Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
konnten sie dencken/ wenn sie Tag/ Ort
und Stunde ihrer Zusammenkunft mit
ihm bestimmeten/ und seine Absicht zum
voraus wußten/ daß man dieses für einen
gemeinen Höflichkeits-Besuch halten kan,
und daß es weiter nichts zu bedeuten ha-
ben solle? Jhr Vater/ ihre Mutter/ ihre
Onckles/ und jedermann siehet diese Zu-
sammenkunft als den Anfang ihres Ge-
horsams und Nachgebens an: ich bitte sie
demnach/ treten sie nun nicht zurück/ son-
dern thun sie das auf eine angenehme und
ihren Eltern wohlgefällige Weise, was sie
doch thun müssen.

"O der eckelhafte Abscheu vom Menschen!
"Vergeben sie mir den Ausdruck. So glaubt
"man doch, daß ich einen solchen Menschen in
"der Absicht spreche? und er wird durch derglei-
"chen Hoffnung muthiger gemacht? - - Allein
"es ist ohnmöglich, daß er die geringste Hoffnung
"hat, wenn sie auch andere wircklich haben soll-
"ten. Er kan keine Hoffnung haben; das ist
"daraus klar, weil er sich vor unserer Zusam-
"menkunft fürchtet. Wenn seine Hoffnung so
"dreiste wäre, so brauchte er sich nicht zu fürch-
"ten."

Jn der That/ er hat Hoffnung: wohl-
gegründete Hoffnung! Seine Furcht ent-
stehet aus Ehrerbietigkeit/ das habe ich
ihnen schon gesagt.

"Aus Ehrerbietigkeit? - - nein! aus

Un-

Die Geſchichte
konnten ſie dencken/ wenn ſie Tag/ Ort
und Stunde ihrer Zuſammenkunft mit
ihm beſtimmeten/ und ſeine Abſicht zum
voraus wußten/ daß man dieſes fuͤr einen
gemeinen Hoͤflichkeits-Beſuch halten kan,
und daß es weiter nichts zu bedeuten ha-
ben ſolle? Jhr Vater/ ihre Mutter/ ihre
Onckles/ und jedermann ſiehet dieſe Zu-
ſammenkunft als den Anfang ihres Ge-
horſams und Nachgebens an: ich bitte ſie
demnach/ treten ſie nun nicht zuruͤck/ ſon-
dern thun ſie das auf eine angenehme und
ihren Eltern wohlgefaͤllige Weiſe, was ſie
doch thun muͤſſen.

„O der eckelhafte Abſcheu vom Menſchen!
„Vergeben ſie mir den Ausdruck. So glaubt
„man doch, daß ich einen ſolchen Menſchen in
„der Abſicht ſpreche? und er wird durch derglei-
„chen Hoffnung muthiger gemacht? ‒ ‒ Allein
„es iſt ohnmoͤglich, daß er die geringſte Hoffnung
„hat, wenn ſie auch andere wircklich haben ſoll-
„ten. Er kan keine Hoffnung haben; das iſt
„daraus klar, weil er ſich vor unſerer Zuſam-
„menkunft fuͤrchtet. Wenn ſeine Hoffnung ſo
„dreiſte waͤre, ſo brauchte er ſich nicht zu fuͤrch-
„ten.„

Jn der That/ er hat Hoffnung: wohl-
gegruͤndete Hoffnung! Seine Furcht ent-
ſtehet aus Ehrerbietigkeit/ das habe ich
ihnen ſchon geſagt.

Aus Ehrerbietigkeit? ‒ ‒ nein! aus

Un-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0304" n="298"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"> <hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi> </hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">konnten &#x017F;ie dencken/ wenn &#x017F;ie Tag/ Ort<lb/>
und Stunde ihrer Zu&#x017F;ammenkunft mit<lb/>
ihm be&#x017F;timmeten/ und &#x017F;eine Ab&#x017F;icht zum<lb/>
voraus wußten/ daß man die&#x017F;es fu&#x0364;r einen<lb/>
gemeinen Ho&#x0364;flichkeits-Be&#x017F;uch halten kan,<lb/>
und daß es weiter nichts zu bedeuten ha-<lb/>
ben &#x017F;olle? Jhr Vater/ ihre Mutter/ ihre<lb/>
Onckles/ und jedermann &#x017F;iehet die&#x017F;e Zu-<lb/>
&#x017F;ammenkunft als den Anfang ihres Ge-<lb/>
hor&#x017F;ams und Nachgebens an: ich bitte &#x017F;ie<lb/>
demnach/ treten &#x017F;ie nun nicht zuru&#x0364;ck/ &#x017F;on-<lb/>
dern thun &#x017F;ie das auf eine angenehme und<lb/>
ihren Eltern wohlgefa&#x0364;llige Wei&#x017F;e, was &#x017F;ie<lb/>
doch thun mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en.</hi> </p><lb/>
          <p>&#x201E;O der eckelhafte Ab&#x017F;cheu vom Men&#x017F;chen!<lb/>
&#x201E;Vergeben &#x017F;ie mir den Ausdruck. So glaubt<lb/>
&#x201E;man doch, daß ich einen &#x017F;olchen Men&#x017F;chen in<lb/>
&#x201E;der Ab&#x017F;icht &#x017F;preche? und er wird durch derglei-<lb/>
&#x201E;chen Hoffnung muthiger gemacht? &#x2012; &#x2012; Allein<lb/>
&#x201E;es i&#x017F;t ohnmo&#x0364;glich, daß er die gering&#x017F;te Hoffnung<lb/>
&#x201E;hat, wenn &#x017F;ie auch andere wircklich haben &#x017F;oll-<lb/>
&#x201E;ten. Er kan keine Hoffnung haben; das i&#x017F;t<lb/>
&#x201E;daraus klar, weil er &#x017F;ich vor un&#x017F;erer Zu&#x017F;am-<lb/>
&#x201E;menkunft fu&#x0364;rchtet. Wenn &#x017F;eine Hoffnung &#x017F;o<lb/>
&#x201E;drei&#x017F;te wa&#x0364;re, &#x017F;o brauchte er &#x017F;ich nicht zu fu&#x0364;rch-<lb/>
&#x201E;ten.&#x201E;</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#fr">Jn der That/ er hat Hoffnung: wohl-<lb/>
gegru&#x0364;ndete Hoffnung! Seine Furcht ent-<lb/>
&#x017F;tehet aus Ehrerbietigkeit/ das habe ich<lb/>
ihnen &#x017F;chon ge&#x017F;agt.</hi> </p><lb/>
          <p>&#x201E;<hi rendition="#fr">Aus Ehrerbietigkeit?</hi> &#x2012; &#x2012; nein! <hi rendition="#fr">aus</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Un-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[298/0304] Die Geſchichte konnten ſie dencken/ wenn ſie Tag/ Ort und Stunde ihrer Zuſammenkunft mit ihm beſtimmeten/ und ſeine Abſicht zum voraus wußten/ daß man dieſes fuͤr einen gemeinen Hoͤflichkeits-Beſuch halten kan, und daß es weiter nichts zu bedeuten ha- ben ſolle? Jhr Vater/ ihre Mutter/ ihre Onckles/ und jedermann ſiehet dieſe Zu- ſammenkunft als den Anfang ihres Ge- horſams und Nachgebens an: ich bitte ſie demnach/ treten ſie nun nicht zuruͤck/ ſon- dern thun ſie das auf eine angenehme und ihren Eltern wohlgefaͤllige Weiſe, was ſie doch thun muͤſſen. „O der eckelhafte Abſcheu vom Menſchen! „Vergeben ſie mir den Ausdruck. So glaubt „man doch, daß ich einen ſolchen Menſchen in „der Abſicht ſpreche? und er wird durch derglei- „chen Hoffnung muthiger gemacht? ‒ ‒ Allein „es iſt ohnmoͤglich, daß er die geringſte Hoffnung „hat, wenn ſie auch andere wircklich haben ſoll- „ten. Er kan keine Hoffnung haben; das iſt „daraus klar, weil er ſich vor unſerer Zuſam- „menkunft fuͤrchtet. Wenn ſeine Hoffnung ſo „dreiſte waͤre, ſo brauchte er ſich nicht zu fuͤrch- „ten.„ Jn der That/ er hat Hoffnung: wohl- gegruͤndete Hoffnung! Seine Furcht ent- ſtehet aus Ehrerbietigkeit/ das habe ich ihnen ſchon geſagt. „Aus Ehrerbietigkeit? ‒ ‒ nein! aus Un-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/304
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 298. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/304>, abgerufen am 17.05.2024.