Mädchen keinen andern Vorzug hat, als daß es besser gekleidet ist. So unpartheyisch hat der Him- mel sein allerschönstes Geschenck, die Mädchens, dem Könige und dem Bauren ausgetheilet.
Was denckst du aber? wie lief es mit meiner unvorsätzlichen Bitte ab? Hielt sie mich nicht bey meinem Worte, da ich so deutlich und noch dazu knieend redete?
Bilde dir das ja nicht ein! die kleine liebe Thö- rin ließ mich so glücklich entwischen, als ich es nur wünschen konnte.
Jhre angenehme Verwirrung wollte sie nicht ein- mahl meinem Antrage und der Liebe zu mir zuschrei- ben, sondern dem Vorhaben ihres Bruders, der Furcht vor unglücklichen Folgen, und dem Kum- mer über die Unversöhnlichkeit ihrer Anverwanten. Diese Auslegung ist wahrlich Hochverrath gegen meinen herrschenden Stoltz. Will sie eine Verbin- dung mit mir nur zur Ausflucht in der äußersten Noth gebrauchen? Will sie mir beynahe mit deutli- chen Worten sagen, sie sey blos darüber bekümmert, weil sie keine Hoffnung siehet, daß ihre Freunde ihr Erbieten annehmen werden, dem auf ewig abzusa- gen, der sein Leben vor sie gewagt hat, und es noch alle Stunden zu wagen bereit ist?
Jch bat sie noch einmahl, daß sie mich glücklich machen möchte. Allein ich sollte Gedult haben, bis Morden ankäme. Der ist jetzt ihre eintzige Hoff- nung.
Jch war verdrießlich: aber alles umsonst.
Sie
Maͤdchen keinen andern Vorzug hat, als daß es beſſer gekleidet iſt. So unpartheyiſch hat der Him- mel ſein allerſchoͤnſtes Geſchenck, die Maͤdchens, dem Koͤnige und dem Bauren ausgetheilet.
Was denckſt du aber? wie lief es mit meiner unvorſaͤtzlichen Bitte ab? Hielt ſie mich nicht bey meinem Worte, da ich ſo deutlich und noch dazu knieend redete?
Bilde dir das ja nicht ein! die kleine liebe Thoͤ- rin ließ mich ſo gluͤcklich entwiſchen, als ich es nur wuͤnſchen konnte.
Jhre angenehme Verwirrung wollte ſie nicht ein- mahl meinem Antrage und der Liebe zu mir zuſchrei- ben, ſondern dem Vorhaben ihres Bruders, der Furcht vor ungluͤcklichen Folgen, und dem Kum- mer uͤber die Unverſoͤhnlichkeit ihrer Anverwanten. Dieſe Auslegung iſt wahrlich Hochverrath gegen meinen herrſchenden Stoltz. Will ſie eine Verbin- dung mit mir nur zur Ausflucht in der aͤußerſten Noth gebrauchen? Will ſie mir beynahe mit deutli- chen Worten ſagen, ſie ſey blos daruͤber bekuͤmmert, weil ſie keine Hoffnung ſiehet, daß ihre Freunde ihr Erbieten annehmen werden, dem auf ewig abzuſa- gen, der ſein Leben vor ſie gewagt hat, und es noch alle Stunden zu wagen bereit iſt?
Jch bat ſie noch einmahl, daß ſie mich gluͤcklich machen moͤchte. Allein ich ſollte Gedult haben, bis Morden ankaͤme. Der iſt jetzt ihre eintzige Hoff- nung.
Jch war verdrießlich: aber alles umſonſt.
Sie
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Maͤdchen keinen andern Vorzug hat, als daß es
beſſer gekleidet iſt. So unpartheyiſch hat der Him-
mel ſein allerſchoͤnſtes Geſchenck, die Maͤdchens,
dem Koͤnige und dem Bauren ausgetheilet.
Was denckſt du aber? wie lief es mit meiner
unvorſaͤtzlichen Bitte ab? Hielt ſie mich nicht bey
meinem Worte, da ich ſo deutlich und noch dazu
knieend redete?
Bilde dir das ja nicht ein! die kleine liebe Thoͤ-
rin ließ mich ſo gluͤcklich entwiſchen, als ich es nur
wuͤnſchen konnte.
Jhre angenehme Verwirrung wollte ſie nicht ein-
mahl meinem Antrage und der Liebe zu mir zuſchrei-
ben, ſondern dem Vorhaben ihres Bruders, der
Furcht vor ungluͤcklichen Folgen, und dem Kum-
mer uͤber die Unverſoͤhnlichkeit ihrer Anverwanten.
Dieſe Auslegung iſt wahrlich Hochverrath gegen
meinen herrſchenden Stoltz. Will ſie eine Verbin-
dung mit mir nur zur Ausflucht in der aͤußerſten
Noth gebrauchen? Will ſie mir beynahe mit deutli-
chen Worten ſagen, ſie ſey blos daruͤber bekuͤmmert,
weil ſie keine Hoffnung ſiehet, daß ihre Freunde ihr
Erbieten annehmen werden, dem auf ewig abzuſa-
gen, der ſein Leben vor ſie gewagt hat, und es noch
alle Stunden zu wagen bereit iſt?
Jch bat ſie noch einmahl, daß ſie mich gluͤcklich
machen moͤchte. Allein ich ſollte Gedult haben, bis
Morden ankaͤme. Der iſt jetzt ihre eintzige Hoff-
nung.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 354. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/368>, abgerufen am 21.11.2024.
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