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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

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der Clarissa.
gegen mich bey dieser Gelegenheit zu Schan-
den machen könnte. Jch hoffe wenigstens,
(setzte sie hinzu) daß die Durchsuchung so ablauf-
fen wird.

Sie gab mir darauf zu verstehen, daß man
Mittel hätte, hinter alle Geheimnisse des Lo-
velaces/
ja sogar durch ihn hinter einige meiner
Geheimnisse zu kommen, weil er so schwatzhaft
wäre, und sogar seine Anschläge gegen seine Be-
dienten ausplauderte. So unergründlich man
ihn auch hielte, so sey doch mein Bruder viel un-
ergründlicher, und würde ihm mit seinen eigenen
Waffen zu schwer fallen. Das würde die Zeit
lehren.

Jch sagte: ich könnte das nicht verstehen,
was sie mir auf eine so dunckele Weise zu ver-
stehen gäbe. Die Unergründlichkeit, die sie an
beyden rühmete, schiene mir der Verachtung und
nicht des Ruhms werth zu seyn. Wenn ich
der Rachgier in meinem Hertzen hätte wollen
Platz lassen, so hätte ich auch leicht darauf kom-
men können, allerhand List und Kunstgriffe zu
gebrauchen. Jch unterstünde mich zu sagen, daß
dieses an mir viel eher zu entschuldigen gewesen
seyn würde, als die Veranlassung, die mir ande-
re dazu gegeben hätten. Aus ihren Reden
merckte ich, daß aller Verdacht gegen mich zwey
Quellen hätte: die eine, daß man glaubte, mein
Bruder sey Herrn Lovelace an Arglistigkeit
sehr überlegen: die andere, daß man sich einer

sol-

der Clariſſa.
gegen mich bey dieſer Gelegenheit zu Schan-
den machen koͤnnte. Jch hoffe wenigſtens,
(ſetzte ſie hinzu) daß die Durchſuchung ſo ablauf-
fen wird.

Sie gab mir darauf zu verſtehen, daß man
Mittel haͤtte, hinter alle Geheimniſſe des Lo-
velaces/
ja ſogar durch ihn hinter einige meiner
Geheimniſſe zu kommen, weil er ſo ſchwatzhaft
waͤre, und ſogar ſeine Anſchlaͤge gegen ſeine Be-
dienten ausplauderte. So unergruͤndlich man
ihn auch hielte, ſo ſey doch mein Bruder viel un-
ergruͤndlicher, und wuͤrde ihm mit ſeinen eigenen
Waffen zu ſchwer fallen. Das wuͤrde die Zeit
lehren.

Jch ſagte: ich koͤnnte das nicht verſtehen,
was ſie mir auf eine ſo dunckele Weiſe zu ver-
ſtehen gaͤbe. Die Unergruͤndlichkeit, die ſie an
beyden ruͤhmete, ſchiene mir der Verachtung und
nicht des Ruhms werth zu ſeyn. Wenn ich
der Rachgier in meinem Hertzen haͤtte wollen
Platz laſſen, ſo haͤtte ich auch leicht darauf kom-
men koͤnnen, allerhand Liſt und Kunſtgriffe zu
gebrauchen. Jch unterſtuͤnde mich zu ſagen, daß
dieſes an mir viel eher zu entſchuldigen geweſen
ſeyn wuͤrde, als die Veranlaſſung, die mir ande-
re dazu gegeben haͤtten. Aus ihren Reden
merckte ich, daß aller Verdacht gegen mich zwey
Quellen haͤtte: die eine, daß man glaubte, mein
Bruder ſey Herrn Lovelace an Argliſtigkeit
ſehr uͤberlegen: die andere, daß man ſich einer

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[511/0517] der Clariſſa. gegen mich bey dieſer Gelegenheit zu Schan- den machen koͤnnte. Jch hoffe wenigſtens, (ſetzte ſie hinzu) daß die Durchſuchung ſo ablauf- fen wird. Sie gab mir darauf zu verſtehen, daß man Mittel haͤtte, hinter alle Geheimniſſe des Lo- velaces/ ja ſogar durch ihn hinter einige meiner Geheimniſſe zu kommen, weil er ſo ſchwatzhaft waͤre, und ſogar ſeine Anſchlaͤge gegen ſeine Be- dienten ausplauderte. So unergruͤndlich man ihn auch hielte, ſo ſey doch mein Bruder viel un- ergruͤndlicher, und wuͤrde ihm mit ſeinen eigenen Waffen zu ſchwer fallen. Das wuͤrde die Zeit lehren. Jch ſagte: ich koͤnnte das nicht verſtehen, was ſie mir auf eine ſo dunckele Weiſe zu ver- ſtehen gaͤbe. Die Unergruͤndlichkeit, die ſie an beyden ruͤhmete, ſchiene mir der Verachtung und nicht des Ruhms werth zu ſeyn. Wenn ich der Rachgier in meinem Hertzen haͤtte wollen Platz laſſen, ſo haͤtte ich auch leicht darauf kom- men koͤnnen, allerhand Liſt und Kunſtgriffe zu gebrauchen. Jch unterſtuͤnde mich zu ſagen, daß dieſes an mir viel eher zu entſchuldigen geweſen ſeyn wuͤrde, als die Veranlaſſung, die mir ande- re dazu gegeben haͤtten. Aus ihren Reden merckte ich, daß aller Verdacht gegen mich zwey Quellen haͤtte: die eine, daß man glaubte, mein Bruder ſey Herrn Lovelace an Argliſtigkeit ſehr uͤberlegen: die andere, daß man ſich einer ſol-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 511. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/517>, abgerufen am 21.11.2024.