überfallen mich meine traurigen Gedancken von neuen. Allein was soll ich thun? Jch dencke, mein erstes soll morgen früh seyn, daß ich den Brief wieder hole. Was kan, oder was soll ich thun?
Jch will jetzt recht kranck werden, weil ich be- fürchte, daß man die Sache noch vor Mittewo- chens unvermuthet in das Werck zu richten vor- hat. Jch brauche mich nicht sehr zu verstellen: denn ich bin in der That elend.
Jch hoffe diesen Brief morgen sehr früh für Sie hinzulegen, so bald ich den andern Brief wieder zurück genommen habe, falls ich ihn an- ders noch zurück nehme. Zum wenigsten giebt mir das Jnnerste meines Hertzens diesen Be- fehl.
Es ist jetzt schon des Nachts um zwey Uhr. Jch habe aber dem ohngeachtet grosse Lust, hin- unter zu schleichen, und meinen Brief zu holen. Unsere Thüren werden zwar des Abends um eilf Uhr zugeschlossen und zugeriegelt: allein die steinernen Sitze an den Fenstern des kleinen Speise-Saals sind in der Höhe mit dem Bo- den des Gartens beynahe gleich, und die Laden lassen sich leicht aufmachen. Hier könte ich hin- aus kommen.
Wiewohl! warum soll ich so unruhig seyn? Wenn auch der Brief zurechte kommt, so kan ich ja hören, was Herr Lovelace darauf ant- wortet. Seine Basen wohnen so weit von uns ab, daß er nicht so gleich Antwort erhalten kan:
und
Die Geſchichte
uͤberfallen mich meine traurigen Gedancken von neuen. Allein was ſoll ich thun? Jch dencke, mein erſtes ſoll morgen fruͤh ſeyn, daß ich den Brief wieder hole. Was kan, oder was ſoll ich thun?
Jch will jetzt recht kranck werden, weil ich be- fuͤrchte, daß man die Sache noch vor Mittewo- chens unvermuthet in das Werck zu richten vor- hat. Jch brauche mich nicht ſehr zu verſtellen: denn ich bin in der That elend.
Jch hoffe dieſen Brief morgen ſehr fruͤh fuͤr Sie hinzulegen, ſo bald ich den andern Brief wieder zuruͤck genommen habe, falls ich ihn an- ders noch zuruͤck nehme. Zum wenigſten giebt mir das Jnnerſte meines Hertzens dieſen Be- fehl.
Es iſt jetzt ſchon des Nachts um zwey Uhr. Jch habe aber dem ohngeachtet groſſe Luſt, hin- unter zu ſchleichen, und meinen Brief zu holen. Unſere Thuͤren werden zwar des Abends um eilf Uhr zugeſchloſſen und zugeriegelt: allein die ſteinernen Sitze an den Fenſtern des kleinen Speiſe-Saals ſind in der Hoͤhe mit dem Bo- den des Gartens beynahe gleich, und die Laden laſſen ſich leicht aufmachen. Hier koͤnte ich hin- aus kommen.
Wiewohl! warum ſoll ich ſo unruhig ſeyn? Wenn auch der Brief zurechte kommt, ſo kan ich ja hoͤren, was Herr Lovelace darauf ant- wortet. Seine Baſen wohnen ſo weit von uns ab, daß er nicht ſo gleich Antwort erhalten kan:
und
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Die Geſchichte
uͤberfallen mich meine traurigen Gedancken von
neuen. Allein was ſoll ich thun? Jch dencke,
mein erſtes ſoll morgen fruͤh ſeyn, daß ich den
Brief wieder hole. Was kan, oder was ſoll
ich thun?
Jch will jetzt recht kranck werden, weil ich be-
fuͤrchte, daß man die Sache noch vor Mittewo-
chens unvermuthet in das Werck zu richten vor-
hat. Jch brauche mich nicht ſehr zu verſtellen:
denn ich bin in der That elend.
Jch hoffe dieſen Brief morgen ſehr fruͤh fuͤr
Sie hinzulegen, ſo bald ich den andern Brief
wieder zuruͤck genommen habe, falls ich ihn an-
ders noch zuruͤck nehme. Zum wenigſten giebt
mir das Jnnerſte meines Hertzens dieſen Be-
fehl.
Es iſt jetzt ſchon des Nachts um zwey Uhr.
Jch habe aber dem ohngeachtet groſſe Luſt, hin-
unter zu ſchleichen, und meinen Brief zu holen.
Unſere Thuͤren werden zwar des Abends um
eilf Uhr zugeſchloſſen und zugeriegelt: allein die
ſteinernen Sitze an den Fenſtern des kleinen
Speiſe-Saals ſind in der Hoͤhe mit dem Bo-
den des Gartens beynahe gleich, und die Laden
laſſen ſich leicht aufmachen. Hier koͤnte ich hin-
aus kommen.
Wiewohl! warum ſoll ich ſo unruhig ſeyn?
Wenn auch der Brief zurechte kommt, ſo kan
ich ja hoͤren, was Herr Lovelace darauf ant-
wortet. Seine Baſen wohnen ſo weit von uns
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und
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 430. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/436>, abgerufen am 22.11.2024.
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