Sache ist, desto besser gefällt sie ihnen. Kurtz, wer weiß nicht, daß sie wünschen, ihr Anbeter soll ge- gen jederman, sie selbst ausgenommen, ein Held seyn: und seine demüthige Unterwerfung gegen sie, soll keine Grentzen kennen. Hertzen zu bezwingen, ist ein Vorrecht des Frauenzimmers, an welches sonst niemand Anspruch machen kan; daher pflegt es oft dem Hertzhaften, der die Person eines Hel- den spielet, bey ihnen so zu gelingen, als es Hel- den, und nur Helden allein gelingen soll.
Was den ehrlichen Hickman anbetrift, so ist er überall so sanftmüthig und demüthig, daß seine Unterweisung kein besonderes Vorrecht für mich bleibet. Wenn ich ihm einen Verweiß gebe, so scheint er von Natur für einen Verweiß gemacht zu seyn, und ihn sich dergestalt zum voraus vor- zustellen, daß ich ihn nie mit einem unerwarteten Verweise, er mag ihn verdient haben oder nicht, übereilen und verunruhigen kan, Er hat mich manches mahl in Verwirrung gesetzt, wenn er sich wegen nie begangener Fehler so bußfertig angestel- let hat, daß ich nicht wuste, ob ich Mitleiden mit ihm haben, oder ihn auslachen solte.
Wir haben öfters mit einander auf das ehmah- lige Gesicht und Gemüth erwachsener Personen zu- rück geblicket: das ist, aus ihrer jetzigen Gestalt und Neigung uns von ihnen in Absicht auf das äussere und innere (sofern man dieses aus den Sit- ten errathen kan) ein Bild gemacht, wie sie in ihren Kinder-Jahren möchten ausgesehen haben. Jch muß Jhnen doch schreiben wie mir Hickman,
Sol-
der Clariſſa.
Sache iſt, deſto beſſer gefaͤllt ſie ihnen. Kurtz, wer weiß nicht, daß ſie wuͤnſchen, ihr Anbeter ſoll ge- gen jederman, ſie ſelbſt ausgenommen, ein Held ſeyn: und ſeine demuͤthige Unterwerfung gegen ſie, ſoll keine Grentzen kennen. Hertzen zu bezwingen, iſt ein Vorrecht des Frauenzimmers, an welches ſonſt niemand Anſpruch machen kan; daher pflegt es oft dem Hertzhaften, der die Perſon eines Hel- den ſpielet, bey ihnen ſo zu gelingen, als es Hel- den, und nur Helden allein gelingen ſoll.
Was den ehrlichen Hickman anbetrift, ſo iſt er uͤberall ſo ſanftmuͤthig und demuͤthig, daß ſeine Unterweiſung kein beſonderes Vorrecht fuͤr mich bleibet. Wenn ich ihm einen Verweiß gebe, ſo ſcheint er von Natur fuͤr einen Verweiß gemacht zu ſeyn, und ihn ſich dergeſtalt zum voraus vor- zuſtellen, daß ich ihn nie mit einem unerwarteten Verweiſe, er mag ihn verdient haben oder nicht, uͤbereilen und verunruhigen kan, Er hat mich manches mahl in Verwirrung geſetzt, wenn er ſich wegen nie begangener Fehler ſo bußfertig angeſtel- let hat, daß ich nicht wuſte, ob ich Mitleiden mit ihm haben, oder ihn auslachen ſolte.
Wir haben oͤfters mit einander auf das ehmah- lige Geſicht und Gemuͤth erwachſener Perſonen zu- ruͤck geblicket: das iſt, aus ihrer jetzigen Geſtalt und Neigung uns von ihnen in Abſicht auf das aͤuſſere und innere (ſofern man dieſes aus den Sit- ten errathen kan) ein Bild gemacht, wie ſie in ihren Kinder-Jahren moͤchten ausgeſehen haben. Jch muß Jhnen doch ſchreiben wie mir Hickman,
Sol-
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der Clariſſa.
Sache iſt, deſto beſſer gefaͤllt ſie ihnen. Kurtz, wer
weiß nicht, daß ſie wuͤnſchen, ihr Anbeter ſoll ge-
gen jederman, ſie ſelbſt ausgenommen, ein Held
ſeyn: und ſeine demuͤthige Unterwerfung gegen ſie,
ſoll keine Grentzen kennen. Hertzen zu bezwingen,
iſt ein Vorrecht des Frauenzimmers, an welches
ſonſt niemand Anſpruch machen kan; daher pflegt
es oft dem Hertzhaften, der die Perſon eines Hel-
den ſpielet, bey ihnen ſo zu gelingen, als es Hel-
den, und nur Helden allein gelingen ſoll.
Was den ehrlichen Hickman anbetrift, ſo iſt
er uͤberall ſo ſanftmuͤthig und demuͤthig, daß ſeine
Unterweiſung kein beſonderes Vorrecht fuͤr mich
bleibet. Wenn ich ihm einen Verweiß gebe, ſo
ſcheint er von Natur fuͤr einen Verweiß gemacht
zu ſeyn, und ihn ſich dergeſtalt zum voraus vor-
zuſtellen, daß ich ihn nie mit einem unerwarteten
Verweiſe, er mag ihn verdient haben oder nicht,
uͤbereilen und verunruhigen kan, Er hat mich
manches mahl in Verwirrung geſetzt, wenn er ſich
wegen nie begangener Fehler ſo bußfertig angeſtel-
let hat, daß ich nicht wuſte, ob ich Mitleiden
mit ihm haben, oder ihn auslachen ſolte.
Wir haben oͤfters mit einander auf das ehmah-
lige Geſicht und Gemuͤth erwachſener Perſonen zu-
ruͤck geblicket: das iſt, aus ihrer jetzigen Geſtalt
und Neigung uns von ihnen in Abſicht auf das
aͤuſſere und innere (ſofern man dieſes aus den Sit-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 11. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/17>, abgerufen am 24.11.2024.
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