[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.zu schätzen wissen, und sich blos aus gewissen Ab- sichten in den Schrancken der Gesetze halten, mit einer giftigen Spinne verglichen werden können. Diese kriechet so gleich bey, wenn der äußerste Fa- den ihres Gewebes von einem Finger berühret wird der sie zerdrücken könnte, und überläßt ihr gantzes Gewebe dem Feinde. So bald aber eine unver- ständige Fliege, die weder Muth noch Vermögen hat ihr zu widerstehen, durch ihr Zerren dem Räu- ber seinen gefangenen Raub zu erkennen giebt, so geht der Tyrann aus seiner Burg heraus, und be- stricket das arme Thier mit seinem Gewebe. Wenn es weder Fuß noch Flügel rühren kann, so hänget er es im Triumph auf; und schreitet nach seiner Behausung zurücke. Aus dieser betrachtet er sei- nen Sieg, und verläßt sie bisweilen um seinen Raub ruhig zu verzehren. Eben fällt es mir ein! Kann nicht das Gleich- Was in unserm Hertzen ist, das wird unser Allein wieder auf das vorige zu kommen. Jch men,
zu ſchaͤtzen wiſſen, und ſich blos aus gewiſſen Ab- ſichten in den Schrancken der Geſetze halten, mit einer giftigen Spinne verglichen werden koͤnnen. Dieſe kriechet ſo gleich bey, wenn der aͤußerſte Fa- den ihres Gewebes von einem Finger beruͤhret wird der ſie zerdruͤcken koͤnnte, und uͤberlaͤßt ihr gantzes Gewebe dem Feinde. So bald aber eine unver- ſtaͤndige Fliege, die weder Muth noch Vermoͤgen hat ihr zu widerſtehen, durch ihr Zerren dem Raͤu- ber ſeinen gefangenen Raub zu erkennen giebt, ſo geht der Tyrann aus ſeiner Burg heraus, und be- ſtricket das arme Thier mit ſeinem Gewebe. Wenn es weder Fuß noch Fluͤgel ruͤhren kann, ſo haͤnget er es im Triumph auf; und ſchreitet nach ſeiner Behauſung zuruͤcke. Aus dieſer betrachtet er ſei- nen Sieg, und verlaͤßt ſie bisweilen um ſeinen Raub ruhig zu verzehren. Eben faͤllt es mir ein! Kann nicht das Gleich- Was in unſerm Hertzen iſt, das wird unſer Allein wieder auf das vorige zu kommen. Jch men,
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zu ſchaͤtzen wiſſen, und ſich blos aus gewiſſen Ab-
ſichten in den Schrancken der Geſetze halten, mit
einer giftigen Spinne verglichen werden koͤnnen.
Dieſe kriechet ſo gleich bey, wenn der aͤußerſte Fa-
den ihres Gewebes von einem Finger beruͤhret wird
der ſie zerdruͤcken koͤnnte, und uͤberlaͤßt ihr gantzes
Gewebe dem Feinde. So bald aber eine unver-
ſtaͤndige Fliege, die weder Muth noch Vermoͤgen
hat ihr zu widerſtehen, durch ihr Zerren dem Raͤu-
ber ſeinen gefangenen Raub zu erkennen giebt, ſo
geht der Tyrann aus ſeiner Burg heraus, und be-
ſtricket das arme Thier mit ſeinem Gewebe. Wenn
es weder Fuß noch Fluͤgel ruͤhren kann, ſo haͤnget
er es im Triumph auf; und ſchreitet nach ſeiner
Behauſung zuruͤcke. Aus dieſer betrachtet er ſei-
nen Sieg, und verlaͤßt ſie bisweilen um ſeinen
Raub ruhig zu verzehren.
Eben faͤllt es mir ein! Kann nicht das Gleich-
niß eben ſo wohl von gefangenen Maͤdchen als von
furchtſamen Leuten ausgelegt werden? Schweig
Gewißen! Uns brave Kerls muß man nur denn
mit der Spinne vergleichen, ſo wird das Gleich-
niß richtig ſeyn.
Was in unſerm Hertzen iſt, das wird unſer
Kopf uͤberall finden. Man dencke an Spinnen,
an Fliegen, an was man will. Zuletzt wird doch
ein Maͤdchen daraus. Das Maͤdchen iſt der
Mittel-Punct, nachdem wir alle eine Richtung
haben.
Allein wieder auf das vorige zu kommen. Jch
finde, daß dieſe ſtillen Gemuͤther ſchlecht ankom-
men,
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