Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite
Die Geschichte

Jch kan nicht daran gedencken, mich in den
Schutz seiner Anverwanten zu begeben. Jch
will aber seine Vorschläge nicht genau untersu-
chen, bis ich erst Jhre Meinung vernommen ha-
be. Jch sehe nichts vor mir, daß ich zugleich
hoffen und wählen kan, als daß ich zu Jhrer
Frau Mutter fliehe. Jhres Schutzes kan ich
mich mit mehrerer Ehre bedienen, als des Schu-
tzes irgend einer andern Person. Jch würde
auch bereit und im Stande seyn, aus ihrem
Hause wieder nach meines Vaters Hause zurück
zu kehren, so bald mir die Freyheit Nein zu sa-
gen zugestanden würde, und ich darüber genugsa-
me Sicherheit hätte; denn der Bruch mit mei-
ner Familie würde nicht so groß seyn, als wenn
ich zu Lovelaces Anverwanten fliehe. Mehr
Bedingungen, z. E. daß ich meine völlige Frey-
heit haben wollte, verlange ich von meinen El-
tern nicht, um Jhre Frau Mutter desto weni-
ger in verdrießliche Umstände zu setzen; ob ich
gleich ein Recht dazu hätte. Jch meine ein sol-
ches Recht, als mein Bruder hat sein Gut selbst
in Besitz zu haben; das ihm niemand streitig
macht; denn sonst soll mich GOtt behüten, mich
jemahls dem Gehorsam gegen meinen Vater
in einer billigen Sache zu entziehen, was für
Recht mir auch der letzte Wille meines Gros-
Vaters geben mag. Der gute seelige Mann
vermachte mir das Land-Guth als eine Beloh-
nung meines Gehorsams, und nicht als ein Mit-
tel mich von meinem Gehorsam loszureissen.

Die
Die Geſchichte

Jch kan nicht daran gedencken, mich in den
Schutz ſeiner Anverwanten zu begeben. Jch
will aber ſeine Vorſchlaͤge nicht genau unterſu-
chen, bis ich erſt Jhre Meinung vernommen ha-
be. Jch ſehe nichts vor mir, daß ich zugleich
hoffen und waͤhlen kan, als daß ich zu Jhrer
Frau Mutter fliehe. Jhres Schutzes kan ich
mich mit mehrerer Ehre bedienen, als des Schu-
tzes irgend einer andern Perſon. Jch wuͤrde
auch bereit und im Stande ſeyn, aus ihrem
Hauſe wieder nach meines Vaters Hauſe zuruͤck
zu kehren, ſo bald mir die Freyheit Nein zu ſa-
gen zugeſtanden wuͤrde, und ich daruͤber genugſa-
me Sicherheit haͤtte; denn der Bruch mit mei-
ner Familie wuͤrde nicht ſo groß ſeyn, als wenn
ich zu Lovelaces Anverwanten fliehe. Mehr
Bedingungen, z. E. daß ich meine voͤllige Frey-
heit haben wollte, verlange ich von meinen El-
tern nicht, um Jhre Frau Mutter deſto weni-
ger in verdrießliche Umſtaͤnde zu ſetzen; ob ich
gleich ein Recht dazu haͤtte. Jch meine ein ſol-
ches Recht, als mein Bruder hat ſein Gut ſelbſt
in Beſitz zu haben; das ihm niemand ſtreitig
macht; denn ſonſt ſoll mich GOtt behuͤten, mich
jemahls dem Gehorſam gegen meinen Vater
in einer billigen Sache zu entziehen, was fuͤr
Recht mir auch der letzte Wille meines Gros-
Vaters geben mag. Der gute ſeelige Mann
vermachte mir das Land-Guth als eine Beloh-
nung meines Gehorſams, und nicht als ein Mit-
tel mich von meinem Gehorſam loszureiſſen.

Die
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0388" n="382"/>
          <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi> </hi> </fw><lb/>
          <p>Jch kan nicht daran gedencken, mich in den<lb/>
Schutz &#x017F;einer Anverwanten zu begeben. Jch<lb/>
will aber &#x017F;eine Vor&#x017F;chla&#x0364;ge nicht genau unter&#x017F;u-<lb/>
chen, bis ich er&#x017F;t Jhre Meinung vernommen ha-<lb/>
be. Jch &#x017F;ehe nichts vor mir, daß ich zugleich<lb/>
hoffen und <hi rendition="#fr">wa&#x0364;hlen</hi> kan, als daß ich zu Jhrer<lb/>
Frau Mutter fliehe. Jhres Schutzes kan ich<lb/>
mich mit mehrerer <hi rendition="#fr">Ehre</hi> bedienen, als des Schu-<lb/>
tzes irgend einer andern Per&#x017F;on. Jch wu&#x0364;rde<lb/>
auch bereit und im Stande &#x017F;eyn, aus ihrem<lb/>
Hau&#x017F;e wieder nach meines Vaters Hau&#x017F;e zuru&#x0364;ck<lb/>
zu kehren, &#x017F;o bald mir die Freyheit <hi rendition="#fr">Nein</hi> zu &#x017F;a-<lb/>
gen zuge&#x017F;tanden wu&#x0364;rde, und ich daru&#x0364;ber genug&#x017F;a-<lb/>
me Sicherheit ha&#x0364;tte; denn der Bruch mit mei-<lb/>
ner Familie wu&#x0364;rde nicht &#x017F;o groß &#x017F;eyn, als wenn<lb/>
ich zu <hi rendition="#fr">Lovelaces</hi> Anverwanten fliehe. Mehr<lb/>
Bedingungen, z. E. daß ich meine vo&#x0364;llige Frey-<lb/>
heit haben wollte, verlange ich von meinen El-<lb/>
tern nicht, um Jhre Frau Mutter de&#x017F;to weni-<lb/>
ger in verdrießliche Um&#x017F;ta&#x0364;nde zu &#x017F;etzen; ob ich<lb/>
gleich ein Recht dazu ha&#x0364;tte. Jch meine ein &#x017F;ol-<lb/>
ches Recht, als mein Bruder hat &#x017F;ein Gut &#x017F;elb&#x017F;t<lb/>
in Be&#x017F;itz zu haben; das ihm niemand &#x017F;treitig<lb/>
macht; denn &#x017F;on&#x017F;t &#x017F;oll mich GOtt behu&#x0364;ten, mich<lb/>
jemahls dem Gehor&#x017F;am gegen meinen Vater<lb/>
in einer billigen Sache zu entziehen, was fu&#x0364;r<lb/>
Recht mir auch der letzte Wille meines Gros-<lb/>
Vaters geben mag. Der gute &#x017F;eelige Mann<lb/>
vermachte mir das Land-Guth als eine Beloh-<lb/>
nung meines Gehor&#x017F;ams, und nicht als ein Mit-<lb/>
tel mich von meinem Gehor&#x017F;am loszurei&#x017F;&#x017F;en.<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">Die</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[382/0388] Die Geſchichte Jch kan nicht daran gedencken, mich in den Schutz ſeiner Anverwanten zu begeben. Jch will aber ſeine Vorſchlaͤge nicht genau unterſu- chen, bis ich erſt Jhre Meinung vernommen ha- be. Jch ſehe nichts vor mir, daß ich zugleich hoffen und waͤhlen kan, als daß ich zu Jhrer Frau Mutter fliehe. Jhres Schutzes kan ich mich mit mehrerer Ehre bedienen, als des Schu- tzes irgend einer andern Perſon. Jch wuͤrde auch bereit und im Stande ſeyn, aus ihrem Hauſe wieder nach meines Vaters Hauſe zuruͤck zu kehren, ſo bald mir die Freyheit Nein zu ſa- gen zugeſtanden wuͤrde, und ich daruͤber genugſa- me Sicherheit haͤtte; denn der Bruch mit mei- ner Familie wuͤrde nicht ſo groß ſeyn, als wenn ich zu Lovelaces Anverwanten fliehe. Mehr Bedingungen, z. E. daß ich meine voͤllige Frey- heit haben wollte, verlange ich von meinen El- tern nicht, um Jhre Frau Mutter deſto weni- ger in verdrießliche Umſtaͤnde zu ſetzen; ob ich gleich ein Recht dazu haͤtte. Jch meine ein ſol- ches Recht, als mein Bruder hat ſein Gut ſelbſt in Beſitz zu haben; das ihm niemand ſtreitig macht; denn ſonſt ſoll mich GOtt behuͤten, mich jemahls dem Gehorſam gegen meinen Vater in einer billigen Sache zu entziehen, was fuͤr Recht mir auch der letzte Wille meines Gros- Vaters geben mag. Der gute ſeelige Mann vermachte mir das Land-Guth als eine Beloh- nung meines Gehorſams, und nicht als ein Mit- tel mich von meinem Gehorſam loszureiſſen. Die

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/388
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 382. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/388>, abgerufen am 17.05.2024.