So fern hat er zwar seinen Endzweck erreicht, daß sie sich nicht unterstehen, mich wegzubringen: allein er hat sie gezwungen, ein sicherers und ver- zweiffelteres Mittel zu ergreiffen: und dieses zwinget mich hinwiederum zu einem eben so ver- zweiffelten Gegenmittel, dessen Folgen ihm viel- leicht erwünschter seyn mögen, als er es verdie- net.
Mit einem Wort; ich habe den allergefähr- lichsten Schritt in meinem Leben gewaget. Jch will Jhnen erst die Ursache melden, alsdenn soll das folgen, was ich gethan habe.
Meine Base Hervey (die die gantze Nacht hindurch, ohne Zweiffel um meinetwillen, hier bleibt) kam diesen Abend um sechs Uhr vor mei- ne Stube und klopfte an: denn ich hatte mich eben eingeschlossen und schrieb. Als ich aufmach- te, und sie herein getreten war, fing sie also an zu reden, ich komme noch einmahl, sie zu be- suchen, allein gäntzlich wider meinen Willen. Jch muß ihnen Nachrichten geben, die für sie und für die gantze Familie von der äussersten Wichtigkeit sind.
Jch ward sehr aufmercksam: was hat man nun mit mir vor, Frau Base? sagte ich.
Sie sollen nicht nach ihres Onckles Gute ge- bracht werden: trösten sie sich damit. Man sieht, daß dieses allzusehr wider ihren Willen ist. Sie sollen nicht dahin reisen.
Wie erquicken sie mich, Frau Base! das ist mir eine rechte Hertz-Stärckung; brach ich aus,
und
der Clariſſa.
So fern hat er zwar ſeinen Endzweck erreicht, daß ſie ſich nicht unterſtehen, mich wegzubringen: allein er hat ſie gezwungen, ein ſicherers und ver- zweiffelteres Mittel zu ergreiffen: und dieſes zwinget mich hinwiederum zu einem eben ſo ver- zweiffelten Gegenmittel, deſſen Folgen ihm viel- leicht erwuͤnſchter ſeyn moͤgen, als er es verdie- net.
Mit einem Wort; ich habe den allergefaͤhr- lichſten Schritt in meinem Leben gewaget. Jch will Jhnen erſt die Urſache melden, alsdenn ſoll das folgen, was ich gethan habe.
Meine Baſe Hervey (die die gantze Nacht hindurch, ohne Zweiffel um meinetwillen, hier bleibt) kam dieſen Abend um ſechs Uhr vor mei- ne Stube und klopfte an: denn ich hatte mich eben eingeſchloſſen und ſchrieb. Als ich aufmach- te, und ſie herein getreten war, fing ſie alſo an zu reden, ich komme noch einmahl, ſie zu be- ſuchen, allein gaͤntzlich wider meinen Willen. Jch muß ihnen Nachrichten geben, die fuͤr ſie und fuͤr die gantze Familie von der aͤuſſerſten Wichtigkeit ſind.
Jch ward ſehr aufmerckſam: was hat man nun mit mir vor, Frau Baſe? ſagte ich.
Sie ſollen nicht nach ihres Onckles Gute ge- bracht werden: troͤſten ſie ſich damit. Man ſieht, daß dieſes allzuſehr wider ihren Willen iſt. Sie ſollen nicht dahin reiſen.
Wie erquicken ſie mich, Frau Baſe! das iſt mir eine rechte Hertz-Staͤrckung; brach ich aus,
und
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der Clariſſa.
So fern hat er zwar ſeinen Endzweck erreicht,
daß ſie ſich nicht unterſtehen, mich wegzubringen:
allein er hat ſie gezwungen, ein ſicherers und ver-
zweiffelteres Mittel zu ergreiffen: und dieſes
zwinget mich hinwiederum zu einem eben ſo ver-
zweiffelten Gegenmittel, deſſen Folgen ihm viel-
leicht erwuͤnſchter ſeyn moͤgen, als er es verdie-
net.
Mit einem Wort; ich habe den allergefaͤhr-
lichſten Schritt in meinem Leben gewaget. Jch
will Jhnen erſt die Urſache melden, alsdenn ſoll
das folgen, was ich gethan habe.
Meine Baſe Hervey (die die gantze Nacht
hindurch, ohne Zweiffel um meinetwillen, hier
bleibt) kam dieſen Abend um ſechs Uhr vor mei-
ne Stube und klopfte an: denn ich hatte mich
eben eingeſchloſſen und ſchrieb. Als ich aufmach-
te, und ſie herein getreten war, fing ſie alſo an
zu reden, ich komme noch einmahl, ſie zu be-
ſuchen, allein gaͤntzlich wider meinen Willen.
Jch muß ihnen Nachrichten geben, die fuͤr ſie
und fuͤr die gantze Familie von der aͤuſſerſten
Wichtigkeit ſind.
Jch ward ſehr aufmerckſam: was hat man
nun mit mir vor, Frau Baſe? ſagte ich.
Sie ſollen nicht nach ihres Onckles Gute ge-
bracht werden: troͤſten ſie ſich damit. Man
ſieht, daß dieſes allzuſehr wider ihren Willen iſt.
Sie ſollen nicht dahin reiſen.
Wie erquicken ſie mich, Frau Baſe! das iſt
mir eine rechte Hertz-Staͤrckung; brach ich aus,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 415. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/421>, abgerufen am 23.11.2024.
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