"Wenn auch das schlimmste erfolget, so will "ich dem Prediger so in das Gewissen reden, daß "er sich nicht unterstehen soll, die Trauung vor- "zunehmen: und Herr Solmes soll sich auch "nicht wagen eine gezwungene Hand anzunehmen, "die alle Kräfte anwendet, sich von ihm los zu "reissen. Sind alle andere Mittel vergebens an- "gewandt, und kann ich dadurch keinen Auffchub "erlangen: so kann ich vorgeben, daß ich Gewis- "sens-Zweiffel habe, und daß ich mein Ja-Wort "schon an einen andern gegeben habe. Denn "Sie können aus den Briefen, die Sie in Ver- "wahrung haben, sehen, daß ich Herrn Lovela- "cen die Hoffnung gegeben habe, daß ich keinen "andern heyrathen will, so lange er noch am Le- "ben und unverheyrathet ist, und mich nicht vor- "setzlich beleydiget. Jch suchte durch dieses Ver- "sprechen seine Rachgier in Schrancken zu halten, "welche durch die Aufführung meines Bruders "und meiner Onckels allzusehr gereitzet ward.
"Da ich meine Gewissens-Zweifel keinem an- "dern als dem redlichen D. Lewin entdecken will, so "ist es ohnmöglich, daß meine Mutter und ihre "Schwester unbewegt und unerbittlich bleiben sol- "len, wenn auch die übrigen steinern bleiben.
Nachdem ich dieses alles meinem Gemüth, auf einen Blick vorgestellet hatte, so freuete ich mich über den gefaßten Entschluß, nicht mit Herrn Lovelacen wegzugehen.
Jch
„Wenn auch das ſchlimmſte erfolget, ſo will „ich dem Prediger ſo in das Gewiſſen reden, daß „er ſich nicht unterſtehen ſoll, die Trauung vor- „zunehmen: und Herr Solmes ſoll ſich auch „nicht wagen eine gezwungene Hand anzunehmen, „die alle Kraͤfte anwendet, ſich von ihm los zu „reiſſen. Sind alle andere Mittel vergebens an- „gewandt, und kann ich dadurch keinen Auffchub „erlangen: ſo kann ich vorgeben, daß ich Gewiſ- „ſens-Zweiffel habe, und daß ich mein Ja-Wort „ſchon an einen andern gegeben habe. Denn „Sie koͤnnen aus den Briefen, die Sie in Ver- „wahrung haben, ſehen, daß ich Herrn Lovela- „cen die Hoffnung gegeben habe, daß ich keinen „andern heyrathen will, ſo lange er noch am Le- „ben und unverheyrathet iſt, und mich nicht vor- „ſetzlich beleydiget. Jch ſuchte durch dieſes Ver- „ſprechen ſeine Rachgier in Schrancken zu halten, „welche durch die Auffuͤhrung meines Bruders „und meiner Onckels allzuſehr gereitzet ward.
„Da ich meine Gewiſſens-Zweifel keinem an- „dern als dem redlichen D. Lewin entdecken will, ſo „iſt es ohnmoͤglich, daß meine Mutter und ihre „Schweſter unbewegt und unerbittlich bleiben ſol- „len, wenn auch die uͤbrigen ſteinern bleiben.
Nachdem ich dieſes alles meinem Gemuͤth, auf einen Blick vorgeſtellet hatte, ſo freuete ich mich uͤber den gefaßten Entſchluß, nicht mit Herrn Lovelacen wegzugehen.
Jch
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„Wenn auch das ſchlimmſte erfolget, ſo will
„ich dem Prediger ſo in das Gewiſſen reden, daß
„er ſich nicht unterſtehen ſoll, die Trauung vor-
„zunehmen: und Herr Solmes ſoll ſich auch
„nicht wagen eine gezwungene Hand anzunehmen,
„die alle Kraͤfte anwendet, ſich von ihm los zu
„reiſſen. Sind alle andere Mittel vergebens an-
„gewandt, und kann ich dadurch keinen Auffchub
„erlangen: ſo kann ich vorgeben, daß ich Gewiſ-
„ſens-Zweiffel habe, und daß ich mein Ja-Wort
„ſchon an einen andern gegeben habe. Denn
„Sie koͤnnen aus den Briefen, die Sie in Ver-
„wahrung haben, ſehen, daß ich Herrn Lovela-
„cen die Hoffnung gegeben habe, daß ich keinen
„andern heyrathen will, ſo lange er noch am Le-
„ben und unverheyrathet iſt, und mich nicht vor-
„ſetzlich beleydiget. Jch ſuchte durch dieſes Ver-
„ſprechen ſeine Rachgier in Schrancken zu halten,
„welche durch die Auffuͤhrung meines Bruders
„und meiner Onckels allzuſehr gereitzet ward.
„Da ich meine Gewiſſens-Zweifel keinem an-
„dern als dem redlichen D. Lewin entdecken will, ſo
„iſt es ohnmoͤglich, daß meine Mutter und ihre
„Schweſter unbewegt und unerbittlich bleiben ſol-
„len, wenn auch die uͤbrigen ſteinern bleiben.
Nachdem ich dieſes alles meinem Gemuͤth, auf
einen Blick vorgeſtellet hatte, ſo freuete ich mich
uͤber den gefaßten Entſchluß, nicht mit Herrn
Lovelacen wegzugehen.
Jch
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 4. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/18>, abgerufen am 24.11.2024.
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