Unvergleichliches Kind, dachte ich, ist es so bald dahin gekommen? (Allein, Belford, daß kein Frauenzimmer von meinem Stoltz über diesen Sieg Nachricht bekommt!) Bin ich schon Herr über Clarissa Harlowe, und über ihr Schicksaal? Bin ich schon der bekehrte Mann, den du ver- langetest, ehe du mir noch die geringste Erlaubniß gabest zu hoffen? Jst es so richtig, was du ge- standen hast, daß du, je länger du mich ken- nest, desto weniger Ursache findest mit mir zu frieden zu seyn? Kann Lust und Verstellung auch in einer solchen himmlischen Brust Platz finden? Du verweisest und verbannest mich von dir, du dringest recht ernstlich auf meine Entfernung, um mich desto näher mit dir zu verbinden, und um mir die Wohlthat recht groß und dein Ja desto ange- nehmer zu machen? Es ist gut! Deine List berech- tiget mich, auch List zu gebrauchen, und reitzet mich, meinen schelmischen Kopf an dir zu ver- suchen.
Allein wisse, allerliebstes Mädchen, wenn dei- ne Wünsche erfüllet werden sollen, so mußt du mir erst Rechenschaft geben, warum du so ungern mit mir davon gegangen bist, da doch deine Flucht schlechterdings nothwendig war, fals du dich nicht woltest mit dem elendesten Kerl zusammen schmie- den lassen: mit einem Kerl, vor dem du einen Abscheu haben mußtest, wenn du nicht eben so ungerecht gegen dich selbst seyn wolltest, als du ge- gen mich gewesen bist.
Jch
Unvergleichliches Kind, dachte ich, iſt es ſo bald dahin gekommen? (Allein, Belford, daß kein Frauenzimmer von meinem Stoltz uͤber dieſen Sieg Nachricht bekommt!) Bin ich ſchon Herr uͤber Clariſſa Harlowe, und uͤber ihr Schickſaal? Bin ich ſchon der bekehrte Mann, den du ver- langeteſt, ehe du mir noch die geringſte Erlaubniß gabeſt zu hoffen? Jſt es ſo richtig, was du ge- ſtanden haſt, daß du, je laͤnger du mich ken- neſt, deſto weniger Urſache findeſt mit mir zu frieden zu ſeyn? Kann Luſt und Verſtellung auch in einer ſolchen himmliſchen Bruſt Platz finden? Du verweiſeſt und verbanneſt mich von dir, du dringeſt recht ernſtlich auf meine Entfernung, um mich deſto naͤher mit dir zu verbinden, und um mir die Wohlthat recht groß und dein Ja deſto ange- nehmer zu machen? Es iſt gut! Deine Liſt berech- tiget mich, auch Liſt zu gebrauchen, und reitzet mich, meinen ſchelmiſchen Kopf an dir zu ver- ſuchen.
Allein wiſſe, allerliebſtes Maͤdchen, wenn dei- ne Wuͤnſche erfuͤllet werden ſollen, ſo mußt du mir erſt Rechenſchaft geben, warum du ſo ungern mit mir davon gegangen biſt, da doch deine Flucht ſchlechterdings nothwendig war, fals du dich nicht wolteſt mit dem elendeſten Kerl zuſammen ſchmie- den laſſen: mit einem Kerl, vor dem du einen Abſcheu haben mußteſt, wenn du nicht eben ſo ungerecht gegen dich ſelbſt ſeyn wollteſt, als du ge- gen mich geweſen biſt.
Jch
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Unvergleichliches Kind, dachte ich, iſt es ſo
bald dahin gekommen? (Allein, Belford, daß
kein Frauenzimmer von meinem Stoltz uͤber dieſen
Sieg Nachricht bekommt!) Bin ich ſchon Herr
uͤber Clariſſa Harlowe, und uͤber ihr Schickſaal?
Bin ich ſchon der bekehrte Mann, den du ver-
langeteſt, ehe du mir noch die geringſte Erlaubniß
gabeſt zu hoffen? Jſt es ſo richtig, was du ge-
ſtanden haſt, daß du, je laͤnger du mich ken-
neſt, deſto weniger Urſache findeſt mit mir zu
frieden zu ſeyn? Kann Luſt und Verſtellung auch
in einer ſolchen himmliſchen Bruſt Platz finden?
Du verweiſeſt und verbanneſt mich von dir, du
dringeſt recht ernſtlich auf meine Entfernung, um
mich deſto naͤher mit dir zu verbinden, und um mir
die Wohlthat recht groß und dein Ja deſto ange-
nehmer zu machen? Es iſt gut! Deine Liſt berech-
tiget mich, auch Liſt zu gebrauchen, und reitzet
mich, meinen ſchelmiſchen Kopf an dir zu ver-
ſuchen.
Allein wiſſe, allerliebſtes Maͤdchen, wenn dei-
ne Wuͤnſche erfuͤllet werden ſollen, ſo mußt du
mir erſt Rechenſchaft geben, warum du ſo ungern
mit mir davon gegangen biſt, da doch deine Flucht
ſchlechterdings nothwendig war, fals du dich nicht
wolteſt mit dem elendeſten Kerl zuſammen ſchmie-
den laſſen: mit einem Kerl, vor dem du einen
Abſcheu haben mußteſt, wenn du nicht eben ſo
ungerecht gegen dich ſelbſt ſeyn wollteſt, als du ge-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 162. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/176>, abgerufen am 24.11.2024.
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