und niemand wußte was er bedaurte. Er hielt immer inne, und konnte nicht einen verständli- chen Satz zur Welt bringen.
Hiedurch kam ich wieder zu mir selbst: denn wenn man siehet, daß der Feind furchtsam ist, so pflegt man selbst mehr Muth zu bekommen. Vielleicht aber ist die neue Heldin noch furchtsa- mer als ihr furchtsamer Feind.
Jch wandte mich von ihm, setzte mich auf ei- nen Stuhl an dem Camin, und fing mich an mit dem Fechtel zu wehen. Jch habe nachher bedacht, daß ich sehr wunderlich ausgesehen ha- ben muß. Jch würde mir selbst verächtlich vor- gekommen seyn, wenn ich nur einen Gedancken hätte haben können, der ihm günstig gewesen wä- re. Allein was kan man weiter sagen, wenn man eine so hertzliche Abneigung von einer Per- son hat?
Er hustete etliche mahl, wie ich vorhin gethan hatte; und endlich kam ein begreiflicher Satz heraus: ich müßte seine Verwirrung noth- wendig mercken. Auf diesen Satz folgeten zwey oder drey andere Sätze. Jch glaube, mei- ne Base hatte ihn auswendig gelernt, was er sagen solte: denn ich hörte von nichts als von Ehrerbietung gegen ein so allervorzüg- lichstes Frauenzimmer/ (dergleichen Worte brachte er vor) und er hoffete/ er hoffete/ dreymahl hoffete er, (ohne mir zu sagen was er hoffete) - - daß ich allzu edelmüthig seyn würde (Edelmüthigkeit wäre meine recht
eige-
Die Geſchichte
und niemand wußte was er bedaurte. Er hielt immer inne, und konnte nicht einen verſtaͤndli- chen Satz zur Welt bringen.
Hiedurch kam ich wieder zu mir ſelbſt: denn wenn man ſiehet, daß der Feind furchtſam iſt, ſo pflegt man ſelbſt mehr Muth zu bekommen. Vielleicht aber iſt die neue Heldin noch furchtſa- mer als ihr furchtſamer Feind.
Jch wandte mich von ihm, ſetzte mich auf ei- nen Stuhl an dem Camin, und fing mich an mit dem Fechtel zu wehen. Jch habe nachher bedacht, daß ich ſehr wunderlich ausgeſehen ha- ben muß. Jch wuͤrde mir ſelbſt veraͤchtlich vor- gekommen ſeyn, wenn ich nur einen Gedancken haͤtte haben koͤnnen, der ihm guͤnſtig geweſen waͤ- re. Allein was kan man weiter ſagen, wenn man eine ſo hertzliche Abneigung von einer Per- ſon hat?
Er huſtete etliche mahl, wie ich vorhin gethan hatte; und endlich kam ein begreiflicher Satz heraus: ich muͤßte ſeine Verwirrung noth- wendig mercken. Auf dieſen Satz folgeten zwey oder drey andere Saͤtze. Jch glaube, mei- ne Baſe hatte ihn auswendig gelernt, was er ſagen ſolte: denn ich hoͤrte von nichts als von Ehrerbietung gegen ein ſo allervorzuͤg- lichſtes Frauenzimmer/ (dergleichen Worte brachte er vor) und er hoffete/ er hoffete/ dreymahl hoffete er, (ohne mir zu ſagen was er hoffete) ‒ ‒ daß ich allzu edelmuͤthig ſeyn wuͤrde (Edelmuͤthigkeit waͤre meine recht
eige-
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Die Geſchichte
und niemand wußte was er bedaurte. Er hielt
immer inne, und konnte nicht einen verſtaͤndli-
chen Satz zur Welt bringen.
Hiedurch kam ich wieder zu mir ſelbſt: denn
wenn man ſiehet, daß der Feind furchtſam iſt,
ſo pflegt man ſelbſt mehr Muth zu bekommen.
Vielleicht aber iſt die neue Heldin noch furchtſa-
mer als ihr furchtſamer Feind.
Jch wandte mich von ihm, ſetzte mich auf ei-
nen Stuhl an dem Camin, und fing mich an
mit dem Fechtel zu wehen. Jch habe nachher
bedacht, daß ich ſehr wunderlich ausgeſehen ha-
ben muß. Jch wuͤrde mir ſelbſt veraͤchtlich vor-
gekommen ſeyn, wenn ich nur einen Gedancken
haͤtte haben koͤnnen, der ihm guͤnſtig geweſen waͤ-
re. Allein was kan man weiter ſagen, wenn
man eine ſo hertzliche Abneigung von einer Per-
ſon hat?
Er huſtete etliche mahl, wie ich vorhin gethan
hatte; und endlich kam ein begreiflicher Satz
heraus: ich muͤßte ſeine Verwirrung noth-
wendig mercken. Auf dieſen Satz folgeten
zwey oder drey andere Saͤtze. Jch glaube, mei-
ne Baſe hatte ihn auswendig gelernt, was er
ſagen ſolte: denn ich hoͤrte von nichts als von
Ehrerbietung gegen ein ſo allervorzuͤg-
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brachte er vor) und er hoffete/ er hoffete/
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wuͤrde (Edelmuͤthigkeit waͤre meine recht
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 308. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/314>, abgerufen am 24.11.2024.
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