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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

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Briefe. Wenn ihr meine Aufführung nicht gar
zu schwartz vorkommt, so bin ich vielleicht so glück-
lich, nicht allein Jhren Rath, sondern auch den
Rath Jhrer Frau Mutter zu genießen. Werde
ich aber künftig mir durch vorsätzliche Versehungen
ihren Unwillen zuziehen, so will ich mir zum voraus
diese Strafe setzen, daß ich Jhres beyderseitigen
Raths auf ewig entbehren will.

Sie meinen es würde mir den Muth im schreiben
nehmen, wenn ich wüste, daß Jhre Mutter mei-
ne Brieffe zu sehen bekäme. Der Muth ist mir oh-
nehin schon genug genommen. Jch bitte Sie aber,
haben Sie nicht solche Gedancken von Jhrer Mut-
ter, als wenn Sie partheyische und unrichtige An-
merckungen über meine Brieffe machen würde.
Können wir zweifeln, daß sie nicht würde gütig ge-
gen mich gewesen seyn, wenn sie nicht von andern
eingenommen wäre? Eben das muß ich selbst von
meinem Onckle Anton dencken. Ja meine Liebe
erstrecket sich noch weiter und kann noch von andern
alles hoffen: ich glaube bisweilen, daß wenn mein
Bruder und meine Schwester völlig gewiß wüsten,
daß ich gäntzlich bey meinen Onckles ausgethan wä-
re und ihrem Vortheil nie im Wege stehen würde,
sie mir nicht hinderlich seyn würden, von meinen
Eltern Vergebung zu erlangen, ob sie gleich keine
völlige Aussöhnung wünschen möchten. Jnsonder-
heit glaube ich dieses von ihnen in dem Falle, wenn
ich ihnen einiges aufopfern wollte: und das wollte
ich von Hertzen gerne thun, so bald ich völlig frey von
Herrn Lovelace bin. Sie wissen, daß ich mich

nie



Briefe. Wenn ihr meine Auffuͤhrung nicht gar
zu ſchwartz vorkommt, ſo bin ich vielleicht ſo gluͤck-
lich, nicht allein Jhren Rath, ſondern auch den
Rath Jhrer Frau Mutter zu genießen. Werde
ich aber kuͤnftig mir durch vorſaͤtzliche Verſehungen
ihren Unwillen zuziehen, ſo will ich mir zum voraus
dieſe Strafe ſetzen, daß ich Jhres beyderſeitigen
Raths auf ewig entbehren will.

Sie meinen es wuͤrde mir den Muth im ſchreiben
nehmen, wenn ich wuͤſte, daß Jhre Mutter mei-
ne Brieffe zu ſehen bekaͤme. Der Muth iſt mir oh-
nehin ſchon genug genommen. Jch bitte Sie aber,
haben Sie nicht ſolche Gedancken von Jhrer Mut-
ter, als wenn Sie partheyiſche und unrichtige An-
merckungen uͤber meine Brieffe machen wuͤrde.
Koͤnnen wir zweifeln, daß ſie nicht wuͤrde guͤtig ge-
gen mich geweſen ſeyn, wenn ſie nicht von andern
eingenommen waͤre? Eben das muß ich ſelbſt von
meinem Onckle Anton dencken. Ja meine Liebe
erſtrecket ſich noch weiter und kann noch von andern
alles hoffen: ich glaube bisweilen, daß wenn mein
Bruder und meine Schweſter voͤllig gewiß wuͤſten,
daß ich gaͤntzlich bey meinen Onckles ausgethan waͤ-
re und ihrem Vortheil nie im Wege ſtehen wuͤrde,
ſie mir nicht hinderlich ſeyn wuͤrden, von meinen
Eltern Vergebung zu erlangen, ob ſie gleich keine
voͤllige Ausſoͤhnung wuͤnſchen moͤchten. Jnſonder-
heit glaube ich dieſes von ihnen in dem Falle, wenn
ich ihnen einiges aufopfern wollte: und das wollte
ich von Hertzen gerne thun, ſo bald ich voͤllig frey von
Herrn Lovelace bin. Sie wiſſen, daß ich mich

nie
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[328/0342] Briefe. Wenn ihr meine Auffuͤhrung nicht gar zu ſchwartz vorkommt, ſo bin ich vielleicht ſo gluͤck- lich, nicht allein Jhren Rath, ſondern auch den Rath Jhrer Frau Mutter zu genießen. Werde ich aber kuͤnftig mir durch vorſaͤtzliche Verſehungen ihren Unwillen zuziehen, ſo will ich mir zum voraus dieſe Strafe ſetzen, daß ich Jhres beyderſeitigen Raths auf ewig entbehren will. Sie meinen es wuͤrde mir den Muth im ſchreiben nehmen, wenn ich wuͤſte, daß Jhre Mutter mei- ne Brieffe zu ſehen bekaͤme. Der Muth iſt mir oh- nehin ſchon genug genommen. Jch bitte Sie aber, haben Sie nicht ſolche Gedancken von Jhrer Mut- ter, als wenn Sie partheyiſche und unrichtige An- merckungen uͤber meine Brieffe machen wuͤrde. Koͤnnen wir zweifeln, daß ſie nicht wuͤrde guͤtig ge- gen mich geweſen ſeyn, wenn ſie nicht von andern eingenommen waͤre? Eben das muß ich ſelbſt von meinem Onckle Anton dencken. Ja meine Liebe erſtrecket ſich noch weiter und kann noch von andern alles hoffen: ich glaube bisweilen, daß wenn mein Bruder und meine Schweſter voͤllig gewiß wuͤſten, daß ich gaͤntzlich bey meinen Onckles ausgethan waͤ- re und ihrem Vortheil nie im Wege ſtehen wuͤrde, ſie mir nicht hinderlich ſeyn wuͤrden, von meinen Eltern Vergebung zu erlangen, ob ſie gleich keine voͤllige Ausſoͤhnung wuͤnſchen moͤchten. Jnſonder- heit glaube ich dieſes von ihnen in dem Falle, wenn ich ihnen einiges aufopfern wollte: und das wollte ich von Hertzen gerne thun, ſo bald ich voͤllig frey von Herrn Lovelace bin. Sie wiſſen, daß ich mich nie

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/342>, abgerufen am 24.11.2024.