"Wenn du das in der That meinest, so muß "ich mehr mit deiner Unwissenheit Mitleiden "haben, als daß ich über deine Frechheit unge- "halten werden sollte. Jch wünschte aber, daß "du mich allein lassen wolltest.
Wenn Fräuleins ihre eigene Pflicht ver- gessen/ so ist es kein Wunder/ daß sie auf die böse sind/ die ihre Pflicht beobachten.
"Das ist ein sehr artiger Ausdruck, Elisa- "beth. Jch sehe wohl, was du für Begriffe "von deiner Pflicht hast: und ich bin denen "verbunden, die dich so wohl unterrichtet ha- "ben."
Es ist eine Anmerckung/ Fräulein/ die alle im Hause machen/ daß sie auf eine gelassene Artrecht schneidende Worte vor- bringen können/ ohne dabey zu schim- pfen/ wie sonst vornehme Leute eben so gut als gemeine im Affect zu thun pfle- gen. Jch wünschte nur/ daß sie Juncker Solmes vor sich gelassen hätten: er wür- de ihnen solche Sachen von Juncker Love- lace erzählt haben/ daß sie ihm nimmer wieder würden gut geworden seyn.
"Wisst ihr, was das eigentlich für Sachen "gewesen sind?"
Nein! wahrhaftig nicht. Sie werden aber alles in ihres Onckles Hause hören; und vielleicht mehr davon, als sie zu hö- ren Lust haben.
"Jch mag hören was ich will, so bin ich doch
ein-
Die Geſchichte
„Wenn du das in der That meineſt, ſo muß „ich mehr mit deiner Unwiſſenheit Mitleiden „haben, als daß ich uͤber deine Frechheit unge- „halten werden ſollte. Jch wuͤnſchte aber, daß „du mich allein laſſen wollteſt.
Wenn Fraͤuleins ihre eigene Pflicht ver- geſſen/ ſo iſt es kein Wunder/ daß ſie auf die boͤſe ſind/ die ihre Pflicht beobachten.
„Das iſt ein ſehr artiger Ausdruck, Eliſa- „beth. Jch ſehe wohl, was du fuͤr Begriffe „von deiner Pflicht haſt: und ich bin denen „verbunden, die dich ſo wohl unterrichtet ha- „ben.„
Es iſt eine Anmerckung/ Fraͤulein/ die alle im Hauſe machen/ daß ſie auf eine gelaſſene Artrecht ſchneidende Worte vor- bringen koͤnnen/ ohne dabey zu ſchim- pfen/ wie ſonſt vornehme Leute eben ſo gut als gemeine im Affect zu thun pfle- gen. Jch wuͤnſchte nur/ daß ſie Juncker Solmes vor ſich gelaſſen haͤtten: er wuͤr- de ihnen ſolche Sachen von Juncker Love- lace erzaͤhlt haben/ daß ſie ihm nimmer wieder wuͤrden gut geworden ſeyn.
„Wiſſt ihr, was das eigentlich fuͤr Sachen „geweſen ſind?„
Nein! wahrhaftig nicht. Sie werden aber alles in ihres Onckles Hauſe hoͤren; und vielleicht mehr davon, als ſie zu hoͤ- ren Luſt haben.
„Jch mag hoͤren was ich will, ſo bin ich doch
ein-
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Die Geſchichte
„Wenn du das in der That meineſt, ſo muß
„ich mehr mit deiner Unwiſſenheit Mitleiden
„haben, als daß ich uͤber deine Frechheit unge-
„halten werden ſollte. Jch wuͤnſchte aber, daß
„du mich allein laſſen wollteſt.
Wenn Fraͤuleins ihre eigene Pflicht ver-
geſſen/ ſo iſt es kein Wunder/ daß ſie auf
die boͤſe ſind/ die ihre Pflicht beobachten.
„Das iſt ein ſehr artiger Ausdruck, Eliſa-
„beth. Jch ſehe wohl, was du fuͤr Begriffe
„von deiner Pflicht haſt: und ich bin denen
„verbunden, die dich ſo wohl unterrichtet ha-
„ben.„
Es iſt eine Anmerckung/ Fraͤulein/ die
alle im Hauſe machen/ daß ſie auf eine
gelaſſene Artrecht ſchneidende Worte vor-
bringen koͤnnen/ ohne dabey zu ſchim-
pfen/ wie ſonſt vornehme Leute eben ſo
gut als gemeine im Affect zu thun pfle-
gen. Jch wuͤnſchte nur/ daß ſie Juncker
Solmes vor ſich gelaſſen haͤtten: er wuͤr-
de ihnen ſolche Sachen von Juncker Love-
lace erzaͤhlt haben/ daß ſie ihm nimmer
wieder wuͤrden gut geworden ſeyn.
„Wiſſt ihr, was das eigentlich fuͤr Sachen
„geweſen ſind?„
Nein! wahrhaftig nicht. Sie werden
aber alles in ihres Onckles Hauſe hoͤren;
und vielleicht mehr davon, als ſie zu hoͤ-
ren Luſt haben.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 186. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/192>, abgerufen am 02.05.2024.
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