Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.

Bild:
<< vorherige Seite


Der neun und zwantzigste Brief.
Eine Fortsetzung des vorigen.

Diese Briefe machten mich, wie Sie leicht den-
cken können, aufgeräumter gegen ihn. Er
sahe die Veränderung an meinem Gesicht, und gab
mir seine Freude darüber zu erkennen. Allein das
wundert mich, daß ich den Jnhalt dieser Briefe
nicht schon gestern Abend erfahren habe.

Er verlangte hierauf von mir, gleich zu der Lady
Elisabeth zu reisen.

Jch sagte: wie kann ich aber das thun, wenn ich
auch nicht die geringste Hoffnung zur Aussöhnung
mit den Meinigen hätte, dazu ich doch einige Mit-
tel anwenden und es versuchen muß, ob sie ihren
Zweck erreichen? Wie kann ich es thun, da ich
keine nähere Erlaubniß ihrer Gnaden vor mir habe?

Er sagte: er wisse gewiß, die Einladung sey nur
deshalb ausgelassen, weil sie befürchtet hätte, ich
möchte eine abschlägige Antwort geben: sonst wür-
de sie mich mit dem grössesten Vergnügen von der
Welt gebeten haben, ihr diese Ehre zu erzeigen.

Selbst dieser Zweiffel der Lady Elisabeth (ant-
wortete ich) sey schon hinlänglich mich abzuschre-
cken. Sie wisse so wohl, was sich schicke und nicht
schicke: da sie nun befürchtet habe, daß ich eine ab-
schlägige Antwort geben würde, so müßte sie es mir
als einen Fehler auslegen, wenn ich die Einladung
angenommen hätte. Allein dieser Fehler würde noch
grösser seyn, wenn ich ohne eine Einladung käme.
Endlich (sagte ich) habe ich es Jhnen zu dancken,
mein Herr, daß ich nicht einmahl mit anständiger
Kleidung versehen bin.


Er


Der neun und zwantzigſte Brief.
Eine Fortſetzung des vorigen.

Dieſe Briefe machten mich, wie Sie leicht den-
cken koͤnnen, aufgeraͤumter gegen ihn. Er
ſahe die Veraͤnderung an meinem Geſicht, und gab
mir ſeine Freude daruͤber zu erkennen. Allein das
wundert mich, daß ich den Jnhalt dieſer Briefe
nicht ſchon geſtern Abend erfahren habe.

Er verlangte hierauf von mir, gleich zu der Lady
Eliſabeth zu reiſen.

Jch ſagte: wie kann ich aber das thun, wenn ich
auch nicht die geringſte Hoffnung zur Ausſoͤhnung
mit den Meinigen haͤtte, dazu ich doch einige Mit-
tel anwenden und es verſuchen muß, ob ſie ihren
Zweck erreichen? Wie kann ich es thun, da ich
keine naͤhere Erlaubniß ihrer Gnaden vor mir habe?

Er ſagte: er wiſſe gewiß, die Einladung ſey nur
deshalb ausgelaſſen, weil ſie befuͤrchtet haͤtte, ich
moͤchte eine abſchlaͤgige Antwort geben: ſonſt wuͤr-
de ſie mich mit dem groͤſſeſten Vergnuͤgen von der
Welt gebeten haben, ihr dieſe Ehre zu erzeigen.

Selbſt dieſer Zweiffel der Lady Eliſabeth (ant-
wortete ich) ſey ſchon hinlaͤnglich mich abzuſchre-
cken. Sie wiſſe ſo wohl, was ſich ſchicke und nicht
ſchicke: da ſie nun befuͤrchtet habe, daß ich eine ab-
ſchlaͤgige Antwort geben wuͤrde, ſo muͤßte ſie es mir
als einen Fehler auslegen, wenn ich die Einladung
angenommen haͤtte. Allein dieſer Fehler wuͤrde noch
groͤſſer ſeyn, wenn ich ohne eine Einladung kaͤme.
Endlich (ſagte ich) habe ich es Jhnen zu dancken,
mein Herr, daß ich nicht einmahl mit anſtaͤndiger
Kleidung verſehen bin.


Er
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0266" n="252"/>
        <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        <div n="2">
          <head><hi rendition="#fr">Der neun und zwantzig&#x017F;te Brief.</hi><lb/>
Eine Fort&#x017F;etzung des vorigen.</head><lb/>
          <p><hi rendition="#in">D</hi>ie&#x017F;e Briefe machten mich, wie Sie leicht den-<lb/>
cken ko&#x0364;nnen, aufgera&#x0364;umter gegen ihn. Er<lb/>
&#x017F;ahe die Vera&#x0364;nderung an meinem Ge&#x017F;icht, und gab<lb/>
mir &#x017F;eine Freude daru&#x0364;ber zu erkennen. Allein das<lb/>
wundert mich, daß ich den Jnhalt die&#x017F;er Briefe<lb/>
nicht &#x017F;chon ge&#x017F;tern Abend erfahren habe.</p><lb/>
          <p>Er verlangte hierauf von mir, gleich zu der Lady<lb/><hi rendition="#fr">Eli&#x017F;abeth</hi> zu rei&#x017F;en.</p><lb/>
          <p>Jch &#x017F;agte: wie kann ich aber das thun, wenn ich<lb/>
auch nicht die gering&#x017F;te Hoffnung zur Aus&#x017F;o&#x0364;hnung<lb/>
mit den Meinigen ha&#x0364;tte, dazu ich doch einige Mit-<lb/>
tel anwenden und es ver&#x017F;uchen muß, ob &#x017F;ie ihren<lb/>
Zweck erreichen? Wie kann ich es thun, da ich<lb/>
keine na&#x0364;here Erlaubniß ihrer Gnaden vor mir habe?</p><lb/>
          <p>Er &#x017F;agte: er wi&#x017F;&#x017F;e gewiß, die Einladung &#x017F;ey nur<lb/>
deshalb ausgela&#x017F;&#x017F;en, weil &#x017F;ie befu&#x0364;rchtet ha&#x0364;tte, ich<lb/>
mo&#x0364;chte eine ab&#x017F;chla&#x0364;gige Antwort geben: &#x017F;on&#x017F;t wu&#x0364;r-<lb/>
de &#x017F;ie mich mit dem gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;e&#x017F;ten Vergnu&#x0364;gen von der<lb/>
Welt gebeten haben, ihr die&#x017F;e Ehre zu erzeigen.</p><lb/>
          <p>Selb&#x017F;t die&#x017F;er Zweiffel der Lady <hi rendition="#fr">Eli&#x017F;abeth</hi> (ant-<lb/>
wortete ich) &#x017F;ey &#x017F;chon hinla&#x0364;nglich mich abzu&#x017F;chre-<lb/>
cken. Sie wi&#x017F;&#x017F;e &#x017F;o wohl, was &#x017F;ich &#x017F;chicke und nicht<lb/>
&#x017F;chicke: da &#x017F;ie nun befu&#x0364;rchtet habe, daß ich eine ab-<lb/>
&#x017F;chla&#x0364;gige Antwort geben wu&#x0364;rde, &#x017F;o mu&#x0364;ßte &#x017F;ie es mir<lb/>
als einen Fehler auslegen, wenn ich die Einladung<lb/>
angenommen ha&#x0364;tte. Allein die&#x017F;er Fehler wu&#x0364;rde noch<lb/>
gro&#x0364;&#x017F;&#x017F;er &#x017F;eyn, wenn ich ohne eine Einladung ka&#x0364;me.<lb/>
Endlich (&#x017F;agte ich) habe ich es Jhnen zu dancken,<lb/>
mein Herr, daß ich nicht einmahl mit an&#x017F;ta&#x0364;ndiger<lb/>
Kleidung ver&#x017F;ehen bin.</p>
          <fw place="bottom" type="catch">Er</fw><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[252/0266] Der neun und zwantzigſte Brief. Eine Fortſetzung des vorigen. Dieſe Briefe machten mich, wie Sie leicht den- cken koͤnnen, aufgeraͤumter gegen ihn. Er ſahe die Veraͤnderung an meinem Geſicht, und gab mir ſeine Freude daruͤber zu erkennen. Allein das wundert mich, daß ich den Jnhalt dieſer Briefe nicht ſchon geſtern Abend erfahren habe. Er verlangte hierauf von mir, gleich zu der Lady Eliſabeth zu reiſen. Jch ſagte: wie kann ich aber das thun, wenn ich auch nicht die geringſte Hoffnung zur Ausſoͤhnung mit den Meinigen haͤtte, dazu ich doch einige Mit- tel anwenden und es verſuchen muß, ob ſie ihren Zweck erreichen? Wie kann ich es thun, da ich keine naͤhere Erlaubniß ihrer Gnaden vor mir habe? Er ſagte: er wiſſe gewiß, die Einladung ſey nur deshalb ausgelaſſen, weil ſie befuͤrchtet haͤtte, ich moͤchte eine abſchlaͤgige Antwort geben: ſonſt wuͤr- de ſie mich mit dem groͤſſeſten Vergnuͤgen von der Welt gebeten haben, ihr dieſe Ehre zu erzeigen. Selbſt dieſer Zweiffel der Lady Eliſabeth (ant- wortete ich) ſey ſchon hinlaͤnglich mich abzuſchre- cken. Sie wiſſe ſo wohl, was ſich ſchicke und nicht ſchicke: da ſie nun befuͤrchtet habe, daß ich eine ab- ſchlaͤgige Antwort geben wuͤrde, ſo muͤßte ſie es mir als einen Fehler auslegen, wenn ich die Einladung angenommen haͤtte. Allein dieſer Fehler wuͤrde noch groͤſſer ſeyn, wenn ich ohne eine Einladung kaͤme. Endlich (ſagte ich) habe ich es Jhnen zu dancken, mein Herr, daß ich nicht einmahl mit anſtaͤndiger Kleidung verſehen bin. Er

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/266
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 252. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/266>, abgerufen am 24.11.2024.