dem Schreiben finde. Jch meinte über dieses lo- benswürdige Absichten zu haben; und es war eine Zeit, da alle meine Verwanten meinen Briefwech- sel billigten.
Jedoch, so bereit ich bisweilen bin, meinen an- genehmsten Briefwechsel zur Beruhigung Jhrer Frau Mutter zu verleugnen; so sehe ich doch nicht, was es schaden kann, wenn wir bisweilen an ein- ander schreiben; sonderlich da meine Briefe voll Reue und Anklage meiner selbst sind. Sie haben so viel Klugheit und Behutsamkeit, und dabey nicht die geringste Versuchung, meinem Beyspiel nach- zufolgen.
Jch dancke Jhnen von Hertzen für Jhr gütiges Anerbieten. Seyn Sie versichert, daß ich durch eine solche Wohlthat lieber Jhnen, als irgend einem Menschen unter der Sonnen, verpflichtet seyn woll- te: insonderheit lieber als dem Herrn Lovelace. Wenn ich Jhre Gütigkeit verbitte, so meinen Sie nicht, daß ich mich in die Umstände setzen will, in denen ich sie von ihm annehmen müßte.
Ohngeachtet dessen was Sie schreiben, will ich die Hoffnung noch nicht fahren lassen, mein weniges Geld und Kleidung von Hause zu bekommen. Die Meinigen, oder zum wenigsten einige unter Jhnen, sind zu verständig, als daß sie mich in so armsee- lige Umstände stürtzen werden. Vielleicht werden sie sich nicht übereilen, mir diese Gefälligkeit zu erzeigen: allein ich werde auch den Mangel nicht so gleich empfinden. Jch glaube, Sie selbst wer- den nicht der Meinung seyn, daß ich wider seinen
Wil-
Dritter Theil. H
dem Schreiben finde. Jch meinte uͤber dieſes lo- benswuͤrdige Abſichten zu haben; und es war eine Zeit, da alle meine Verwanten meinen Briefwech- ſel billigten.
Jedoch, ſo bereit ich bisweilen bin, meinen an- genehmſten Briefwechſel zur Beruhigung Jhrer Frau Mutter zu verleugnen; ſo ſehe ich doch nicht, was es ſchaden kann, wenn wir bisweilen an ein- ander ſchreiben; ſonderlich da meine Briefe voll Reue und Anklage meiner ſelbſt ſind. Sie haben ſo viel Klugheit und Behutſamkeit, und dabey nicht die geringſte Verſuchung, meinem Beyſpiel nach- zufolgen.
Jch dancke Jhnen von Hertzen fuͤr Jhr guͤtiges Anerbieten. Seyn Sie verſichert, daß ich durch eine ſolche Wohlthat lieber Jhnen, als irgend einem Menſchen unter der Sonnen, verpflichtet ſeyn woll- te: inſonderheit lieber als dem Herrn Lovelace. Wenn ich Jhre Guͤtigkeit verbitte, ſo meinen Sie nicht, daß ich mich in die Umſtaͤnde ſetzen will, in denen ich ſie von ihm annehmen muͤßte.
Ohngeachtet deſſen was Sie ſchreiben, will ich die Hoffnung noch nicht fahren laſſen, mein weniges Geld und Kleidung von Hauſe zu bekommen. Die Meinigen, oder zum wenigſten einige unter Jhnen, ſind zu verſtaͤndig, als daß ſie mich in ſo armſee- lige Umſtaͤnde ſtuͤrtzen werden. Vielleicht werden ſie ſich nicht uͤbereilen, mir dieſe Gefaͤlligkeit zu erzeigen: allein ich werde auch den Mangel nicht ſo gleich empfinden. Jch glaube, Sie ſelbſt wer- den nicht der Meinung ſeyn, daß ich wider ſeinen
Wil-
Dritter Theil. H
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dem Schreiben finde. Jch meinte uͤber dieſes lo-
benswuͤrdige Abſichten zu haben; und es war eine
Zeit, da alle meine Verwanten meinen Briefwech-
ſel billigten.
Jedoch, ſo bereit ich bisweilen bin, meinen an-
genehmſten Briefwechſel zur Beruhigung Jhrer
Frau Mutter zu verleugnen; ſo ſehe ich doch nicht,
was es ſchaden kann, wenn wir bisweilen an ein-
ander ſchreiben; ſonderlich da meine Briefe voll
Reue und Anklage meiner ſelbſt ſind. Sie haben
ſo viel Klugheit und Behutſamkeit, und dabey nicht
die geringſte Verſuchung, meinem Beyſpiel nach-
zufolgen.
Jch dancke Jhnen von Hertzen fuͤr Jhr guͤtiges
Anerbieten. Seyn Sie verſichert, daß ich durch eine
ſolche Wohlthat lieber Jhnen, als irgend einem
Menſchen unter der Sonnen, verpflichtet ſeyn woll-
te: inſonderheit lieber als dem Herrn Lovelace.
Wenn ich Jhre Guͤtigkeit verbitte, ſo meinen Sie
nicht, daß ich mich in die Umſtaͤnde ſetzen will, in
denen ich ſie von ihm annehmen muͤßte.
Ohngeachtet deſſen was Sie ſchreiben, will ich die
Hoffnung noch nicht fahren laſſen, mein weniges
Geld und Kleidung von Hauſe zu bekommen. Die
Meinigen, oder zum wenigſten einige unter Jhnen,
ſind zu verſtaͤndig, als daß ſie mich in ſo armſee-
lige Umſtaͤnde ſtuͤrtzen werden. Vielleicht werden
ſie ſich nicht uͤbereilen, mir dieſe Gefaͤlligkeit zu
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749, S. 113. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa03_1749/127>, abgerufen am 23.11.2024.
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