Was sagt ihr? Auch denn nicht/ wenn es eur Vater und Mutter befehlen? - - - Mädchen! Dis Wort kam langsam heraus: sie hatte ein schlimmes auf der Zunge.
Wenn es so weit kommt, antwortete ich, so will ich schon wissen, was ich sagen muß. Al- lein ich muß den Befehl aus ihrem eigenen Munde hören, wenn ich folgen soll, und nicht von euch oder von eurer Elisabeth. Sagt mir noch ein so ungeschliffenes Wort, so werdet ihr mich auf dem Sinne finden, daß ich mich mit Gewalt zu meinen Eltern dränge, und sie selbst frage, wodurch ich verdient habe, daß man mir so begegnet? es mag nun daraus kommen was will.
Kommt mit mir/ Kind! kommt mit/ sanftmüthige Seele. Sie fassete mich bey der Hand, und wollte mich nach der Thür zufüh- ren. Fragt eure Eltern jetzt darum: ihr werdet sie eben beysammen finden. War- um habt ihr kein Hertz? denn ich blieb ste- hen, als sie mich so höhnisch führen wollte, und machte meine Hand los.
Jch sagte: ich brauchte mich nicht führen zu lassen. Weil ich mich aber auf euch beruffen kan, so will eur Wort erfüllen, und mitkom- men. Der Unmuth übernahm mich so weit, daß ich nach der Treppe zugehen wollte. Allein sie stellete sich zwischen mich und die Thür, und schlug die Thür zu. Verwegene - - rief sie mir zu, ich will nur erst Nachricht geben/
daß
Die Geſchichte
Was ſagt ihr? Auch denn nicht/ wenn es eur Vater und Mutter befehlen? ‒ ‒ ‒ Maͤdchen! Dis Wort kam langſam heraus: ſie hatte ein ſchlimmes auf der Zunge.
Wenn es ſo weit kommt, antwortete ich, ſo will ich ſchon wiſſen, was ich ſagen muß. Al- lein ich muß den Befehl aus ihrem eigenen Munde hoͤren, wenn ich folgen ſoll, und nicht von euch oder von eurer Eliſabeth. Sagt mir noch ein ſo ungeſchliffenes Wort, ſo werdet ihr mich auf dem Sinne finden, daß ich mich mit Gewalt zu meinen Eltern draͤnge, und ſie ſelbſt frage, wodurch ich verdient habe, daß man mir ſo begegnet? es mag nun daraus kommen was will.
Kommt mit mir/ Kind! kommt mit/ ſanftmuͤthige Seele. Sie faſſete mich bey der Hand, und wollte mich nach der Thuͤr zufuͤh- ren. Fragt eure Eltern jetzt darum: ihr werdet ſie eben beyſammen finden. War- um habt ihr kein Hertz? denn ich blieb ſte- hen, als ſie mich ſo hoͤhniſch fuͤhren wollte, und machte meine Hand los.
Jch ſagte: ich brauchte mich nicht fuͤhren zu laſſen. Weil ich mich aber auf euch beruffen kan, ſo will eur Wort erfuͤllen, und mitkom- men. Der Unmuth uͤbernahm mich ſo weit, daß ich nach der Treppe zugehen wollte. Allein ſie ſtellete ſich zwiſchen mich und die Thuͤr, und ſchlug die Thuͤr zu. Verwegene ‒ ‒ rief ſie mir zu, ich will nur erſt Nachricht geben/
daß
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Die Geſchichte
Was ſagt ihr? Auch denn nicht/ wenn
es eur Vater und Mutter befehlen? ‒ ‒ ‒
Maͤdchen! Dis Wort kam langſam heraus:
ſie hatte ein ſchlimmes auf der Zunge.
Wenn es ſo weit kommt, antwortete ich, ſo
will ich ſchon wiſſen, was ich ſagen muß. Al-
lein ich muß den Befehl aus ihrem eigenen
Munde hoͤren, wenn ich folgen ſoll, und nicht
von euch oder von eurer Eliſabeth. Sagt mir
noch ein ſo ungeſchliffenes Wort, ſo werdet ihr
mich auf dem Sinne finden, daß ich mich mit
Gewalt zu meinen Eltern draͤnge, und ſie ſelbſt
frage, wodurch ich verdient habe, daß man mir
ſo begegnet? es mag nun daraus kommen was
will.
Kommt mit mir/ Kind! kommt mit/
ſanftmuͤthige Seele. Sie faſſete mich bey
der Hand, und wollte mich nach der Thuͤr zufuͤh-
ren. Fragt eure Eltern jetzt darum: ihr
werdet ſie eben beyſammen finden. War-
um habt ihr kein Hertz? denn ich blieb ſte-
hen, als ſie mich ſo hoͤhniſch fuͤhren wollte, und
machte meine Hand los.
Jch ſagte: ich brauchte mich nicht fuͤhren zu
laſſen. Weil ich mich aber auf euch beruffen
kan, ſo will eur Wort erfuͤllen, und mitkom-
men. Der Unmuth uͤbernahm mich ſo weit,
daß ich nach der Treppe zugehen wollte. Allein
ſie ſtellete ſich zwiſchen mich und die Thuͤr, und
ſchlug die Thuͤr zu. Verwegene ‒ ‒ rief ſie
mir zu, ich will nur erſt Nachricht geben/
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 72. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/78>, abgerufen am 25.11.2024.
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