Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite



den Leuten unten im Hause, und insonderheit von
der Jungfer Horton, welche mich zu lieben schei-
net, und von besserem Gemüth und Sitten ist, als
die Jungfer Martin. Bey diesen Umständen,
und da ich jetzt nicht übel mit ihm stehe, würde es ein
sonderbares Ansehen haben, und mir von allen im
Hause verdacht werden, wenn ich mich mit einem
zancken und allzu hart auf sein Versprechen dringen
wollte, der mir so viele und wichtige Einwendungen
machen kann. Jch will mich deswegen lieber nicht
mercken lassen, daß ich es weiß, daß er sich hier
aufhält, wenn er selbst nur so höflich ist, mich mit
dieser Nachricht zu verschonen.

Beurtheilen Sie alle meine Handlungen in Jh-
rem letzten Briefe. Seinen Banck-Zettel habe ich
ihm bey dem ersten Wiedersehen zurück gegeben.

Freytag Abends.

Herr Lovelace hat einige Häuser besehen, allein
keines hat ihm gefallen. Er hat aber von einem
andern Hause gehöret, welches besser und bequemer
seyn soll, und er wird es morgen früh besehen.

Sonnabends früh.

Er hat das Haus nunmehr in Augenschein ge-
nommen, davon er mir gestern Abends sagte. Es
gehört einer jungen und vornehmen Witwe, Nah-
mens Fretchville, die deswegen untröstbar ist,
weil sie ihren Gemahl so frühzeitig verlohren hat. Es
ist sehr wohl meubliret, denn keine Meublen darin
sind älter, als ein halbes Jahr. Er meint, wenn
mir die Meublen nicht gefielen, so könnte er sie auf

einige



den Leuten unten im Hauſe, und inſonderheit von
der Jungfer Horton, welche mich zu lieben ſchei-
net, und von beſſerem Gemuͤth und Sitten iſt, als
die Jungfer Martin. Bey dieſen Umſtaͤnden,
und da ich jetzt nicht uͤbel mit ihm ſtehe, wuͤrde es ein
ſonderbares Anſehen haben, und mir von allen im
Hauſe verdacht werden, wenn ich mich mit einem
zancken und allzu hart auf ſein Verſprechen dringen
wollte, der mir ſo viele und wichtige Einwendungen
machen kann. Jch will mich deswegen lieber nicht
mercken laſſen, daß ich es weiß, daß er ſich hier
aufhaͤlt, wenn er ſelbſt nur ſo hoͤflich iſt, mich mit
dieſer Nachricht zu verſchonen.

Beurtheilen Sie alle meine Handlungen in Jh-
rem letzten Briefe. Seinen Banck-Zettel habe ich
ihm bey dem erſten Wiederſehen zuruͤck gegeben.

Freytag Abends.

Herr Lovelace hat einige Haͤuſer beſehen, allein
keines hat ihm gefallen. Er hat aber von einem
andern Hauſe gehoͤret, welches beſſer und bequemer
ſeyn ſoll, und er wird es morgen fruͤh beſehen.

Sonnabends fruͤh.

Er hat das Haus nunmehr in Augenſchein ge-
nommen, davon er mir geſtern Abends ſagte. Es
gehoͤrt einer jungen und vornehmen Witwe, Nah-
mens Fretchville, die deswegen untroͤſtbar iſt,
weil ſie ihren Gemahl ſo fruͤhzeitig verlohren hat. Es
iſt ſehr wohl meubliret, denn keine Meublen darin
ſind aͤlter, als ein halbes Jahr. Er meint, wenn
mir die Meublen nicht gefielen, ſo koͤnnte er ſie auf

einige
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0492" n="478"/><milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
den Leuten unten im Hau&#x017F;e, und in&#x017F;onderheit von<lb/>
der Jungfer <hi rendition="#fr">Horton,</hi> welche mich zu lieben &#x017F;chei-<lb/>
net, und von be&#x017F;&#x017F;erem Gemu&#x0364;th und Sitten i&#x017F;t, als<lb/>
die Jungfer <hi rendition="#fr">Martin.</hi> Bey die&#x017F;en Um&#x017F;ta&#x0364;nden,<lb/>
und da ich jetzt nicht u&#x0364;bel mit ihm &#x017F;tehe, wu&#x0364;rde es ein<lb/>
&#x017F;onderbares An&#x017F;ehen haben, und mir von allen im<lb/>
Hau&#x017F;e verdacht werden, wenn ich mich mit einem<lb/>
zancken und allzu hart auf &#x017F;ein Ver&#x017F;prechen dringen<lb/>
wollte, der mir &#x017F;o viele und wichtige Einwendungen<lb/>
machen kann. Jch will mich deswegen lieber nicht<lb/>
mercken la&#x017F;&#x017F;en, daß ich es weiß, daß er &#x017F;ich hier<lb/>
aufha&#x0364;lt, wenn er &#x017F;elb&#x017F;t nur &#x017F;o ho&#x0364;flich i&#x017F;t, mich mit<lb/>
die&#x017F;er Nachricht zu ver&#x017F;chonen.</p><lb/>
          <p>Beurtheilen Sie alle meine Handlungen in Jh-<lb/>
rem letzten Briefe. Seinen Banck-Zettel habe ich<lb/>
ihm bey dem er&#x017F;ten Wieder&#x017F;ehen zuru&#x0364;ck gegeben.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">Freytag Abends.</hi> </p><lb/>
          <p>Herr <hi rendition="#fr">Lovelace</hi> hat einige Ha&#x0364;u&#x017F;er be&#x017F;ehen, allein<lb/>
keines hat ihm gefallen. Er hat aber von einem<lb/>
andern Hau&#x017F;e geho&#x0364;ret, welches be&#x017F;&#x017F;er und bequemer<lb/>
&#x017F;eyn &#x017F;oll, und er wird es morgen fru&#x0364;h be&#x017F;ehen.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">Sonnabends fru&#x0364;h.</hi> </p><lb/>
          <p>Er hat das Haus nunmehr in Augen&#x017F;chein ge-<lb/>
nommen, davon er mir ge&#x017F;tern Abends &#x017F;agte. Es<lb/>
geho&#x0364;rt einer jungen und vornehmen Witwe, Nah-<lb/>
mens <hi rendition="#fr">Fretchville,</hi> die deswegen untro&#x0364;&#x017F;tbar i&#x017F;t,<lb/>
weil &#x017F;ie ihren Gemahl &#x017F;o fru&#x0364;hzeitig verlohren hat. Es<lb/>
i&#x017F;t &#x017F;ehr wohl meubliret, denn keine Meublen darin<lb/>
&#x017F;ind a&#x0364;lter, als ein halbes Jahr. Er meint, wenn<lb/>
mir die Meublen nicht gefielen, &#x017F;o ko&#x0364;nnte er &#x017F;ie auf<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">einige</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[478/0492] den Leuten unten im Hauſe, und inſonderheit von der Jungfer Horton, welche mich zu lieben ſchei- net, und von beſſerem Gemuͤth und Sitten iſt, als die Jungfer Martin. Bey dieſen Umſtaͤnden, und da ich jetzt nicht uͤbel mit ihm ſtehe, wuͤrde es ein ſonderbares Anſehen haben, und mir von allen im Hauſe verdacht werden, wenn ich mich mit einem zancken und allzu hart auf ſein Verſprechen dringen wollte, der mir ſo viele und wichtige Einwendungen machen kann. Jch will mich deswegen lieber nicht mercken laſſen, daß ich es weiß, daß er ſich hier aufhaͤlt, wenn er ſelbſt nur ſo hoͤflich iſt, mich mit dieſer Nachricht zu verſchonen. Beurtheilen Sie alle meine Handlungen in Jh- rem letzten Briefe. Seinen Banck-Zettel habe ich ihm bey dem erſten Wiederſehen zuruͤck gegeben. Freytag Abends. Herr Lovelace hat einige Haͤuſer beſehen, allein keines hat ihm gefallen. Er hat aber von einem andern Hauſe gehoͤret, welches beſſer und bequemer ſeyn ſoll, und er wird es morgen fruͤh beſehen. Sonnabends fruͤh. Er hat das Haus nunmehr in Augenſchein ge- nommen, davon er mir geſtern Abends ſagte. Es gehoͤrt einer jungen und vornehmen Witwe, Nah- mens Fretchville, die deswegen untroͤſtbar iſt, weil ſie ihren Gemahl ſo fruͤhzeitig verlohren hat. Es iſt ſehr wohl meubliret, denn keine Meublen darin ſind aͤlter, als ein halbes Jahr. Er meint, wenn mir die Meublen nicht gefielen, ſo koͤnnte er ſie auf einige

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/492
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 478. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/492>, abgerufen am 25.11.2024.