sondern sich nur einbilden kann. Daß er nachher ungestümer geworden ist, und sich kein Bedencken gemacht hat, Sie zu beleydigen, und wieder sehr demüthig um Vergebung zu bitten, ist bey ihm (da man ihm weder Muth noch Verstand absprechen kann) ein Mittel, die Neigung des Frauenzim- mers vor dem Schlaaf zu bewahren, und es nach und nach so zu ermüden, daß es sich ihm nicht fer- ner wiedersetzt, sondern so gelassen wird, als ein Haus-Tyrann seine Frau wünschen möchte.
Die verschiedene Aufführung unserer zwey Rit- ter gegen ihre Dulcineen, ist bey nahe ein mathema- tischer Erweiß meines Satzes. Jch bin schon ge- wohnt, Hickmanns winselnde Demuth vor mir zu sehen, daß ich nichts von ihm erwarte, als daß er sich schmiegen und biegen soll. Sein wehmüthiger Unverstand macht bey mir so wenigen Eindruck, daß ich mich oft durch die Musik des Schlaafs er- wehren muß, in den er mich singet oder weinet. Lovelace hingegen weiß das Spiel zu unterhalten: wenn man mit ihm umgehet, so ist es nicht anders, als wenn man ein Feuer-Werck siehet.
Jhr häufiger Zanck und Versöhnung sind der richtigste Erweiß meiner Anmerckung. Wenn Hickmann Lovelace wäre, (blos Lovelaces La- ster ausgenommen) so hätte ich ihn längstens ge- nommen. Allein er hätte den Anfang auf eine an- dere Art machen müssen. Er wird niemahls das wieder erlangen, was er verlohren hat, sondern bis an das Ende seiner Freyerey, ja bis an das Ende seines Lebens muß er die schüchterne Person in dem Lust-Spiele seyn.
Der
S 5
ſondern ſich nur einbilden kann. Daß er nachher ungeſtuͤmer geworden iſt, und ſich kein Bedencken gemacht hat, Sie zu beleydigen, und wieder ſehr demuͤthig um Vergebung zu bitten, iſt bey ihm (da man ihm weder Muth noch Verſtand abſprechen kann) ein Mittel, die Neigung des Frauenzim- mers vor dem Schlaaf zu bewahren, und es nach und nach ſo zu ermuͤden, daß es ſich ihm nicht fer- ner wiederſetzt, ſondern ſo gelaſſen wird, als ein Haus-Tyrann ſeine Frau wuͤnſchen moͤchte.
Die verſchiedene Auffuͤhrung unſerer zwey Rit- ter gegen ihre Dulcineen, iſt bey nahe ein mathema- tiſcher Erweiß meines Satzes. Jch bin ſchon ge- wohnt, Hickmanns winſelnde Demuth vor mir zu ſehen, daß ich nichts von ihm erwarte, als daß er ſich ſchmiegen und biegen ſoll. Sein wehmuͤthiger Unverſtand macht bey mir ſo wenigen Eindruck, daß ich mich oft durch die Muſik des Schlaafs er- wehren muß, in den er mich ſinget oder weinet. Lovelace hingegen weiß das Spiel zu unterhalten: wenn man mit ihm umgehet, ſo iſt es nicht anders, als wenn man ein Feuer-Werck ſiehet.
Jhr haͤufiger Zanck und Verſoͤhnung ſind der richtigſte Erweiß meiner Anmerckung. Wenn Hickmann Lovelace waͤre, (blos Lovelaces La- ſter ausgenommen) ſo haͤtte ich ihn laͤngſtens ge- nommen. Allein er haͤtte den Anfang auf eine an- dere Art machen muͤſſen. Er wird niemahls das wieder erlangen, was er verlohren hat, ſondern bis an das Ende ſeiner Freyerey, ja bis an das Ende ſeines Lebens muß er die ſchuͤchterne Perſon in dem Luſt-Spiele ſeyn.
Der
S 5
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0295"n="281"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>ſondern ſich nur einbilden kann. Daß er nachher<lb/>
ungeſtuͤmer geworden iſt, und ſich kein Bedencken<lb/>
gemacht hat, Sie zu beleydigen, und wieder ſehr<lb/>
demuͤthig um Vergebung zu bitten, iſt bey ihm (da<lb/>
man ihm weder Muth noch Verſtand abſprechen<lb/>
kann) ein Mittel, die Neigung des Frauenzim-<lb/>
mers vor dem Schlaaf zu bewahren, und es nach<lb/>
und nach ſo zu ermuͤden, daß es ſich ihm nicht fer-<lb/>
ner wiederſetzt, ſondern ſo gelaſſen wird, als ein<lb/>
Haus-Tyrann ſeine Frau wuͤnſchen moͤchte.</p><lb/><p>Die verſchiedene Auffuͤhrung unſerer zwey Rit-<lb/>
ter gegen ihre Dulcineen, iſt bey nahe ein mathema-<lb/>
tiſcher Erweiß meines Satzes. Jch bin ſchon ge-<lb/>
wohnt, Hickmanns winſelnde Demuth vor mir zu<lb/>ſehen, daß ich nichts von ihm erwarte, als daß er<lb/>ſich ſchmiegen und biegen ſoll. Sein wehmuͤthiger<lb/>
Unverſtand macht bey mir ſo wenigen Eindruck,<lb/>
daß ich mich oft durch die Muſik des Schlaafs er-<lb/>
wehren muß, in den er mich ſinget oder weinet.<lb/><hirendition="#fr">Lovelace</hi> hingegen weiß das Spiel zu unterhalten:<lb/>
wenn man mit ihm umgehet, ſo iſt es nicht anders,<lb/>
als wenn man ein Feuer-Werck ſiehet.</p><lb/><p>Jhr haͤufiger Zanck und Verſoͤhnung ſind der<lb/>
richtigſte Erweiß meiner Anmerckung. Wenn<lb/><hirendition="#fr">Hickmann Lovelace</hi> waͤre, (blos <hirendition="#fr">Lovelaces</hi> La-<lb/>ſter ausgenommen) ſo haͤtte ich ihn laͤngſtens ge-<lb/>
nommen. Allein er haͤtte den Anfang auf eine an-<lb/>
dere Art machen muͤſſen. Er wird niemahls das<lb/>
wieder erlangen, was er verlohren hat, ſondern bis<lb/>
an das Ende ſeiner Freyerey, ja bis an das Ende<lb/>ſeines Lebens muß er die ſchuͤchterne Perſon in dem<lb/>
Luſt-Spiele ſeyn.</p><fwplace="bottom"type="sig">S 5</fw><fwplace="bottom"type="catch"><hirendition="#fr">Der</hi></fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[281/0295]
ſondern ſich nur einbilden kann. Daß er nachher
ungeſtuͤmer geworden iſt, und ſich kein Bedencken
gemacht hat, Sie zu beleydigen, und wieder ſehr
demuͤthig um Vergebung zu bitten, iſt bey ihm (da
man ihm weder Muth noch Verſtand abſprechen
kann) ein Mittel, die Neigung des Frauenzim-
mers vor dem Schlaaf zu bewahren, und es nach
und nach ſo zu ermuͤden, daß es ſich ihm nicht fer-
ner wiederſetzt, ſondern ſo gelaſſen wird, als ein
Haus-Tyrann ſeine Frau wuͤnſchen moͤchte.
Die verſchiedene Auffuͤhrung unſerer zwey Rit-
ter gegen ihre Dulcineen, iſt bey nahe ein mathema-
tiſcher Erweiß meines Satzes. Jch bin ſchon ge-
wohnt, Hickmanns winſelnde Demuth vor mir zu
ſehen, daß ich nichts von ihm erwarte, als daß er
ſich ſchmiegen und biegen ſoll. Sein wehmuͤthiger
Unverſtand macht bey mir ſo wenigen Eindruck,
daß ich mich oft durch die Muſik des Schlaafs er-
wehren muß, in den er mich ſinget oder weinet.
Lovelace hingegen weiß das Spiel zu unterhalten:
wenn man mit ihm umgehet, ſo iſt es nicht anders,
als wenn man ein Feuer-Werck ſiehet.
Jhr haͤufiger Zanck und Verſoͤhnung ſind der
richtigſte Erweiß meiner Anmerckung. Wenn
Hickmann Lovelace waͤre, (blos Lovelaces La-
ſter ausgenommen) ſo haͤtte ich ihn laͤngſtens ge-
nommen. Allein er haͤtte den Anfang auf eine an-
dere Art machen muͤſſen. Er wird niemahls das
wieder erlangen, was er verlohren hat, ſondern bis
an das Ende ſeiner Freyerey, ja bis an das Ende
ſeines Lebens muß er die ſchuͤchterne Perſon in dem
Luſt-Spiele ſeyn.
Der
S 5
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 281. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/295>, abgerufen am 22.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.