Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
so verächtlich und hochmüthig abwieß, als der be-
leidigende Theil sie unternahm, unterstand sich
mein Bruder, in die Thür zu treten, da jener kam,
als wolte er ihm den Eingang verwehren. Als er
sich nun nach mir erkundigte, fragte er ihn: was
er bey seiner Schwester zu thun hätte.

Mein Bruder sagt: Lovelace habe ausgese-
hen als wollte er ihn gleich heraus fodern, und ha-
be geantwortet: er wäre bereit einem Cavalier
auf alle Fragen zu antworten. Er wünschte aber,
daß Herr Jacob Harlowe/ der seit einiger Zeit
so trotzig gethan, sich erinnern möchte, daß er nicht
mehr auf der Universität wäre.

Der redliche Doctor Levin/ der mich mit sei-
nem Besuch bisweilen zu beehren pflegt, hatte mich
eben in meiner eigenen Stube verlassen, und ging
nach der Thür. Er hörete ihren Wort-Wechsel,
und brachte sie aus einander, da sie beyderseits
schon an den Degen gegriffen hatten. Er sagte
hierauf Herrn Lovelace/ wo ich zu finden wäre;
dieser sprang vor meinen Bruder vorbey mich auf-
zusuchen. Sein Ausdruck war: er sey ihm ent-
gangen, da er als ein gehetztes wildes Schwein im
Nachsetzen eben anbeissen wollen.

Dis setzte uns alle in Bestürtzuug. Mein
Vater gab Herrn Lovelace zu verstehen, und ich
muste auf seinen Befehl ihm deutlicher sagen: er
wünsche um Friede im Hause zu erhalten, daß er
seine Besuche einstellen möchte.

Herr Lovelace ist nicht der Mann, der von
seinem Vorhaben leicht abstehen wird, insonder-

heit

Die Geſchichte
ſo veraͤchtlich und hochmuͤthig abwieß, als der be-
leidigende Theil ſie unternahm, unterſtand ſich
mein Bruder, in die Thuͤr zu treten, da jener kam,
als wolte er ihm den Eingang verwehren. Als er
ſich nun nach mir erkundigte, fragte er ihn: was
er bey ſeiner Schweſter zu thun haͤtte.

Mein Bruder ſagt: Lovelace habe ausgeſe-
hen als wollte er ihn gleich heraus fodern, und ha-
be geantwortet: er waͤre bereit einem Cavalier
auf alle Fragen zu antworten. Er wuͤnſchte aber,
daß Herr Jacob Harlowe/ der ſeit einiger Zeit
ſo trotzig gethan, ſich erinnern moͤchte, daß er nicht
mehr auf der Univerſitaͤt waͤre.

Der redliche Doctor Levin/ der mich mit ſei-
nem Beſuch bisweilen zu beehren pflegt, hatte mich
eben in meiner eigenen Stube verlaſſen, und ging
nach der Thuͤr. Er hoͤrete ihren Wort-Wechſel,
und brachte ſie aus einander, da ſie beyderſeits
ſchon an den Degen gegriffen hatten. Er ſagte
hierauf Herrn Lovelace/ wo ich zu finden waͤre;
dieſer ſprang vor meinen Bruder vorbey mich auf-
zuſuchen. Sein Ausdruck war: er ſey ihm ent-
gangen, da er als ein gehetztes wildes Schwein im
Nachſetzen eben anbeiſſen wollen.

Dis ſetzte uns alle in Beſtuͤrtzuug. Mein
Vater gab Herrn Lovelace zu verſtehen, und ich
muſte auf ſeinen Befehl ihm deutlicher ſagen: er
wuͤnſche um Friede im Hauſe zu erhalten, daß er
ſeine Beſuche einſtellen moͤchte.

Herr Lovelace iſt nicht der Mann, der von
ſeinem Vorhaben leicht abſtehen wird, inſonder-

heit
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0060" n="40"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
&#x017F;o vera&#x0364;chtlich und hochmu&#x0364;thig abwieß, als der be-<lb/>
leidigende Theil &#x017F;ie unternahm, unter&#x017F;tand &#x017F;ich<lb/>
mein Bruder, in die Thu&#x0364;r zu treten, da jener kam,<lb/>
als wolte er ihm den Eingang verwehren. Als er<lb/>
&#x017F;ich nun nach mir erkundigte, fragte er ihn: <hi rendition="#fr">was<lb/>
er bey &#x017F;einer Schwe&#x017F;ter zu thun ha&#x0364;tte.</hi></p><lb/>
          <p>Mein Bruder &#x017F;agt: L<hi rendition="#fr">ovelace</hi> habe ausge&#x017F;e-<lb/>
hen als wollte er ihn gleich heraus fodern, und ha-<lb/>
be geantwortet: er wa&#x0364;re bereit einem Cavalier<lb/>
auf alle Fragen zu antworten. Er wu&#x0364;n&#x017F;chte aber,<lb/>
daß Herr <hi rendition="#fr">Jacob Harlowe/</hi> der &#x017F;eit einiger Zeit<lb/>
&#x017F;o trotzig gethan, &#x017F;ich erinnern mo&#x0364;chte, daß er nicht<lb/>
mehr auf der Univer&#x017F;ita&#x0364;t wa&#x0364;re.</p><lb/>
          <p>Der redliche Doctor L<hi rendition="#fr">evin/</hi> der mich mit &#x017F;ei-<lb/>
nem Be&#x017F;uch bisweilen zu beehren pflegt, hatte mich<lb/>
eben in meiner eigenen Stube verla&#x017F;&#x017F;en, und ging<lb/>
nach der Thu&#x0364;r. Er ho&#x0364;rete ihren Wort-Wech&#x017F;el,<lb/>
und brachte &#x017F;ie aus einander, da &#x017F;ie beyder&#x017F;eits<lb/>
&#x017F;chon an den Degen gegriffen hatten. Er &#x017F;agte<lb/>
hierauf Herrn L<hi rendition="#fr">ovelace/</hi> wo ich zu finden wa&#x0364;re;<lb/>
die&#x017F;er &#x017F;prang vor meinen Bruder vorbey mich auf-<lb/>
zu&#x017F;uchen. Sein Ausdruck war: er &#x017F;ey ihm ent-<lb/>
gangen, da er als ein gehetztes wildes Schwein im<lb/>
Nach&#x017F;etzen eben anbei&#x017F;&#x017F;en wollen.</p><lb/>
          <p>Dis &#x017F;etzte uns alle in Be&#x017F;tu&#x0364;rtzuug. Mein<lb/>
Vater gab Herrn L<hi rendition="#fr">ovelace</hi> zu ver&#x017F;tehen, und ich<lb/>
mu&#x017F;te auf &#x017F;einen Befehl ihm deutlicher &#x017F;agen: er<lb/>
wu&#x0364;n&#x017F;che um Friede im Hau&#x017F;e zu erhalten, daß er<lb/>
&#x017F;eine Be&#x017F;uche ein&#x017F;tellen mo&#x0364;chte.</p><lb/>
          <p>Herr L<hi rendition="#fr">ovelace</hi> i&#x017F;t nicht der Mann, der von<lb/>
&#x017F;einem Vorhaben leicht ab&#x017F;tehen wird, in&#x017F;onder-<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">heit</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[40/0060] Die Geſchichte ſo veraͤchtlich und hochmuͤthig abwieß, als der be- leidigende Theil ſie unternahm, unterſtand ſich mein Bruder, in die Thuͤr zu treten, da jener kam, als wolte er ihm den Eingang verwehren. Als er ſich nun nach mir erkundigte, fragte er ihn: was er bey ſeiner Schweſter zu thun haͤtte. Mein Bruder ſagt: Lovelace habe ausgeſe- hen als wollte er ihn gleich heraus fodern, und ha- be geantwortet: er waͤre bereit einem Cavalier auf alle Fragen zu antworten. Er wuͤnſchte aber, daß Herr Jacob Harlowe/ der ſeit einiger Zeit ſo trotzig gethan, ſich erinnern moͤchte, daß er nicht mehr auf der Univerſitaͤt waͤre. Der redliche Doctor Levin/ der mich mit ſei- nem Beſuch bisweilen zu beehren pflegt, hatte mich eben in meiner eigenen Stube verlaſſen, und ging nach der Thuͤr. Er hoͤrete ihren Wort-Wechſel, und brachte ſie aus einander, da ſie beyderſeits ſchon an den Degen gegriffen hatten. Er ſagte hierauf Herrn Lovelace/ wo ich zu finden waͤre; dieſer ſprang vor meinen Bruder vorbey mich auf- zuſuchen. Sein Ausdruck war: er ſey ihm ent- gangen, da er als ein gehetztes wildes Schwein im Nachſetzen eben anbeiſſen wollen. Dis ſetzte uns alle in Beſtuͤrtzuug. Mein Vater gab Herrn Lovelace zu verſtehen, und ich muſte auf ſeinen Befehl ihm deutlicher ſagen: er wuͤnſche um Friede im Hauſe zu erhalten, daß er ſeine Beſuche einſtellen moͤchte. Herr Lovelace iſt nicht der Mann, der von ſeinem Vorhaben leicht abſtehen wird, inſonder- heit

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/60
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 40. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/60>, abgerufen am 03.05.2024.