und Wahrscheinlichkeit ungläubig seyn, wenn sie nicht an meine Ehrlichkeit glauben will.
Hier im Hause sind ein paar artige Töchter von der Wittwe Sorlings, unserer Haus-Wirthin.
Bisher habe ich nur ihre Arbeit bewundert. Wie begierig ist doch dieses gantze Geschlecht auf Ruhm. So vergnügt war ich über die Arbeit der jüngsten, daß ich sie dafür küssete: sie machte mir einen tiefen Knicks für meine Herablassung zu ihr, ward dabey gantz roth, und schien den Kuß zu fühlen. Voller Unschuld gab sie mir noch mehr Gelegen- heit: sie machte ihr Halstuch zurechte, und sahe abwerts nach der Thür zu, als wollte sie es nicht sehen, wenn ich sie noch einmahl küssen wollte.
Die ältere Schwester kam dazu; und das arme Mädchen ward abermahls gantz roth, und sahe so verwirret aus, daß ich ein Wort zur Entschuldi- gung und zu beyder Vergnügen sagen mußte. Jch sagte: Jungfer Elisabeth, ihrer Schwester Arbeit gefällt mir so wohl, daß ich ihr einen Kuß geben mußte. Jch glaube, sie haben viel dazu beyge- tragen, daß sie so wohl unterwiesen ist. Erlauben sie mir auch - - -
Die guten Kinder! Jch mag sie beyde gern leyden. Sie machte mir auch einen Knicks. O! wie gefällt mir ein danckbares Gemüth! Wenn doch meine Fräulein Harlowe nur halb so danckbar wäre!
Jch muß eins von diesen beyden Mädchens zur Aufwartung für meine Geliebte mitnehmen, wenn ich wegziehe. Die Mutter scheint all zu wachsam
zu
und Wahrſcheinlichkeit unglaͤubig ſeyn, wenn ſie nicht an meine Ehrlichkeit glauben will.
Hier im Hauſe ſind ein paar artige Toͤchter von der Wittwe Sorlings, unſerer Haus-Wirthin.
Bisher habe ich nur ihre Arbeit bewundert. Wie begierig iſt doch dieſes gantze Geſchlecht auf Ruhm. So vergnuͤgt war ich uͤber die Arbeit der juͤngſten, daß ich ſie dafuͤr kuͤſſete: ſie machte mir einen tiefen Knicks fuͤr meine Herablaſſung zu ihr, ward dabey gantz roth, und ſchien den Kuß zu fuͤhlen. Voller Unſchuld gab ſie mir noch mehr Gelegen- heit: ſie machte ihr Halstuch zurechte, und ſahe abwerts nach der Thuͤr zu, als wollte ſie es nicht ſehen, wenn ich ſie noch einmahl kuͤſſen wollte.
Die aͤltere Schweſter kam dazu; und das arme Maͤdchen ward abermahls gantz roth, und ſahe ſo verwirret aus, daß ich ein Wort zur Entſchuldi- gung und zu beyder Vergnuͤgen ſagen mußte. Jch ſagte: Jungfer Eliſabeth, ihrer Schweſter Arbeit gefaͤllt mir ſo wohl, daß ich ihr einen Kuß geben mußte. Jch glaube, ſie haben viel dazu beyge- tragen, daß ſie ſo wohl unterwieſen iſt. Erlauben ſie mir auch ‒ ‒ ‒
Die guten Kinder! Jch mag ſie beyde gern leyden. Sie machte mir auch einen Knicks. O! wie gefaͤllt mir ein danckbares Gemuͤth! Wenn doch meine Fraͤulein Harlowe nur halb ſo danckbar waͤre!
Jch muß eins von dieſen beyden Maͤdchens zur Aufwartung fuͤr meine Geliebte mitnehmen, wenn ich wegziehe. Die Mutter ſcheint all zu wachſam
zu
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und Wahrſcheinlichkeit unglaͤubig ſeyn, wenn ſie
nicht an meine Ehrlichkeit glauben will.
Hier im Hauſe ſind ein paar artige Toͤchter von
der Wittwe Sorlings, unſerer Haus-Wirthin.
Bisher habe ich nur ihre Arbeit bewundert. Wie
begierig iſt doch dieſes gantze Geſchlecht auf Ruhm.
So vergnuͤgt war ich uͤber die Arbeit der juͤngſten,
daß ich ſie dafuͤr kuͤſſete: ſie machte mir einen
tiefen Knicks fuͤr meine Herablaſſung zu ihr, ward
dabey gantz roth, und ſchien den Kuß zu fuͤhlen.
Voller Unſchuld gab ſie mir noch mehr Gelegen-
heit: ſie machte ihr Halstuch zurechte, und ſahe
abwerts nach der Thuͤr zu, als wollte ſie es nicht
ſehen, wenn ich ſie noch einmahl kuͤſſen wollte.
Die aͤltere Schweſter kam dazu; und das arme
Maͤdchen ward abermahls gantz roth, und ſahe ſo
verwirret aus, daß ich ein Wort zur Entſchuldi-
gung und zu beyder Vergnuͤgen ſagen mußte. Jch
ſagte: Jungfer Eliſabeth, ihrer Schweſter Arbeit
gefaͤllt mir ſo wohl, daß ich ihr einen Kuß geben
mußte. Jch glaube, ſie haben viel dazu beyge-
tragen, daß ſie ſo wohl unterwieſen iſt. Erlauben
ſie mir auch ‒ ‒ ‒
Die guten Kinder! Jch mag ſie beyde gern
leyden. Sie machte mir auch einen Knicks. O!
wie gefaͤllt mir ein danckbares Gemuͤth! Wenn
doch meine Fraͤulein Harlowe nur halb ſo danckbar
waͤre!
Jch muß eins von dieſen beyden Maͤdchens zur
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 140. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/154>, abgerufen am 21.11.2024.
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