So bald sie weggegangen war, besahe ich die Thüren, die Fenster, das Tafel-Werck, und die beyden Closets an der Stube, (deren das eine keine Fenster hat:) und da ich fand daß alles wohl verwahrt ist, wende ich mich wieder zu meinem Schreib-Zeuge.
Frau Sinclair gehet eben von mir weg. Dor- cas hatte ihr gesagt, daß ich diesen Abend ihr Ur- laub gegeben hätte. Sie kam deswegen noch, um sich zu erkundigen, wie mir die Zimmer gefielen, und mir eine gute Nacht zu wünschen. Sie beklagte, daß sie meine Gesellschaft bey dem Abendessen nicht gehabt hätten: Herr Lovelace (sagte sie) habe ihr zu verstehen gegeben, daß ich die Stille liebete, und sie versicherte, daß ich in meiner Einsamkeit nicht sollte gestöret werden. Sie lobete ihn sehr, und als sie auf seine Gestalt zu sprechen kam, gab sie mir auch einen Antheil an seinem Lobe: bedaure- te aber, daß sie uns so bald verlieren sollte, als sie von Herrn Lovelacen verstanden hätte.
Jch antwortete ihr höflich, und sie nahm so ehr- erbietig Abschied, daß es bey dem grossen Unter- schied unserer Jahre mir fast zu viel gethan schien, sonderlich da sie die Witwe eines angesehenen Man- nes ist, und sich in Kleidung so wohl aufführet, und ein so schönes und gut meublirtes Haus hat, daß ihre Umstände nicht dürftig seyn können, und sie der Mangel nicht zwinget, sich so sehr herunter zu lassen.
Wenn sie ohngeachtet des Verbots Jhrer Mut- ter fortfahren wollen, zu schreiben, so nennen Sie
mich
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So bald ſie weggegangen war, beſahe ich die Thuͤren, die Fenſter, das Tafel-Werck, und die beyden Cloſets an der Stube, (deren das eine keine Fenſter hat:) und da ich fand daß alles wohl verwahrt iſt, wende ich mich wieder zu meinem Schreib-Zeuge.
Frau Sinclair gehet eben von mir weg. Dor- cas hatte ihr geſagt, daß ich dieſen Abend ihr Ur- laub gegeben haͤtte. Sie kam deswegen noch, um ſich zu erkundigen, wie mir die Zimmer gefielen, und mir eine gute Nacht zu wuͤnſchen. Sie beklagte, daß ſie meine Geſellſchaft bey dem Abendeſſen nicht gehabt haͤtten: Herr Lovelace (ſagte ſie) habe ihr zu verſtehen gegeben, daß ich die Stille liebete, und ſie verſicherte, daß ich in meiner Einſamkeit nicht ſollte geſtoͤret werden. Sie lobete ihn ſehr, und als ſie auf ſeine Geſtalt zu ſprechen kam, gab ſie mir auch einen Antheil an ſeinem Lobe: bedaure- te aber, daß ſie uns ſo bald verlieren ſollte, als ſie von Herrn Lovelacen verſtanden haͤtte.
Jch antwortete ihr hoͤflich, und ſie nahm ſo ehr- erbietig Abſchied, daß es bey dem groſſen Unter- ſchied unſerer Jahre mir faſt zu viel gethan ſchien, ſonderlich da ſie die Witwe eines angeſehenen Man- nes iſt, und ſich in Kleidung ſo wohl auffuͤhret, und ein ſo ſchoͤnes und gut meublirtes Haus hat, daß ihre Umſtaͤnde nicht duͤrftig ſeyn koͤnnen, und ſie der Mangel nicht zwinget, ſich ſo ſehr herunter zu laſſen.
Wenn ſie ohngeachtet des Verbots Jhrer Mut- ter fortfahren wollen, zu ſchreiben, ſo nennen Sie
mich
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So bald ſie weggegangen war, beſahe ich die
Thuͤren, die Fenſter, das Tafel-Werck, und
die beyden Cloſets an der Stube, (deren das eine
keine Fenſter hat:) und da ich fand daß alles wohl
verwahrt iſt, wende ich mich wieder zu meinem
Schreib-Zeuge.
Frau Sinclair gehet eben von mir weg. Dor-
cas hatte ihr geſagt, daß ich dieſen Abend ihr Ur-
laub gegeben haͤtte. Sie kam deswegen noch, um
ſich zu erkundigen, wie mir die Zimmer gefielen, und
mir eine gute Nacht zu wuͤnſchen. Sie beklagte,
daß ſie meine Geſellſchaft bey dem Abendeſſen nicht
gehabt haͤtten: Herr Lovelace (ſagte ſie) habe
ihr zu verſtehen gegeben, daß ich die Stille liebete,
und ſie verſicherte, daß ich in meiner Einſamkeit
nicht ſollte geſtoͤret werden. Sie lobete ihn ſehr,
und als ſie auf ſeine Geſtalt zu ſprechen kam, gab
ſie mir auch einen Antheil an ſeinem Lobe: bedaure-
te aber, daß ſie uns ſo bald verlieren ſollte, als ſie
von Herrn Lovelacen verſtanden haͤtte.
Jch antwortete ihr hoͤflich, und ſie nahm ſo ehr-
erbietig Abſchied, daß es bey dem groſſen Unter-
ſchied unſerer Jahre mir faſt zu viel gethan ſchien,
ſonderlich da ſie die Witwe eines angeſehenen Man-
nes iſt, und ſich in Kleidung ſo wohl auffuͤhret, und
ein ſo ſchoͤnes und gut meublirtes Haus hat, daß
ihre Umſtaͤnde nicht duͤrftig ſeyn koͤnnen, und ſie der
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 457. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/471>, abgerufen am 21.11.2024.
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