Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

der Clarissa.
wäre Essen und Trincken und Klei-
dung für sie.

"Ja! Jungfer Elisabeth: sagte sie das?
"Sie lachte doch wohl hoffentlich, als sie es sag-
"te; wie sie immer zu thun pflegt, wenn sie et-
"was vorbringt, das sie einen Spaß nennet? Es
"war gewiß ein sehr beissender Spaß. Jch
"wollte mir wünschen, so aufgeräumt zu seyn,
"daß ich auch auf einen Spaß dencken könnte.
"Wenn ihr aber ein besonders Vergnügen an
"solchen weisen Sprüchen findet, so kan ich euch
"noch mit einem dienen: Aufmunterung
"macht den Leuten Gaben/ die man nie
"bey ihnen gesucht hätte.
Dis wird sich
"auf eure Fräulein und auf ihre Cammer-Jung-
"fer schicken. Jch kan euch noch ein solches
"Sprüchwort sagen, das gerade das Widerspiel
"von dem vorigen ist: Verfolgung und Druck
"nehmen einem freyen Gemüthe den Muth,
"und machen die Einbildungs-Kraft
"stumpf.
Hieraus werdet ihr erklären können,
"wie es kommt, daß meiner Schwester Witz so
"viel Bewunderung erwecket, und daß ich so ein-
"fältig bin. Jhr müßt aber wissen, daß frey
"und witzig nicht einerley ist: und ich darf mich
"nicht unterstehen, diese letztere Tugend mir zu-
"zueignen.

Um Gottes Willen/ Fräulein/ sagte das
tumme Mädchen, sie wissen vor ihre Jahre
sehr viel. Sie sind ein recht gelehrtes

Frau-
M 4

der Clariſſa.
waͤre Eſſen und Trincken und Klei-
dung fuͤr ſie.

„Ja! Jungfer Eliſabeth: ſagte ſie das?
„Sie lachte doch wohl hoffentlich, als ſie es ſag-
„te; wie ſie immer zu thun pflegt, wenn ſie et-
„was vorbringt, das ſie einen Spaß nennet? Es
„war gewiß ein ſehr beiſſender Spaß. Jch
„wollte mir wuͤnſchen, ſo aufgeraͤumt zu ſeyn,
„daß ich auch auf einen Spaß dencken koͤnnte.
„Wenn ihr aber ein beſonders Vergnuͤgen an
„ſolchen weiſen Spruͤchen findet, ſo kan ich euch
„noch mit einem dienen: Aufmunterung
„macht den Leuten Gaben/ die man nie
„bey ihnen geſucht haͤtte.
Dis wird ſich
„auf eure Fraͤulein und auf ihre Cammer-Jung-
„fer ſchicken. Jch kan euch noch ein ſolches
„Spruͤchwort ſagen, das gerade das Widerſpiel
„von dem vorigen iſt: Verfolgung und Druck
„nehmen einem freyen Gemuͤthe den Muth,
„und machen die Einbildungs-Kraft
„ſtumpf.
Hieraus werdet ihr erklaͤren koͤnnen,
„wie es kommt, daß meiner Schweſter Witz ſo
„viel Bewunderung erwecket, und daß ich ſo ein-
„faͤltig bin. Jhr muͤßt aber wiſſen, daß frey
„und witzig nicht einerley iſt: und ich darf mich
„nicht unterſtehen, dieſe letztere Tugend mir zu-
„zueignen.

Um Gottes Willen/ Fraͤulein/ ſagte das
tumme Maͤdchen, ſie wiſſen vor ihre Jahre
ſehr viel. Sie ſind ein recht gelehrtes

Frau-
M 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p>
            <pb facs="#f0189" n="183"/>
            <fw place="top" type="header"> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">der Clari&#x017F;&#x017F;a</hi>.</hi> </fw><lb/> <hi rendition="#fr">wa&#x0364;re E&#x017F;&#x017F;en und Trincken und Klei-<lb/>
dung fu&#x0364;r &#x017F;ie.</hi> </p><lb/>
          <p>&#x201E;Ja! Jungfer Eli&#x017F;abeth: &#x017F;agte &#x017F;ie das?<lb/>
&#x201E;Sie lachte doch wohl hoffentlich, als &#x017F;ie es &#x017F;ag-<lb/>
&#x201E;te; wie &#x017F;ie immer zu thun pflegt, wenn &#x017F;ie et-<lb/>
&#x201E;was vorbringt, das &#x017F;ie einen Spaß nennet? Es<lb/>
&#x201E;war gewiß ein &#x017F;ehr bei&#x017F;&#x017F;ender Spaß. Jch<lb/>
&#x201E;wollte mir wu&#x0364;n&#x017F;chen, &#x017F;o aufgera&#x0364;umt zu &#x017F;eyn,<lb/>
&#x201E;daß ich auch auf einen Spaß dencken ko&#x0364;nnte.<lb/>
&#x201E;Wenn ihr aber ein be&#x017F;onders Vergnu&#x0364;gen an<lb/>
&#x201E;&#x017F;olchen wei&#x017F;en Spru&#x0364;chen findet, &#x017F;o kan ich euch<lb/>
&#x201E;noch mit einem dienen: <hi rendition="#fr">Aufmunterung<lb/>
&#x201E;macht den Leuten Gaben/ die man nie<lb/>
&#x201E;bey ihnen ge&#x017F;ucht ha&#x0364;tte.</hi> Dis wird &#x017F;ich<lb/>
&#x201E;auf eure Fra&#x0364;ulein und auf ihre Cammer-Jung-<lb/>
&#x201E;fer &#x017F;chicken. Jch kan euch noch ein &#x017F;olches<lb/>
&#x201E;Spru&#x0364;chwort &#x017F;agen, das gerade das Wider&#x017F;piel<lb/>
&#x201E;von dem vorigen i&#x017F;t: <hi rendition="#fr">Verfolgung und Druck<lb/>
&#x201E;nehmen einem freyen Gemu&#x0364;the den Muth,<lb/>
&#x201E;und machen die Einbildungs-Kraft<lb/>
&#x201E;&#x017F;tumpf.</hi> Hieraus werdet ihr erkla&#x0364;ren ko&#x0364;nnen,<lb/>
&#x201E;wie es kommt, daß meiner Schwe&#x017F;ter Witz &#x017F;o<lb/>
&#x201E;viel Bewunderung erwecket, und daß ich &#x017F;o ein-<lb/>
&#x201E;fa&#x0364;ltig bin. Jhr mu&#x0364;ßt aber wi&#x017F;&#x017F;en, daß <hi rendition="#fr">frey</hi><lb/>
&#x201E;und <hi rendition="#fr">witzig</hi> nicht einerley i&#x017F;t: und ich darf mich<lb/>
&#x201E;nicht unter&#x017F;tehen, die&#x017F;e letztere Tugend mir zu-<lb/>
&#x201E;zueignen.</p><lb/>
          <p><hi rendition="#fr">Um Gottes Willen/ Fra&#x0364;ulein/</hi> &#x017F;agte das<lb/>
tumme Ma&#x0364;dchen, <hi rendition="#fr">&#x017F;ie wi&#x017F;&#x017F;en vor ihre Jahre<lb/>
&#x017F;ehr viel. Sie &#x017F;ind ein recht gelehrtes</hi><lb/>
<fw place="bottom" type="sig">M 4</fw><fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#fr">Frau-</hi></fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[183/0189] der Clariſſa. waͤre Eſſen und Trincken und Klei- dung fuͤr ſie. „Ja! Jungfer Eliſabeth: ſagte ſie das? „Sie lachte doch wohl hoffentlich, als ſie es ſag- „te; wie ſie immer zu thun pflegt, wenn ſie et- „was vorbringt, das ſie einen Spaß nennet? Es „war gewiß ein ſehr beiſſender Spaß. Jch „wollte mir wuͤnſchen, ſo aufgeraͤumt zu ſeyn, „daß ich auch auf einen Spaß dencken koͤnnte. „Wenn ihr aber ein beſonders Vergnuͤgen an „ſolchen weiſen Spruͤchen findet, ſo kan ich euch „noch mit einem dienen: Aufmunterung „macht den Leuten Gaben/ die man nie „bey ihnen geſucht haͤtte. Dis wird ſich „auf eure Fraͤulein und auf ihre Cammer-Jung- „fer ſchicken. Jch kan euch noch ein ſolches „Spruͤchwort ſagen, das gerade das Widerſpiel „von dem vorigen iſt: Verfolgung und Druck „nehmen einem freyen Gemuͤthe den Muth, „und machen die Einbildungs-Kraft „ſtumpf. Hieraus werdet ihr erklaͤren koͤnnen, „wie es kommt, daß meiner Schweſter Witz ſo „viel Bewunderung erwecket, und daß ich ſo ein- „faͤltig bin. Jhr muͤßt aber wiſſen, daß frey „und witzig nicht einerley iſt: und ich darf mich „nicht unterſtehen, dieſe letztere Tugend mir zu- „zueignen. Um Gottes Willen/ Fraͤulein/ ſagte das tumme Maͤdchen, ſie wiſſen vor ihre Jahre ſehr viel. Sie ſind ein recht gelehrtes Frau- M 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/189
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 183. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/189>, abgerufen am 02.05.2024.