"solle: er habe sechs oder sieben Leute, mit denen "er stets umgehe, und diese wären so arg als er. "Er bringe sie bisweilen mit auf das Land, und "die gantze Gegend sey froh, wenn sie wieder "wegreiseten. Ob er gleich sehr jachzornig sey, so "wollte er doch gern vor freundlich und aufge- "räumt angesehen seyn: er möchte gern einen "Schertz austheilen, er nehme aber auch gern ei- "nen Schertz ein, und pflegte bey Gelegenheit so "frey über sich selbst zu lachen, als irgend ein "Mensch thun könnte.
Dis war die Beschreibung, die ein Feind von ihm machte: denn, wie meine Base anmerckte, so ward alles gute und lobenswürdige mit Wider- willen gesagt, und es hieß dabey allezeit: ich mnß sagen - - oder, um ihm Gerechtigkeit wi- derfahren zu lassen. Hingegen alles übele ward freywillig und gern ausgesagt. Weil man nun eine noch schlimmere Beschreibung erwartet hatte, so war diese obgleich schlimme Nachricht dem Zweck des anfragenden nicht gemäß: es wuchs daher die Sorge meines Bruders und mei- ner Schwester, daß seine Anwerbung Gehör fin- den möchte. Denn der schlimmste Theil dieser Aussage war bereits bekannt oder doch als richtig angenommen, wie er die erste Erlaubniß zum Umgang mit meiner Schwester bekam.
Allein über sein Betragen gegen mich muß ich diese ihm nachtheilige Anmerckung machen: Ohngeachtet er mir seine Gedult gegen meines Bruders Unhöflichkeiten sehr hoch anrechnete, hat
er
Die Geſchichte
„ſolle: er habe ſechs oder ſieben Leute, mit denen „er ſtets umgehe, und dieſe waͤren ſo arg als er. „Er bringe ſie bisweilen mit auf das Land, und „die gantze Gegend ſey froh, wenn ſie wieder „wegreiſeten. Ob er gleich ſehr jachzornig ſey, ſo „wollte er doch gern vor freundlich und aufge- „raͤumt angeſehen ſeyn: er moͤchte gern einen „Schertz austheilen, er nehme aber auch gern ei- „nen Schertz ein, und pflegte bey Gelegenheit ſo „frey uͤber ſich ſelbſt zu lachen, als irgend ein „Menſch thun koͤnnte.
Dis war die Beſchreibung, die ein Feind von ihm machte: denn, wie meine Baſe anmerckte, ſo ward alles gute und lobenswuͤrdige mit Wider- willen geſagt, und es hieß dabey allezeit: ich mnß ſagen ‒ ‒ oder, um ihm Gerechtigkeit wi- derfahren zu laſſen. Hingegen alles uͤbele ward freywillig und gern ausgeſagt. Weil man nun eine noch ſchlimmere Beſchreibung erwartet hatte, ſo war dieſe obgleich ſchlimme Nachricht dem Zweck des anfragenden nicht gemaͤß: es wuchs daher die Sorge meines Bruders und mei- ner Schweſter, daß ſeine Anwerbung Gehoͤr fin- den moͤchte. Denn der ſchlimmſte Theil dieſer Ausſage war bereits bekannt oder doch als richtig angenommen, wie er die erſte Erlaubniß zum Umgang mit meiner Schweſter bekam.
Allein uͤber ſein Betragen gegen mich muß ich dieſe ihm nachtheilige Anmerckung machen: Ohngeachtet er mir ſeine Gedult gegen meines Bruders Unhoͤflichkeiten ſehr hoch anrechnete, hat
er
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[38/0058]
Die Geſchichte
„ſolle: er habe ſechs oder ſieben Leute, mit denen
„er ſtets umgehe, und dieſe waͤren ſo arg als er.
„Er bringe ſie bisweilen mit auf das Land, und
„die gantze Gegend ſey froh, wenn ſie wieder
„wegreiſeten. Ob er gleich ſehr jachzornig ſey, ſo
„wollte er doch gern vor freundlich und aufge-
„raͤumt angeſehen ſeyn: er moͤchte gern einen
„Schertz austheilen, er nehme aber auch gern ei-
„nen Schertz ein, und pflegte bey Gelegenheit ſo
„frey uͤber ſich ſelbſt zu lachen, als irgend ein
„Menſch thun koͤnnte.
Dis war die Beſchreibung, die ein Feind von
ihm machte: denn, wie meine Baſe anmerckte, ſo
ward alles gute und lobenswuͤrdige mit Wider-
willen geſagt, und es hieß dabey allezeit: ich mnß
ſagen ‒ ‒ oder, um ihm Gerechtigkeit wi-
derfahren zu laſſen. Hingegen alles uͤbele
ward freywillig und gern ausgeſagt. Weil man
nun eine noch ſchlimmere Beſchreibung erwartet
hatte, ſo war dieſe obgleich ſchlimme Nachricht
dem Zweck des anfragenden nicht gemaͤß: es
wuchs daher die Sorge meines Bruders und mei-
ner Schweſter, daß ſeine Anwerbung Gehoͤr fin-
den moͤchte. Denn der ſchlimmſte Theil dieſer
Ausſage war bereits bekannt oder doch als richtig
angenommen, wie er die erſte Erlaubniß zum
Umgang mit meiner Schweſter bekam.
Allein uͤber ſein Betragen gegen mich muß
ich dieſe ihm nachtheilige Anmerckung machen:
Ohngeachtet er mir ſeine Gedult gegen meines
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 38. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/58>, abgerufen am 17.02.2025.
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