Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
schliessen dürfte. Wenn ich aber fände, daß
unsere Unterredung nicht thunlich wäre, oder
wenn ich meinen Entschluß änderte, so wollte ich
ihm noch ein paar Zeilen schreiben. Auf diese
müßte er aber warten, bis es finster wäre.

Dienstags um 11 Uhr.

Jch komme eben zurück, und habe meinen Brief
hingelegt. Wie wachsam ist der Mensch! Er
mußte gewiß eben darauf gewartet haben. Nach-
dem ich ein paar Schritte weggegangen war, so
schlug mir das Hertz; ich gieng zurück um mei-
nen Brief wieder weg zu nehmen, damit ich ihn
im Gehen weiter überlegen, und mich bedencken
könnte, ob ich es thun sollte, oder nicht. Al-
lein er war nicht mehr da. Vermuthlich war
um die Zeit, da ich den Brief in die Oeffnung
der Ziegelsteine schob, nur eine dünne Ziegel-
wand von wenig Zollen zwischen Herrn Love-
lace
und mir.

Jch gieng unzufrieden mit mir selbst aus
dem Garten zurück. Jch dencke aber doch, es
kan kein groß Unglück seyn, wenn ich ihn ein-
mahl spreche: und wenn ich es nicht thue, so
kan er zu gewaltthätigen Mitteln greiffen, und
darüber desperat werden, daß man aus Feind-
schafft gegen ihn und um seine Hoffnung zu
nichte zu machen, so hart mit mir verfährt.
Sein Betragen, da ich ihn das vorige mahl
sprach, da Zeit und Ort mir zuwider und ihm
vortheilhafft war, hat gar keine Furcht bey mir

zu-

Die Geſchichte
ſchlieſſen duͤrfte. Wenn ich aber faͤnde, daß
unſere Unterredung nicht thunlich waͤre, oder
wenn ich meinen Entſchluß aͤnderte, ſo wollte ich
ihm noch ein paar Zeilen ſchreiben. Auf dieſe
muͤßte er aber warten, bis es finſter waͤre.

Dienſtags um 11 Uhr.

Jch kom̃e eben zuruͤck, und habe meinen Brief
hingelegt. Wie wachſam iſt der Menſch! Er
mußte gewiß eben darauf gewartet haben. Nach-
dem ich ein paar Schritte weggegangen war, ſo
ſchlug mir das Hertz; ich gieng zuruͤck um mei-
nen Brief wieder weg zu nehmen, damit ich ihn
im Gehen weiter uͤberlegen, und mich bedencken
koͤnnte, ob ich es thun ſollte, oder nicht. Al-
lein er war nicht mehr da. Vermuthlich war
um die Zeit, da ich den Brief in die Oeffnung
der Ziegelſteine ſchob, nur eine duͤnne Ziegel-
wand von wenig Zollen zwiſchen Herrn Love-
lace
und mir.

Jch gieng unzufrieden mit mir ſelbſt aus
dem Garten zuruͤck. Jch dencke aber doch, es
kan kein groß Ungluͤck ſeyn, wenn ich ihn ein-
mahl ſpreche: und wenn ich es nicht thue, ſo
kan er zu gewaltthaͤtigen Mitteln greiffen, und
daruͤber deſperat werden, daß man aus Feind-
ſchafft gegen ihn und um ſeine Hoffnung zu
nichte zu machen, ſo hart mit mir verfaͤhrt.
Sein Betragen, da ich ihn das vorige mahl
ſprach, da Zeit und Ort mir zuwider und ihm
vortheilhafft war, hat gar keine Furcht bey mir

zu-
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0182" n="176"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
&#x017F;chlie&#x017F;&#x017F;en du&#x0364;rfte. Wenn ich aber fa&#x0364;nde, daß<lb/>
un&#x017F;ere Unterredung nicht thunlich wa&#x0364;re, oder<lb/>
wenn ich meinen Ent&#x017F;chluß a&#x0364;nderte, &#x017F;o wollte ich<lb/>
ihm noch ein paar Zeilen &#x017F;chreiben. Auf die&#x017F;e<lb/>
mu&#x0364;ßte er aber warten, bis es fin&#x017F;ter wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p> <hi rendition="#et">Dien&#x017F;tags um 11 Uhr.</hi> </p><lb/>
          <p>Jch kom&#x0303;e eben zuru&#x0364;ck, und habe meinen Brief<lb/>
hingelegt. Wie wach&#x017F;am i&#x017F;t der Men&#x017F;ch! Er<lb/>
mußte gewiß eben darauf gewartet haben. Nach-<lb/>
dem ich ein paar Schritte weggegangen war, &#x017F;o<lb/>
&#x017F;chlug mir das Hertz; ich gieng zuru&#x0364;ck um mei-<lb/>
nen Brief wieder weg zu nehmen, damit ich ihn<lb/>
im Gehen weiter u&#x0364;berlegen, und mich bedencken<lb/>
ko&#x0364;nnte, ob ich es thun &#x017F;ollte, oder nicht. Al-<lb/>
lein er war nicht mehr da. Vermuthlich war<lb/>
um die Zeit, da ich den Brief in die Oeffnung<lb/>
der Ziegel&#x017F;teine &#x017F;chob, nur eine du&#x0364;nne Ziegel-<lb/>
wand von wenig Zollen zwi&#x017F;chen Herrn <hi rendition="#fr">Love-<lb/>
lace</hi> und mir.</p><lb/>
          <p>Jch gieng unzufrieden mit mir &#x017F;elb&#x017F;t aus<lb/>
dem Garten zuru&#x0364;ck. Jch dencke aber doch, es<lb/>
kan kein groß Unglu&#x0364;ck &#x017F;eyn, wenn ich ihn ein-<lb/>
mahl &#x017F;preche: und wenn ich es nicht thue, &#x017F;o<lb/>
kan er zu gewalttha&#x0364;tigen Mitteln greiffen, und<lb/>
daru&#x0364;ber de&#x017F;perat werden, daß man aus Feind-<lb/>
&#x017F;chafft gegen ihn und um &#x017F;eine Hoffnung zu<lb/>
nichte zu machen, &#x017F;o hart mit mir verfa&#x0364;hrt.<lb/>
Sein Betragen, da ich ihn das vorige mahl<lb/>
&#x017F;prach, da Zeit und Ort mir zuwider und ihm<lb/>
vortheilhafft war, hat gar keine Furcht bey mir<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">zu-</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[176/0182] Die Geſchichte ſchlieſſen duͤrfte. Wenn ich aber faͤnde, daß unſere Unterredung nicht thunlich waͤre, oder wenn ich meinen Entſchluß aͤnderte, ſo wollte ich ihm noch ein paar Zeilen ſchreiben. Auf dieſe muͤßte er aber warten, bis es finſter waͤre. Dienſtags um 11 Uhr. Jch kom̃e eben zuruͤck, und habe meinen Brief hingelegt. Wie wachſam iſt der Menſch! Er mußte gewiß eben darauf gewartet haben. Nach- dem ich ein paar Schritte weggegangen war, ſo ſchlug mir das Hertz; ich gieng zuruͤck um mei- nen Brief wieder weg zu nehmen, damit ich ihn im Gehen weiter uͤberlegen, und mich bedencken koͤnnte, ob ich es thun ſollte, oder nicht. Al- lein er war nicht mehr da. Vermuthlich war um die Zeit, da ich den Brief in die Oeffnung der Ziegelſteine ſchob, nur eine duͤnne Ziegel- wand von wenig Zollen zwiſchen Herrn Love- lace und mir. Jch gieng unzufrieden mit mir ſelbſt aus dem Garten zuruͤck. Jch dencke aber doch, es kan kein groß Ungluͤck ſeyn, wenn ich ihn ein- mahl ſpreche: und wenn ich es nicht thue, ſo kan er zu gewaltthaͤtigen Mitteln greiffen, und daruͤber deſperat werden, daß man aus Feind- ſchafft gegen ihn und um ſeine Hoffnung zu nichte zu machen, ſo hart mit mir verfaͤhrt. Sein Betragen, da ich ihn das vorige mahl ſprach, da Zeit und Ort mir zuwider und ihm vortheilhafft war, hat gar keine Furcht bey mir zu-

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/182
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 176. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/182>, abgerufen am 02.05.2024.