Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
"durch rechtmäßige oder unrechtmäßige Mittel
"durchzutreiben. Es wäre billig, daß Personen,
"die so handeln als Engels, auch mit Engeln zu
"thun hätten. Er vor sein Theil habe bisher
"noch nicht gelernt, gutes für böses zu ver-
"gelten:
und er habe destoweniger Lust es künf-
"tig zu lernen, weil er sähe, was ich mir da-
"durch für eine Aufführung von eben den Leu-
"ten zugezogen hätte, die auch ihn gern (so wie
"mich) mit Füssen treten würden, wenn er sich
"ihnen zu Füssen würffe."

"Er entschuldiget sich hierauf wegen der freyen
"Reden, die er nicht leugnet bisher wider den
"Ehestand ausgestossen zu haben. Er schreibt,
"er habe sich in der letzten Zeit nicht mehr so
"lustig mit dieser Materie gemacht. Es sey die
"gewöhnliche, die so abgedroschene Materie aller
"Leute von freyer Lebensart, die ihren Witz gern
"zeigen wollen: und doch eine so frostige, so
"matte, so nichts-sagende, so erschöpfte Materie,
"daß er sich von Hertzen schämete, daß seine Re-
"den jemahls davon gehandelt hätten. Es sey
"in der That eine tumme Lästerung gegen die
"Landesgesetze, gegen die Ordnung, ohne welche
"die menschliche Gesellschafft nicht bestehen kön-
"ne, und gegen unsere eigene Vorfahren. Je
"mehr er Utsache habe, sich seines Herkommens
"und seiner Verwandtschafften zu rühmen, desto
"strafbarer sey es, wenn er solche Reden führte:
"strafbarer, als wenn es andere thäten, die sich
"solcher Vorzüge nicht rühmen könnten, Er

"ver-

der Clariſſa.
„durch rechtmaͤßige oder unrechtmaͤßige Mittel
„durchzutreiben. Es waͤre billig, daß Perſonen,
„die ſo handeln als Engels, auch mit Engeln zu
„thun haͤtten. Er vor ſein Theil habe bisher
„noch nicht gelernt, gutes fuͤr boͤſes zu ver-
„gelten:
und er habe deſtoweniger Luſt es kuͤnf-
„tig zu lernen, weil er ſaͤhe, was ich mir da-
„durch fuͤr eine Auffuͤhrung von eben den Leu-
„ten zugezogen haͤtte, die auch ihn gern (ſo wie
„mich) mit Fuͤſſen treten wuͤrden, wenn er ſich
„ihnen zu Fuͤſſen wuͤrffe.„

„Er entſchuldiget ſich hierauf wegen der freyen
„Reden, die er nicht leugnet bisher wider den
„Eheſtand ausgeſtoſſen zu haben. Er ſchreibt,
„er habe ſich in der letzten Zeit nicht mehr ſo
„luſtig mit dieſer Materie gemacht. Es ſey die
„gewoͤhnliche, die ſo abgedroſchene Materie aller
„Leute von freyer Lebensart, die ihren Witz gern
„zeigen wollen: und doch eine ſo froſtige, ſo
„matte, ſo nichts-ſagende, ſo erſchoͤpfte Materie,
„daß er ſich von Hertzen ſchaͤmete, daß ſeine Re-
„den jemahls davon gehandelt haͤtten. Es ſey
„in der That eine tumme Laͤſterung gegen die
„Landesgeſetze, gegen die Ordnung, ohne welche
„die menſchliche Geſellſchafft nicht beſtehen koͤn-
„ne, und gegen unſere eigene Vorfahren. Je
„mehr er Utſache habe, ſich ſeines Herkommens
„und ſeiner Verwandtſchafften zu ruͤhmen, deſto
„ſtrafbarer ſey es, wenn er ſolche Reden fuͤhrte:
„ſtrafbarer, als wenn es andere thaͤten, die ſich
„ſolcher Vorzuͤge nicht ruͤhmen koͤnnten, Er

„ver-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0293" n="287"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a</hi>.</hi></fw><lb/>
&#x201E;durch rechtma&#x0364;ßige oder unrechtma&#x0364;ßige Mittel<lb/>
&#x201E;durchzutreiben. Es wa&#x0364;re billig, daß Per&#x017F;onen,<lb/>
&#x201E;die &#x017F;o handeln als Engels, auch mit Engeln zu<lb/>
&#x201E;thun ha&#x0364;tten. Er vor &#x017F;ein Theil habe bisher<lb/>
&#x201E;noch nicht gelernt, <hi rendition="#fr">gutes fu&#x0364;r bo&#x0364;&#x017F;es zu ver-<lb/>
&#x201E;gelten:</hi> und er habe de&#x017F;toweniger Lu&#x017F;t es ku&#x0364;nf-<lb/>
&#x201E;tig zu lernen, weil er &#x017F;a&#x0364;he, was ich mir da-<lb/>
&#x201E;durch fu&#x0364;r eine Auffu&#x0364;hrung von eben den Leu-<lb/>
&#x201E;ten zugezogen ha&#x0364;tte, die auch ihn gern (&#x017F;o wie<lb/>
&#x201E;mich) mit Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en treten wu&#x0364;rden, wenn er &#x017F;ich<lb/>
&#x201E;ihnen zu Fu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en wu&#x0364;rffe.&#x201E;</p><lb/>
          <p>&#x201E;Er ent&#x017F;chuldiget &#x017F;ich hierauf wegen der freyen<lb/>
&#x201E;Reden, die er nicht leugnet bisher wider den<lb/>
&#x201E;Ehe&#x017F;tand ausge&#x017F;to&#x017F;&#x017F;en zu haben. Er &#x017F;chreibt,<lb/>
&#x201E;er habe &#x017F;ich in der letzten Zeit nicht mehr &#x017F;o<lb/>
&#x201E;lu&#x017F;tig mit die&#x017F;er Materie gemacht. Es &#x017F;ey die<lb/>
&#x201E;gewo&#x0364;hnliche, die &#x017F;o abgedro&#x017F;chene Materie aller<lb/>
&#x201E;Leute von freyer Lebensart, die ihren Witz gern<lb/>
&#x201E;zeigen wollen: und doch eine &#x017F;o fro&#x017F;tige, &#x017F;o<lb/>
&#x201E;matte, &#x017F;o nichts-&#x017F;agende, &#x017F;o er&#x017F;cho&#x0364;pfte Materie,<lb/>
&#x201E;daß er &#x017F;ich von Hertzen &#x017F;cha&#x0364;mete, daß &#x017F;eine Re-<lb/>
&#x201E;den jemahls davon gehandelt ha&#x0364;tten. Es &#x017F;ey<lb/>
&#x201E;in der That eine tumme La&#x0364;&#x017F;terung gegen die<lb/>
&#x201E;Landesge&#x017F;etze, gegen die Ordnung, ohne welche<lb/>
&#x201E;die men&#x017F;chliche Ge&#x017F;ell&#x017F;chafft nicht be&#x017F;tehen ko&#x0364;n-<lb/>
&#x201E;ne, und gegen un&#x017F;ere eigene Vorfahren. Je<lb/>
&#x201E;mehr er Ut&#x017F;ache habe, &#x017F;ich &#x017F;eines Herkommens<lb/>
&#x201E;und &#x017F;einer Verwandt&#x017F;chafften zu ru&#x0364;hmen, de&#x017F;to<lb/>
&#x201E;&#x017F;trafbarer &#x017F;ey es, wenn er &#x017F;olche Reden fu&#x0364;hrte:<lb/>
&#x201E;&#x017F;trafbarer, als wenn es andere tha&#x0364;ten, die &#x017F;ich<lb/>
&#x201E;&#x017F;olcher Vorzu&#x0364;ge nicht ru&#x0364;hmen ko&#x0364;nnten, Er<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">&#x201E;ver-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[287/0293] der Clariſſa. „durch rechtmaͤßige oder unrechtmaͤßige Mittel „durchzutreiben. Es waͤre billig, daß Perſonen, „die ſo handeln als Engels, auch mit Engeln zu „thun haͤtten. Er vor ſein Theil habe bisher „noch nicht gelernt, gutes fuͤr boͤſes zu ver- „gelten: und er habe deſtoweniger Luſt es kuͤnf- „tig zu lernen, weil er ſaͤhe, was ich mir da- „durch fuͤr eine Auffuͤhrung von eben den Leu- „ten zugezogen haͤtte, die auch ihn gern (ſo wie „mich) mit Fuͤſſen treten wuͤrden, wenn er ſich „ihnen zu Fuͤſſen wuͤrffe.„ „Er entſchuldiget ſich hierauf wegen der freyen „Reden, die er nicht leugnet bisher wider den „Eheſtand ausgeſtoſſen zu haben. Er ſchreibt, „er habe ſich in der letzten Zeit nicht mehr ſo „luſtig mit dieſer Materie gemacht. Es ſey die „gewoͤhnliche, die ſo abgedroſchene Materie aller „Leute von freyer Lebensart, die ihren Witz gern „zeigen wollen: und doch eine ſo froſtige, ſo „matte, ſo nichts-ſagende, ſo erſchoͤpfte Materie, „daß er ſich von Hertzen ſchaͤmete, daß ſeine Re- „den jemahls davon gehandelt haͤtten. Es ſey „in der That eine tumme Laͤſterung gegen die „Landesgeſetze, gegen die Ordnung, ohne welche „die menſchliche Geſellſchafft nicht beſtehen koͤn- „ne, und gegen unſere eigene Vorfahren. Je „mehr er Utſache habe, ſich ſeines Herkommens „und ſeiner Verwandtſchafften zu ruͤhmen, deſto „ſtrafbarer ſey es, wenn er ſolche Reden fuͤhrte: „ſtrafbarer, als wenn es andere thaͤten, die ſich „ſolcher Vorzuͤge nicht ruͤhmen koͤnnten, Er „ver-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/293
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 287. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/293>, abgerufen am 25.11.2024.