dienen. Allein darf ich sie fragen, was ich ihnen zu leyde gethan habe? Habe ich ihnen Anlaß gege- ben, so hart mit mir umzugehen, und so weniges Vertrauen in mich zu setzen? Was aber haben sie von den Jhrigen leyden müssen? Es ist wahr, die Rede der Leute streitet wider mich: allein wissen sie selbst etwas, das mir zum Nachtheil gereichen kann?
Jch ward gantz bestürtzt: allein ich wollte mir nicht selbst abfallen.
Jst dis (sagte ich) die Zeit, in der sie mit ei- ner verlassenen und unglücklichen Person aus einem solchen Ton reden wollen? Sie legen mir eine wun- derliche Frage vor. Wenn ich selbst etwas wider sie wüßte, so - -
Hiemit wollte ich weggehen. Er ergriff mich aber bey der Hand, und bat mich: daß ich ihn nicht in Unwillen verlassen möchte. Er stellete mir vor, ich sey zu grausam gegen ihn, und zu partheyisch für die Leute, von denen er so vieles erduldet hätte, und die uns eben jetzt Gelegenheit gäben, uns über ihre Gewaltthätigkeiten zu berathschlagen.
Jch war gezwungen ihm noch weiter zuzuhören.
Er sagte: sie haben die Gütigkeit gehabt, mich um Rath zu fragen. Es ist gar nicht schwer, ei- nen Rath zu geben. Jch hoffe, daß ich bey dieser Gelegenheit reden darf, ohne daß sie es mir ungü- tig nehmen, wenn ich gleich ihr ehemahliges Verbot übertrete. Sie sehen selbst, daß alle Hoffnung zur Versöhnung mit den Jhrigen verschwindet. Meine liebe Fräulein, können sie sich überwinden mir ihre
liebe
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dienen. Allein darf ich ſie fragen, was ich ihnen zu leyde gethan habe? Habe ich ihnen Anlaß gege- ben, ſo hart mit mir umzugehen, und ſo weniges Vertrauen in mich zu ſetzen? Was aber haben ſie von den Jhrigen leyden muͤſſen? Es iſt wahr, die Rede der Leute ſtreitet wider mich: allein wiſſen ſie ſelbſt etwas, das mir zum Nachtheil gereichen kann?
Jch ward gantz beſtuͤrtzt: allein ich wollte mir nicht ſelbſt abfallen.
Jſt dis (ſagte ich) die Zeit, in der ſie mit ei- ner verlaſſenen und ungluͤcklichen Perſon aus einem ſolchen Ton reden wollen? Sie legen mir eine wun- derliche Frage vor. Wenn ich ſelbſt etwas wider ſie wuͤßte, ſo ‒ ‒
Hiemit wollte ich weggehen. Er ergriff mich aber bey der Hand, und bat mich: daß ich ihn nicht in Unwillen verlaſſen moͤchte. Er ſtellete mir vor, ich ſey zu grauſam gegen ihn, und zu partheyiſch fuͤr die Leute, von denen er ſo vieles erduldet haͤtte, und die uns eben jetzt Gelegenheit gaͤben, uns uͤber ihre Gewaltthaͤtigkeiten zu berathſchlagen.
Jch war gezwungen ihm noch weiter zuzuhoͤren.
Er ſagte: ſie haben die Guͤtigkeit gehabt, mich um Rath zu fragen. Es iſt gar nicht ſchwer, ei- nen Rath zu geben. Jch hoffe, daß ich bey dieſer Gelegenheit reden darf, ohne daß ſie es mir unguͤ- tig nehmen, wenn ich gleich ihr ehemahliges Verbot uͤbertrete. Sie ſehen ſelbſt, daß alle Hoffnung zur Verſoͤhnung mit den Jhrigen verſchwindet. Meine liebe Fraͤulein, koͤnnen ſie ſich uͤberwinden mir ihre
liebe
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dienen. Allein darf ich ſie fragen, was ich ihnen
zu leyde gethan habe? Habe ich ihnen Anlaß gege-
ben, ſo hart mit mir umzugehen, und ſo weniges
Vertrauen in mich zu ſetzen? Was aber haben ſie
von den Jhrigen leyden muͤſſen? Es iſt wahr, die
Rede der Leute ſtreitet wider mich: allein wiſſen ſie
ſelbſt etwas, das mir zum Nachtheil gereichen
kann?
Jch ward gantz beſtuͤrtzt: allein ich wollte mir
nicht ſelbſt abfallen.
Jſt dis (ſagte ich) die Zeit, in der ſie mit ei-
ner verlaſſenen und ungluͤcklichen Perſon aus einem
ſolchen Ton reden wollen? Sie legen mir eine wun-
derliche Frage vor. Wenn ich ſelbſt etwas wider
ſie wuͤßte, ſo ‒ ‒
Hiemit wollte ich weggehen. Er ergriff mich
aber bey der Hand, und bat mich: daß ich ihn nicht
in Unwillen verlaſſen moͤchte. Er ſtellete mir vor,
ich ſey zu grauſam gegen ihn, und zu partheyiſch
fuͤr die Leute, von denen er ſo vieles erduldet haͤtte,
und die uns eben jetzt Gelegenheit gaͤben, uns uͤber
ihre Gewaltthaͤtigkeiten zu berathſchlagen.
Jch war gezwungen ihm noch weiter zuzuhoͤren.
Er ſagte: ſie haben die Guͤtigkeit gehabt, mich
um Rath zu fragen. Es iſt gar nicht ſchwer, ei-
nen Rath zu geben. Jch hoffe, daß ich bey dieſer
Gelegenheit reden darf, ohne daß ſie es mir unguͤ-
tig nehmen, wenn ich gleich ihr ehemahliges Verbot
uͤbertrete. Sie ſehen ſelbſt, daß alle Hoffnung zur
Verſoͤhnung mit den Jhrigen verſchwindet. Meine
liebe Fraͤulein, koͤnnen ſie ſich uͤberwinden mir ihre
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 343. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/357>, abgerufen am 24.11.2024.
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