophet) ein ehrlicher Kerl, und kein dummer Kopf, die Gelegenheit, und rief aus: du biſt der Mann! Dieſes waren die Textes-Worte. Bey meiner Seele! ich dach- te der Prediger haͤtte mich allein angeſehen: ich warf meine Augen ſo gleich auf mein Schoos- Lamm hin. Jch muß dir aber auch das ſagen: mein Roſen-Knoͤſpchen fiel mir ein. Damahls bin ich doch froͤmmer geweſen als David war.
Als
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0504"n="490"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
damit ich den angenehmſten Segen, der gedacht<lb/>
werden kann, empfangen moͤge.</p><lb/><p>Sie machte noch einige Einwuͤrfe, allein zuletzt<lb/>
erlaubte ſie es mir.</p><lb/><p>Jch ſetzte mich ihr gerade gegen uͤber, damit mir<lb/>
die Zeit nicht lang waͤhren moͤchte: denn wir waren<lb/>
beynahe die erſten in der Kirche. Durch meine Auf-<lb/>
fuͤhrung erwarb ich mir ihr guͤnſtiges Urtheil.</p><lb/><p>Der Jnhalt der Predigt war ſehr ausgeſucht.<lb/>
Der Text war eine Erzaͤhlung oder ein Gleichniß des<lb/>
Propheten, von dem Schoos-Lamm eines armen<lb/>
Mannes, welches er ſehr liebete, das ihm von ei-<lb/>
nem reichen Manne genommen ward. Der Pro-<lb/>
phet erlog das, um den <hirendition="#fr">David</hi> zum Nachdencken<lb/>
zu bringen, als er mit des <hirendition="#fr">Uria</hi> Weibe der <hirendition="#fr">Bathſe-<lb/>
ba,</hi> die Ehe gebrochen und den Mann hatte ermor-<lb/>
den laſſen. (Bruder die Maͤdchens ſind doch vom<lb/>
Anfang der Welt an allem Ungluͤck ſchuld geweſen).<lb/>
Als nun <hirendition="#fr">David</hi> im Zorne ſchwor: (Koͤnig <hirendition="#fr">David</hi><lb/>
konnte auch ſchwoͤren. Doch was weißt du, wer<lb/>
Koͤnig <hirendition="#fr">David</hi> war: es iſt ein Mann in der Bibel!)<lb/>
daß der reiche Mann ein Mann des Todes waͤre:<lb/>ſo ergriff <hirendition="#fr">Nathan</hi> (ſo hieß der Prophet) ein ehrlicher<lb/>
Kerl, und kein dummer Kopf, die Gelegenheit,<lb/>
und rief aus: <hirendition="#fr">du biſt der Mann!</hi> Dieſes waren<lb/>
die Textes-Worte. Bey meiner Seele! ich dach-<lb/>
te der Prediger haͤtte mich allein angeſehen: ich<lb/>
warf meine Augen ſo gleich auf mein Schoos-<lb/>
Lamm hin. Jch muß dir aber auch das ſagen:<lb/>
mein Roſen-Knoͤſpchen fiel mir ein. Damahls<lb/>
bin ich doch froͤmmer geweſen als <hirendition="#fr">David</hi> war.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Als</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[490/0504]
damit ich den angenehmſten Segen, der gedacht
werden kann, empfangen moͤge.
Sie machte noch einige Einwuͤrfe, allein zuletzt
erlaubte ſie es mir.
Jch ſetzte mich ihr gerade gegen uͤber, damit mir
die Zeit nicht lang waͤhren moͤchte: denn wir waren
beynahe die erſten in der Kirche. Durch meine Auf-
fuͤhrung erwarb ich mir ihr guͤnſtiges Urtheil.
Der Jnhalt der Predigt war ſehr ausgeſucht.
Der Text war eine Erzaͤhlung oder ein Gleichniß des
Propheten, von dem Schoos-Lamm eines armen
Mannes, welches er ſehr liebete, das ihm von ei-
nem reichen Manne genommen ward. Der Pro-
phet erlog das, um den David zum Nachdencken
zu bringen, als er mit des Uria Weibe der Bathſe-
ba, die Ehe gebrochen und den Mann hatte ermor-
den laſſen. (Bruder die Maͤdchens ſind doch vom
Anfang der Welt an allem Ungluͤck ſchuld geweſen).
Als nun David im Zorne ſchwor: (Koͤnig David
konnte auch ſchwoͤren. Doch was weißt du, wer
Koͤnig David war: es iſt ein Mann in der Bibel!)
daß der reiche Mann ein Mann des Todes waͤre:
ſo ergriff Nathan (ſo hieß der Prophet) ein ehrlicher
Kerl, und kein dummer Kopf, die Gelegenheit,
und rief aus: du biſt der Mann! Dieſes waren
die Textes-Worte. Bey meiner Seele! ich dach-
te der Prediger haͤtte mich allein angeſehen: ich
warf meine Augen ſo gleich auf mein Schoos-
Lamm hin. Jch muß dir aber auch das ſagen:
mein Roſen-Knoͤſpchen fiel mir ein. Damahls
bin ich doch froͤmmer geweſen als David war.
Als
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 490. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/504>, abgerufen am 25.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.