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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

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Die Geschichte

"Wenn du das in der That meinest, so muß
"ich mehr mit deiner Unwissenheit Mitleiden
"haben, als daß ich über deine Frechheit unge-
"halten werden sollte. Jch wünschte aber, daß
"du mich allein lassen wolltest.

Wenn Fräuleins ihre eigene Pflicht ver-
gessen/ so ist es kein Wunder/ daß sie auf
die böse sind/ die ihre Pflicht beobachten.

"Das ist ein sehr artiger Ausdruck, Elisa-
"beth. Jch sehe wohl, was du für Begriffe
"von deiner Pflicht hast: und ich bin denen
"verbunden, die dich so wohl unterrichtet ha-
"ben."

Es ist eine Anmerckung/ Fräulein/ die
alle im Hause machen/ daß sie auf eine
gelassene Artrecht schneidende Worte vor-
bringen können/ ohne dabey zu schim-
pfen/ wie sonst vornehme Leute eben so
gut als gemeine im Affect zu thun pfle-
gen. Jch wünschte nur/ daß sie Juncker

Solmes vor sich gelassen hätten: er wür-
de ihnen solche Sachen von Juncker
Love-
lace erzählt haben/ daß sie ihm nimmer
wieder würden gut geworden seyn.

"Wisst ihr, was das eigentlich für Sachen
"gewesen sind?"

Nein! wahrhaftig nicht. Sie werden
aber alles in ihres Onckles Hause hören;
und vielleicht mehr davon, als sie zu hö-
ren Lust haben.

"Jch mag hören was ich will, so bin ich doch

ein-
Die Geſchichte

„Wenn du das in der That meineſt, ſo muß
„ich mehr mit deiner Unwiſſenheit Mitleiden
„haben, als daß ich uͤber deine Frechheit unge-
„halten werden ſollte. Jch wuͤnſchte aber, daß
„du mich allein laſſen wollteſt.

Wenn Fraͤuleins ihre eigene Pflicht ver-
geſſen/ ſo iſt es kein Wunder/ daß ſie auf
die boͤſe ſind/ die ihre Pflicht beobachten.

„Das iſt ein ſehr artiger Ausdruck, Eliſa-
„beth. Jch ſehe wohl, was du fuͤr Begriffe
„von deiner Pflicht haſt: und ich bin denen
„verbunden, die dich ſo wohl unterrichtet ha-
„ben.„

Es iſt eine Anmerckung/ Fraͤulein/ die
alle im Hauſe machen/ daß ſie auf eine
gelaſſene Artrecht ſchneidende Worte vor-
bringen koͤnnen/ ohne dabey zu ſchim-
pfen/ wie ſonſt vornehme Leute eben ſo
gut als gemeine im Affect zu thun pfle-
gen. Jch wuͤnſchte nur/ daß ſie Juncker

Solmes vor ſich gelaſſen haͤtten: er wuͤr-
de ihnen ſolche Sachen von Juncker
Love-
lace erzaͤhlt haben/ daß ſie ihm nimmer
wieder wuͤrden gut geworden ſeyn.

„Wiſſt ihr, was das eigentlich fuͤr Sachen
„geweſen ſind?„

Nein! wahrhaftig nicht. Sie werden
aber alles in ihres Onckles Hauſe hoͤren;
und vielleicht mehr davon, als ſie zu hoͤ-
ren Luſt haben.

„Jch mag hoͤren was ich will, ſo bin ich doch

ein-
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[186/0192] Die Geſchichte „Wenn du das in der That meineſt, ſo muß „ich mehr mit deiner Unwiſſenheit Mitleiden „haben, als daß ich uͤber deine Frechheit unge- „halten werden ſollte. Jch wuͤnſchte aber, daß „du mich allein laſſen wollteſt. Wenn Fraͤuleins ihre eigene Pflicht ver- geſſen/ ſo iſt es kein Wunder/ daß ſie auf die boͤſe ſind/ die ihre Pflicht beobachten. „Das iſt ein ſehr artiger Ausdruck, Eliſa- „beth. Jch ſehe wohl, was du fuͤr Begriffe „von deiner Pflicht haſt: und ich bin denen „verbunden, die dich ſo wohl unterrichtet ha- „ben.„ Es iſt eine Anmerckung/ Fraͤulein/ die alle im Hauſe machen/ daß ſie auf eine gelaſſene Artrecht ſchneidende Worte vor- bringen koͤnnen/ ohne dabey zu ſchim- pfen/ wie ſonſt vornehme Leute eben ſo gut als gemeine im Affect zu thun pfle- gen. Jch wuͤnſchte nur/ daß ſie Juncker Solmes vor ſich gelaſſen haͤtten: er wuͤr- de ihnen ſolche Sachen von Juncker Love- lace erzaͤhlt haben/ daß ſie ihm nimmer wieder wuͤrden gut geworden ſeyn. „Wiſſt ihr, was das eigentlich fuͤr Sachen „geweſen ſind?„ Nein! wahrhaftig nicht. Sie werden aber alles in ihres Onckles Hauſe hoͤren; und vielleicht mehr davon, als ſie zu hoͤ- ren Luſt haben. „Jch mag hoͤren was ich will, ſo bin ich doch ein-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/192>, abgerufen am 02.05.2024.