oder an einen andern Ort reisen wollte, und alsdenn verlangte, daß er mich verlassen sollte, so würde ich nichts befehlen können, was entweder um der Rede der Leute willen, oder auch wegen meiner Furcht- samkeit nöthig wäre, das er nicht mit Freuden er- füllen wollte. Weil er auch sehe, daß ich mit Schreiben beschäftiget wäre, so wollte er gleich sein Pferd satteln lassen und ausreiten.
Haben sie aber einige Bekantschaft zu Wind- sor? Wissen sie einige bequeme Miethen?
Den nahe gelegenen Wald ausgenommen, in dem ich bisweilen gejaget habe, ist Windsor die eintzige berühmte und artige Stadt in England, davon ich bey nahe gar nichts weiß. Jch habe nicht einen eintzigen Bekannten daselbst.
Jch antwortete: sein Vorschlag wegen Wind- sor gefiele mir ziemlich wohl: ich wollte dahin zie- hen, wann ich nur eine Wohnung für mich, und eine Stube oben im Hause für meine Hannichen bekommen könnte. Denn er könnte sich leicht vor- stellen, daß ich mit wenigem haushalten müßte, und ich würde sehr ungern Wohlthaten von andern an- nehmen. Je eher ich nach Windsor reisen könnte, desto lieber sollte es mir seyn; weil dadurch aller Vor- wand wegfiele, den er jetzt hätte, um mich zu seyn, und er sich nach London, nach der Grafschaft Berck, oder wohin er sonst Lust hätte, wenden könn- te. Dieses würde in den Augen der Welt der beste Beweiß seyn, daß ich in keiner Art der Verpflich- tung stehe.
Er
oder an einen andern Ort reiſen wollte, und alsdenn verlangte, daß er mich verlaſſen ſollte, ſo wuͤrde ich nichts befehlen koͤnnen, was entweder um der Rede der Leute willen, oder auch wegen meiner Furcht- ſamkeit noͤthig waͤre, das er nicht mit Freuden er- fuͤllen wollte. Weil er auch ſehe, daß ich mit Schreiben beſchaͤftiget waͤre, ſo wollte er gleich ſein Pferd ſatteln laſſen und ausreiten.
Haben ſie aber einige Bekantſchaft zu Wind- ſor? Wiſſen ſie einige bequeme Miethen?
Den nahe gelegenen Wald ausgenommen, in dem ich bisweilen gejaget habe, iſt Windſor die eintzige beruͤhmte und artige Stadt in England, davon ich bey nahe gar nichts weiß. Jch habe nicht einen eintzigen Bekannten daſelbſt.
Jch antwortete: ſein Vorſchlag wegen Wind- ſor gefiele mir ziemlich wohl: ich wollte dahin zie- hen, wann ich nur eine Wohnung fuͤr mich, und eine Stube oben im Hauſe fuͤr meine Hannichen bekommen koͤnnte. Denn er koͤnnte ſich leicht vor- ſtellen, daß ich mit wenigem haushalten muͤßte, und ich wuͤrde ſehr ungern Wohlthaten von andern an- nehmen. Je eher ich nach Windſor reiſen koͤnnte, deſto lieber ſollte es mir ſeyn; weil dadurch aller Vor- wand wegfiele, den er jetzt haͤtte, um mich zu ſeyn, und er ſich nach London, nach der Grafſchaft Berck, oder wohin er ſonſt Luſt haͤtte, wenden koͤnn- te. Dieſes wuͤrde in den Augen der Welt der beſte Beweiß ſeyn, daß ich in keiner Art der Verpflich- tung ſtehe.
Er
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><p><pbfacs="#f0228"n="214"/><milestonerendition="#hr"unit="section"/><lb/>
oder an einen andern Ort reiſen wollte, und alsdenn<lb/>
verlangte, daß er mich verlaſſen ſollte, ſo wuͤrde ich<lb/>
nichts befehlen koͤnnen, was entweder um der Rede<lb/>
der Leute willen, oder auch wegen meiner Furcht-<lb/>ſamkeit noͤthig waͤre, das er nicht mit Freuden er-<lb/>
fuͤllen wollte. Weil er auch ſehe, daß ich mit<lb/>
Schreiben beſchaͤftiget waͤre, ſo wollte er gleich ſein<lb/>
Pferd ſatteln laſſen und ausreiten.</p><lb/><p>Haben ſie aber einige Bekantſchaft zu <hirendition="#fr">Wind-<lb/>ſor?</hi> Wiſſen ſie einige bequeme Miethen?</p><lb/><p>Den nahe gelegenen Wald ausgenommen, in<lb/>
dem ich bisweilen gejaget habe, iſt <hirendition="#fr">Windſor</hi> die<lb/>
eintzige beruͤhmte und artige Stadt in England,<lb/>
davon ich bey nahe gar nichts weiß. Jch habe<lb/>
nicht einen eintzigen Bekannten daſelbſt.</p><lb/><p>Jch antwortete: ſein Vorſchlag wegen <hirendition="#fr">Wind-<lb/>ſor</hi> gefiele mir ziemlich wohl: ich wollte dahin zie-<lb/>
hen, wann ich nur eine Wohnung fuͤr mich, und<lb/>
eine Stube oben im Hauſe fuͤr meine <hirendition="#fr">Hannichen</hi><lb/>
bekommen koͤnnte. Denn er koͤnnte ſich leicht vor-<lb/>ſtellen, daß ich mit wenigem haushalten muͤßte, und<lb/>
ich wuͤrde ſehr ungern Wohlthaten von andern an-<lb/>
nehmen. Je eher ich nach <hirendition="#fr">Windſor</hi> reiſen koͤnnte,<lb/>
deſto lieber ſollte es mir ſeyn; weil dadurch aller Vor-<lb/>
wand wegfiele, den er jetzt haͤtte, um mich zu ſeyn,<lb/>
und er ſich nach <hirendition="#fr">London,</hi> nach der Grafſchaft<lb/><hirendition="#fr">Berck,</hi> oder wohin er ſonſt Luſt haͤtte, wenden koͤnn-<lb/>
te. Dieſes wuͤrde in den Augen der Welt der beſte<lb/>
Beweiß ſeyn, daß ich in keiner Art der Verpflich-<lb/>
tung ſtehe.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Er</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[214/0228]
oder an einen andern Ort reiſen wollte, und alsdenn
verlangte, daß er mich verlaſſen ſollte, ſo wuͤrde ich
nichts befehlen koͤnnen, was entweder um der Rede
der Leute willen, oder auch wegen meiner Furcht-
ſamkeit noͤthig waͤre, das er nicht mit Freuden er-
fuͤllen wollte. Weil er auch ſehe, daß ich mit
Schreiben beſchaͤftiget waͤre, ſo wollte er gleich ſein
Pferd ſatteln laſſen und ausreiten.
Haben ſie aber einige Bekantſchaft zu Wind-
ſor? Wiſſen ſie einige bequeme Miethen?
Den nahe gelegenen Wald ausgenommen, in
dem ich bisweilen gejaget habe, iſt Windſor die
eintzige beruͤhmte und artige Stadt in England,
davon ich bey nahe gar nichts weiß. Jch habe
nicht einen eintzigen Bekannten daſelbſt.
Jch antwortete: ſein Vorſchlag wegen Wind-
ſor gefiele mir ziemlich wohl: ich wollte dahin zie-
hen, wann ich nur eine Wohnung fuͤr mich, und
eine Stube oben im Hauſe fuͤr meine Hannichen
bekommen koͤnnte. Denn er koͤnnte ſich leicht vor-
ſtellen, daß ich mit wenigem haushalten muͤßte, und
ich wuͤrde ſehr ungern Wohlthaten von andern an-
nehmen. Je eher ich nach Windſor reiſen koͤnnte,
deſto lieber ſollte es mir ſeyn; weil dadurch aller Vor-
wand wegfiele, den er jetzt haͤtte, um mich zu ſeyn,
und er ſich nach London, nach der Grafſchaft
Berck, oder wohin er ſonſt Luſt haͤtte, wenden koͤnn-
te. Dieſes wuͤrde in den Augen der Welt der beſte
Beweiß ſeyn, daß ich in keiner Art der Verpflich-
tung ſtehe.
Er
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/228>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.