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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748.

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Die Geschichte
len zu reichlich fliessen. Wir hören auf und
fangen von neuen mit einem halbunwilligen Ge-
sichte an, dabey wir uns zum lächeln zwingen,
damit wir desto eher wieder eins werden mögen.
Des Abends gehen wir ein wenig mürrisch zu
Bette: oder wenn wir ja reden, so unterbricht
sie ihr Stillschweigen nur mit einem Seufzer:
ach! Ennichen, du bist allzulebhaft, allzumunter!
Jch wollte daß du nicht so sehr deines Vaters
Tochter wärest.

Jch dencke davor in meinem Hertzen, daß mei-
ne Mutter genug von sich selbst an ihrer Toch-
ter finden könnte. Wenn sie aber zu ernsthaft
und strenge für mich ist, so muß es ihr armer
Hickman des nächsten Tages entgelten.

Sie wissen, daß ich eine unartige Tochter bin,
und Sie würden dis von mir dencken, wenn ich
es gleich nicht sagte: ich will daher weiter nichts
von meiner Unart melden. Jch erwähne auch
jetzt meine Unart nur, um Jhnen zum Voraus
sagen zu können, daß ich in meiner Erzählung
alles auslassen will, worinn ich allzuklug und
meine Mutter allzuhitzig gewesen zu seyn scheint,
und nur das aus unserer Unterredung berichten,
was gründlich und überzeugend ist.

"Ueberdencke einmahl, (sagte sie zu mir) alle
"die Familien, von denen man sagt, daß sich Mann
"und Frau aus Liebe genommen haben. Es heißt,
"aus Liebe, und mit diesem Nahmen benennet
"man eine Leidenschaft, die aus Thorheit und
"Unbedachtsamkeit entstanden, und durch Wider-

"spen-

Die Geſchichte
len zu reichlich flieſſen. Wir hoͤren auf und
fangen von neuen mit einem halbunwilligen Ge-
ſichte an, dabey wir uns zum laͤcheln zwingen,
damit wir deſto eher wieder eins werden moͤgen.
Des Abends gehen wir ein wenig muͤrriſch zu
Bette: oder wenn wir ja reden, ſo unterbricht
ſie ihr Stillſchweigen nur mit einem Seufzer:
ach! Ennichen, du biſt allzulebhaft, allzumunter!
Jch wollte daß du nicht ſo ſehr deines Vaters
Tochter waͤreſt.

Jch dencke davor in meinem Hertzen, daß mei-
ne Mutter genug von ſich ſelbſt an ihrer Toch-
ter finden koͤnnte. Wenn ſie aber zu ernſthaft
und ſtrenge fuͤr mich iſt, ſo muß es ihr armer
Hickman des naͤchſten Tages entgelten.

Sie wiſſen, daß ich eine unartige Tochter bin,
und Sie wuͤrden dis von mir dencken, wenn ich
es gleich nicht ſagte: ich will daher weiter nichts
von meiner Unart melden. Jch erwaͤhne auch
jetzt meine Unart nur, um Jhnen zum Voraus
ſagen zu koͤnnen, daß ich in meiner Erzaͤhlung
alles auslaſſen will, worinn ich allzuklug und
meine Mutter allzuhitzig geweſen zu ſeyn ſcheint,
und nur das aus unſerer Unterredung berichten,
was gruͤndlich und uͤberzeugend iſt.

„Ueberdencke einmahl, (ſagte ſie zu mir) alle
„die Familien, von denen man ſagt, daß ſich Mann
„und Frau aus Liebe genommen haben. Es heißt,
aus Liebe, und mit dieſem Nahmen benennet
„man eine Leidenſchaft, die aus Thorheit und
„Unbedachtſamkeit entſtanden, und durch Wider-

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[118/0124] Die Geſchichte len zu reichlich flieſſen. Wir hoͤren auf und fangen von neuen mit einem halbunwilligen Ge- ſichte an, dabey wir uns zum laͤcheln zwingen, damit wir deſto eher wieder eins werden moͤgen. Des Abends gehen wir ein wenig muͤrriſch zu Bette: oder wenn wir ja reden, ſo unterbricht ſie ihr Stillſchweigen nur mit einem Seufzer: ach! Ennichen, du biſt allzulebhaft, allzumunter! Jch wollte daß du nicht ſo ſehr deines Vaters Tochter waͤreſt. Jch dencke davor in meinem Hertzen, daß mei- ne Mutter genug von ſich ſelbſt an ihrer Toch- ter finden koͤnnte. Wenn ſie aber zu ernſthaft und ſtrenge fuͤr mich iſt, ſo muß es ihr armer Hickman des naͤchſten Tages entgelten. Sie wiſſen, daß ich eine unartige Tochter bin, und Sie wuͤrden dis von mir dencken, wenn ich es gleich nicht ſagte: ich will daher weiter nichts von meiner Unart melden. Jch erwaͤhne auch jetzt meine Unart nur, um Jhnen zum Voraus ſagen zu koͤnnen, daß ich in meiner Erzaͤhlung alles auslaſſen will, worinn ich allzuklug und meine Mutter allzuhitzig geweſen zu ſeyn ſcheint, und nur das aus unſerer Unterredung berichten, was gruͤndlich und uͤberzeugend iſt. „Ueberdencke einmahl, (ſagte ſie zu mir) alle „die Familien, von denen man ſagt, daß ſich Mann „und Frau aus Liebe genommen haben. Es heißt, „aus Liebe, und mit dieſem Nahmen benennet „man eine Leidenſchaft, die aus Thorheit und „Unbedachtſamkeit entſtanden, und durch Wider- „ſpen-

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Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 2. Göttingen, 1748, S. 118. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa02_1748/124>, abgerufen am 21.11.2024.