[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 3. Göttingen, 1749.Vorrede. Liebe zu unerwarteten Geschichten ihn vondem abgebracht hatte, was er suchte, nehm- lich von dem Menschen und von den Zufällen des menschlichen Lebens, und daß er sich in den bezauberten Gängen der Ungeheuer verirret hatte. Diejenigen suchten den rechten Weg am ersten wider, die sich am weitesten verirret hatten. Die nächste Art der Erdichtungen, die den Nahmen der neuen Romainen trugen, war von den Spaniern erfunden. Hier fand man etwas menschliches, allein in einer allzu steifen und mürrischen Gestalt. Vorhin ging alles durch Zauberey zu, und nunmehr alles durch die so genannte Intrigue. Ein Leben war da, aber doch nichts lebhaftes, und den Sitten gemässes: Diese Erdichtun- gen waren noch in ihrer Kindheit. Manche, die nicht sahen, wo der Fehler eigentlich steckte, wurden dennoch misvergnügt, daß alles so trocken aussahe, und die Entwicke- lung so schwer und unangenehm war. Die Frantzosen suchten diesen Fehler zu lügen )( 3
Vorrede. Liebe zu unerwarteten Geſchichten ihn vondem abgebracht hatte, was er ſuchte, nehm- lich von dem Menſchen und von den Zufaͤllen des menſchlichen Lebens, und daß er ſich in den bezauberten Gaͤngen der Ungeheuer verirret hatte. Diejenigen ſuchten den rechten Weg am erſten wider, die ſich am weiteſten verirret hatten. Die naͤchſte Art der Erdichtungen, die den Nahmen der neuen Romainen trugen, war von den Spaniern erfunden. Hier fand man etwas menſchliches, allein in einer allzu ſteifen und muͤrriſchen Geſtalt. Vorhin ging alles durch Zauberey zu, und nunmehr alles durch die ſo genannte Intrigue. Ein Leben war da, aber doch nichts lebhaftes, und den Sitten gemaͤſſes: Dieſe Erdichtun- gen waren noch in ihrer Kindheit. Manche, die nicht ſahen, wo der Fehler eigentlich ſteckte, wurden dennoch misvergnuͤgt, daß alles ſo trocken ausſahe, und die Entwicke- lung ſo ſchwer und unangenehm war. Die Frantzoſen ſuchten dieſen Fehler zu luͤgen )( 3
<TEI> <text> <front> <div n="1"> <p><pb facs="#f0011"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Vorrede</hi>.</hi></fw><lb/> Liebe zu unerwarteten Geſchichten ihn von<lb/> dem abgebracht hatte, was er ſuchte, nehm-<lb/> lich von dem Menſchen und von den Zufaͤllen<lb/> des menſchlichen Lebens, und daß er ſich in den<lb/> bezauberten Gaͤngen der Ungeheuer verirret<lb/> hatte. Diejenigen ſuchten den rechten Weg<lb/> am erſten wider, die ſich am weiteſten verirret<lb/> hatten. Die naͤchſte Art der Erdichtungen,<lb/> die den Nahmen <hi rendition="#b">der neuen Romainen</hi><lb/> trugen, war von den Spaniern erfunden. Hier<lb/> fand man etwas menſchliches, allein in einer<lb/> allzu ſteifen und muͤrriſchen Geſtalt. Vorhin<lb/> ging alles durch Zauberey zu, und nunmehr<lb/> alles durch die ſo genannte <hi rendition="#aq">Intrigue.</hi> Ein<lb/> Leben war da, aber doch nichts lebhaftes,<lb/> und den Sitten gemaͤſſes: Dieſe Erdichtun-<lb/> gen waren noch in ihrer Kindheit. Manche,<lb/> die nicht ſahen, wo der Fehler eigentlich<lb/> ſteckte, wurden dennoch misvergnuͤgt, daß<lb/> alles ſo trocken ausſahe, und die Entwicke-<lb/> lung ſo ſchwer und unangenehm war.</p><lb/> <p>Die Frantzoſen ſuchten dieſen Fehler zu<lb/> verbeſſern, und erſannen ihre <hi rendition="#b">Helden Ge-<lb/> ſchichte:</hi> darin ſie einige alte und wahre<lb/> Geſchichte mit Erdichtungen, die ſich blos<lb/> fuͤr unſere Zeit ſchicken, ſo verſtelleten, daß<lb/> man wohl ſahe, ſie verſtuͤnden nicht recht zu<lb/> <fw place="bottom" type="sig">)( 3</fw><fw place="bottom" type="catch">luͤgen</fw><lb/></p> </div> </front> </text> </TEI> [0011]
Vorrede.
Liebe zu unerwarteten Geſchichten ihn von
dem abgebracht hatte, was er ſuchte, nehm-
lich von dem Menſchen und von den Zufaͤllen
des menſchlichen Lebens, und daß er ſich in den
bezauberten Gaͤngen der Ungeheuer verirret
hatte. Diejenigen ſuchten den rechten Weg
am erſten wider, die ſich am weiteſten verirret
hatten. Die naͤchſte Art der Erdichtungen,
die den Nahmen der neuen Romainen
trugen, war von den Spaniern erfunden. Hier
fand man etwas menſchliches, allein in einer
allzu ſteifen und muͤrriſchen Geſtalt. Vorhin
ging alles durch Zauberey zu, und nunmehr
alles durch die ſo genannte Intrigue. Ein
Leben war da, aber doch nichts lebhaftes,
und den Sitten gemaͤſſes: Dieſe Erdichtun-
gen waren noch in ihrer Kindheit. Manche,
die nicht ſahen, wo der Fehler eigentlich
ſteckte, wurden dennoch misvergnuͤgt, daß
alles ſo trocken ausſahe, und die Entwicke-
lung ſo ſchwer und unangenehm war.
Die Frantzoſen ſuchten dieſen Fehler zu
verbeſſern, und erſannen ihre Helden Ge-
ſchichte: darin ſie einige alte und wahre
Geſchichte mit Erdichtungen, die ſich blos
fuͤr unſere Zeit ſchicken, ſo verſtelleten, daß
man wohl ſahe, ſie verſtuͤnden nicht recht zu
luͤgen
)( 3
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |