Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
"gen, so lange er am Leben oder unverheyrathet
"wäre. Diese Gefälligkeit wolte ich ihm er-
"zeigen, um die Mühe und den Verdruß zu
"belohnen, so er um meinet willen übernom-
"men und gedultig ertragen hat: ob ich gleich
"der Meinung wäre, daß er viele Beschim-
"pfungen blos seiner Sorglosigkeit für seinen
"guten Nahmen zu dancken habe.

"Vielleicht möchte ich in meiner Einöde an
"den Obristen Morden schreiben, und suchen,
"ihn auf meine Seite zu bringen.

"Jch berühre hierauf kürtzlich seine übrigen
"Vorschläge.

(Die Tyranney der Meinigen, und mein Vor-
satz dieser Tyranney zu entfliehen, zwinget mich,
ihm viel früher als ich sonst Lust hätte, von mei-
nen Anschlägen Rede und Antwort zu geben.)

Jch melde ihm also: "ich ich hätte keine Hof-
"nung, daß ihre Frau Mutter sich meinetwe-
"gen Verdruß machen würde. Was den Vor-
"schlag nach London zu reisen anbelangte, so
"kennete ich dort niemand, und ich hätte so viel
"böses von dieser Stadt gehöret, daß ich mich
"nicht entschliessen könnte, dahin zu fliehen: es
"müßte denn seyn, daß die Ladys/ mit denen
"er verwandt wäre, mir künfftig erlaubten, sie
"nach London zu begleiten.

"Die Zusammenkunft um die er bittet, halte
"ich nicht für rathsam, da ich ihn ohnehin so
"bald sehen werde. Solte ich aber Ursache fin-
"den, meinen Vorsatz zu ändern, so würde ich

"ver-

Die Geſchichte
„gen, ſo lange er am Leben oder unverheyrathet
„waͤre. Dieſe Gefaͤlligkeit wolte ich ihm er-
„zeigen, um die Muͤhe und den Verdruß zu
„belohnen, ſo er um meinet willen uͤbernom-
„men und gedultig ertragen hat: ob ich gleich
„der Meinung waͤre, daß er viele Beſchim-
„pfungen blos ſeiner Sorgloſigkeit fuͤr ſeinen
„guten Nahmen zu dancken habe.

„Vielleicht moͤchte ich in meiner Einoͤde an
„den Obriſten Morden ſchreiben, und ſuchen,
„ihn auf meine Seite zu bringen.

„Jch beruͤhre hierauf kuͤrtzlich ſeine uͤbrigen
„Vorſchlaͤge.

(Die Tyranney der Meinigen, und mein Vor-
ſatz dieſer Tyranney zu entfliehen, zwinget mich,
ihm viel fruͤher als ich ſonſt Luſt haͤtte, von mei-
nen Anſchlaͤgen Rede und Antwort zu geben.)

Jch melde ihm alſo: „ich ich haͤtte keine Hof-
„nung, daß ihre Frau Mutter ſich meinetwe-
„gen Verdruß machen wuͤrde. Was den Vor-
„ſchlag nach London zu reiſen anbelangte, ſo
„kennete ich dort niemand, und ich haͤtte ſo viel
„boͤſes von dieſer Stadt gehoͤret, daß ich mich
„nicht entſchlieſſen koͤnnte, dahin zu fliehen: es
„muͤßte denn ſeyn, daß die Ladys/ mit denen
„er verwandt waͤre, mir kuͤnfftig erlaubten, ſie
„nach London zu begleiten.

„Die Zuſammenkunft um die er bittet, halte
„ich nicht fuͤr rathſam, da ich ihn ohnehin ſo
„bald ſehen werde. Solte ich aber Urſache fin-
„den, meinen Vorſatz zu aͤndern, ſo wuͤrde ich

„ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0464" n="458"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
&#x201E;gen, &#x017F;o lange er am Leben oder unverheyrathet<lb/>
&#x201E;wa&#x0364;re. Die&#x017F;e Gefa&#x0364;lligkeit wolte ich ihm er-<lb/>
&#x201E;zeigen, um die Mu&#x0364;he und den Verdruß zu<lb/>
&#x201E;belohnen, &#x017F;o er um meinet willen u&#x0364;bernom-<lb/>
&#x201E;men und gedultig ertragen hat: ob ich gleich<lb/>
&#x201E;der Meinung wa&#x0364;re, daß er viele Be&#x017F;chim-<lb/>
&#x201E;pfungen blos &#x017F;einer Sorglo&#x017F;igkeit fu&#x0364;r &#x017F;einen<lb/>
&#x201E;guten Nahmen zu dancken habe.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Vielleicht mo&#x0364;chte ich in meiner Eino&#x0364;de an<lb/>
&#x201E;den Obri&#x017F;ten <hi rendition="#fr">Morden</hi> &#x017F;chreiben, und &#x017F;uchen,<lb/>
&#x201E;ihn auf meine Seite zu bringen.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Jch beru&#x0364;hre hierauf ku&#x0364;rtzlich &#x017F;eine u&#x0364;brigen<lb/>
&#x201E;Vor&#x017F;chla&#x0364;ge.</p><lb/>
          <p>(Die Tyranney der Meinigen, und mein Vor-<lb/>
&#x017F;atz die&#x017F;er Tyranney zu entfliehen, zwinget mich,<lb/>
ihm viel fru&#x0364;her als ich &#x017F;on&#x017F;t Lu&#x017F;t ha&#x0364;tte, von mei-<lb/>
nen An&#x017F;chla&#x0364;gen Rede und Antwort zu geben.)</p><lb/>
          <p>Jch melde ihm al&#x017F;o: &#x201E;ich ich ha&#x0364;tte keine Hof-<lb/>
&#x201E;nung, daß ihre Frau Mutter &#x017F;ich meinetwe-<lb/>
&#x201E;gen Verdruß machen wu&#x0364;rde. Was den Vor-<lb/>
&#x201E;&#x017F;chlag nach <hi rendition="#fr">London</hi> zu rei&#x017F;en anbelangte, &#x017F;o<lb/>
&#x201E;kennete ich dort niemand, und ich ha&#x0364;tte &#x017F;o viel<lb/>
&#x201E;bo&#x0364;&#x017F;es von die&#x017F;er Stadt geho&#x0364;ret, daß ich mich<lb/>
&#x201E;nicht ent&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en ko&#x0364;nnte, dahin zu fliehen: es<lb/>
&#x201E;mu&#x0364;ßte denn &#x017F;eyn, daß die <hi rendition="#fr">Ladys/</hi> mit denen<lb/>
&#x201E;er verwandt wa&#x0364;re, mir ku&#x0364;nfftig erlaubten, &#x017F;ie<lb/>
&#x201E;nach <hi rendition="#fr">London</hi> zu begleiten.</p><lb/>
          <p>&#x201E;Die Zu&#x017F;ammenkunft um die er bittet, halte<lb/>
&#x201E;ich nicht fu&#x0364;r rath&#x017F;am, da ich ihn ohnehin &#x017F;o<lb/>
&#x201E;bald &#x017F;ehen werde. Solte ich aber Ur&#x017F;ache fin-<lb/>
&#x201E;den, meinen Vor&#x017F;atz zu a&#x0364;ndern, &#x017F;o wu&#x0364;rde ich<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;ver-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[458/0464] Die Geſchichte „gen, ſo lange er am Leben oder unverheyrathet „waͤre. Dieſe Gefaͤlligkeit wolte ich ihm er- „zeigen, um die Muͤhe und den Verdruß zu „belohnen, ſo er um meinet willen uͤbernom- „men und gedultig ertragen hat: ob ich gleich „der Meinung waͤre, daß er viele Beſchim- „pfungen blos ſeiner Sorgloſigkeit fuͤr ſeinen „guten Nahmen zu dancken habe. „Vielleicht moͤchte ich in meiner Einoͤde an „den Obriſten Morden ſchreiben, und ſuchen, „ihn auf meine Seite zu bringen. „Jch beruͤhre hierauf kuͤrtzlich ſeine uͤbrigen „Vorſchlaͤge. (Die Tyranney der Meinigen, und mein Vor- ſatz dieſer Tyranney zu entfliehen, zwinget mich, ihm viel fruͤher als ich ſonſt Luſt haͤtte, von mei- nen Anſchlaͤgen Rede und Antwort zu geben.) Jch melde ihm alſo: „ich ich haͤtte keine Hof- „nung, daß ihre Frau Mutter ſich meinetwe- „gen Verdruß machen wuͤrde. Was den Vor- „ſchlag nach London zu reiſen anbelangte, ſo „kennete ich dort niemand, und ich haͤtte ſo viel „boͤſes von dieſer Stadt gehoͤret, daß ich mich „nicht entſchlieſſen koͤnnte, dahin zu fliehen: es „muͤßte denn ſeyn, daß die Ladys/ mit denen „er verwandt waͤre, mir kuͤnfftig erlaubten, ſie „nach London zu begleiten. „Die Zuſammenkunft um die er bittet, halte „ich nicht fuͤr rathſam, da ich ihn ohnehin ſo „bald ſehen werde. Solte ich aber Urſache fin- „den, meinen Vorſatz zu aͤndern, ſo wuͤrde ich „ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/464
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 458. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/464>, abgerufen am 23.05.2024.