Jch hoffe, daß Jhr nachdenckendes Gemüth sich diesen Winck zu Nutze machen wird. Wer wollte sich scheuen, ein grosses Uebel zu erdulden, wenn er es für eine Wohlthat der mütterlichen Hände der Vorsicht anzusehen hat, die dadurch ein grösseres Uebel verhütet? sonderlich wenn uns unser Hertz von allen tadelhaften Neigungen losspricht?
Erlauben Sie mir, noch eine Anmerckung zu machen. Sie sehen aus meiner Nachricht, was Jhre liebenswürdige Mutter vorhin hätte ausrich- ten können, wenn sie sich gegen ein so liebenswürdi- ges und unterdrücktes Kind als Mutter aufgeführet hätte. Jch bin ewig
Jhre Anna Howe.
Jn der Antwort auf den ersten von diesen beyden Briefen beklaget sich die Fräulein Harlowe darüber, daß ihr Rath bey ihrer Freundin so wenig Eingang finde, und daß diese ihrer Mutter so schlecht begeg- ne. Obgleich die Briefe später geschrieben sind, so wollen wir doch hier folgenden Auszug daraus mittheilen.
Jch will das nicht wiederhohlen, was ich für Herrn Hickmann geschrieben habe: sondern Jhnen nur noch einmahl meine öfters gemachte Anmer- ckung in das Gemüth bringen, daß Sie Jhre er- ste Liebe überlebet haben. Wenn daher Jhr zweyter Liebhaber ein Engel wäre, so würde er Jh- nen doch kaum mittelmäßig zu seyn scheinen.
Die
Jch hoffe, daß Jhr nachdenckendes Gemuͤth ſich dieſen Winck zu Nutze machen wird. Wer wollte ſich ſcheuen, ein groſſes Uebel zu erdulden, wenn er es fuͤr eine Wohlthat der muͤtterlichen Haͤnde der Vorſicht anzuſehen hat, die dadurch ein groͤſſeres Uebel verhuͤtet? ſonderlich wenn uns unſer Hertz von allen tadelhaften Neigungen losſpricht?
Erlauben Sie mir, noch eine Anmerckung zu machen. Sie ſehen aus meiner Nachricht, was Jhre liebenswuͤrdige Mutter vorhin haͤtte ausrich- ten koͤnnen, wenn ſie ſich gegen ein ſo liebenswuͤrdi- ges und unterdruͤcktes Kind als Mutter aufgefuͤhret haͤtte. Jch bin ewig
Jhre Anna Howe.
Jn der Antwort auf den erſten von dieſen beyden Briefen beklaget ſich die Fraͤulein Harlowe daruͤber, daß ihr Rath bey ihrer Freundin ſo wenig Eingang finde, und daß dieſe ihrer Mutter ſo ſchlecht begeg- ne. Obgleich die Briefe ſpaͤter geſchrieben ſind, ſo wollen wir doch hier folgenden Auszug daraus mittheilen.
Jch will das nicht wiederhohlen, was ich fuͤr Herrn Hickmann geſchrieben habe: ſondern Jhnen nur noch einmahl meine oͤfters gemachte Anmer- ckung in das Gemuͤth bringen, daß Sie Jhre er- ſte Liebe uͤberlebet haben. Wenn daher Jhr zweyter Liebhaber ein Engel waͤre, ſo wuͤrde er Jh- nen doch kaum mittelmaͤßig zu ſeyn ſcheinen.
Die
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Jch hoffe, daß Jhr nachdenckendes Gemuͤth ſich
dieſen Winck zu Nutze machen wird. Wer wollte
ſich ſcheuen, ein groſſes Uebel zu erdulden, wenn er
es fuͤr eine Wohlthat der muͤtterlichen Haͤnde der
Vorſicht anzuſehen hat, die dadurch ein groͤſſeres
Uebel verhuͤtet? ſonderlich wenn uns unſer Hertz
von allen tadelhaften Neigungen losſpricht?
Erlauben Sie mir, noch eine Anmerckung zu
machen. Sie ſehen aus meiner Nachricht, was
Jhre liebenswuͤrdige Mutter vorhin haͤtte ausrich-
ten koͤnnen, wenn ſie ſich gegen ein ſo liebenswuͤrdi-
ges und unterdruͤcktes Kind als Mutter aufgefuͤhret
haͤtte. Jch bin ewig
Jhre
Anna Howe.
Jn der Antwort auf den erſten von dieſen
beyden Briefen beklaget ſich die Fraͤulein
Harlowe daruͤber, daß ihr Rath bey ihrer
Freundin ſo wenig Eingang finde, und
daß dieſe ihrer Mutter ſo ſchlecht begeg-
ne. Obgleich die Briefe ſpaͤter geſchrieben
ſind, ſo wollen wir doch hier folgenden
Auszug daraus mittheilen.
Jch will das nicht wiederhohlen, was ich fuͤr
Herrn Hickmann geſchrieben habe: ſondern Jhnen
nur noch einmahl meine oͤfters gemachte Anmer-
ckung in das Gemuͤth bringen, daß Sie Jhre er-
ſte Liebe uͤberlebet haben. Wenn daher Jhr
zweyter Liebhaber ein Engel waͤre, ſo wuͤrde er Jh-
nen doch kaum mittelmaͤßig zu ſeyn ſcheinen.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 422. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/436>, abgerufen am 21.11.2024.
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