Fechterin gehalten hätten. Nun sie nicht wis- sen, wie sie meine Widersetzung mit meiner übri- gen Gemüths-Art reimen sollen, so scheint es, daß sie mich durch Veränderung der angewandten Mittel endlich zu ermüden suchen. Mein Bru- der, wie Sie sehen, ist vest entschlossen, die Sache durchzutreiben, oder Harlowe-Burg auf ewig zu verlassen. Mein Vater muß also entweder ei- nen Sohn verlieren, oder eine Tochter bezwingen; und zwar die unartigste und undanckbarste, die Eltern jemahls gehabt haben. Auf der Seite stellt er die Sache vor: und verspricht mich zu zwingen, wenn man seinem Rath folget. Man wird es noch weiter versuchen, davon bin ich überführt. Allein wer kann rathen, auf welches Mittel sie nun fallen werden?
Jch schicke mit diesem Brieffe die Antwart auf ihr Schreiben vom Sonntage, die ich den Mon- tag angefangen und noch nicht geendiget habe. Sie ist zum Abschreiben zu lang: ich habe jetzt kei- ne Zeit darzu. Jch bin in einigen Stellen sehr frey mit Jhnen umgegangen: es gefällt mir selbst nicht alles was ich geschrieben habe, ich will es aber doch stehen lassen. Mein Hertz ist nicht frey genug, Brieffe zu schreiben. Seyn Sie nicht ungehalten auf mich. Wenn Sie ein paar Stel- len entschuldigen können, so kommt es blos da- her, weil sie geschrieben sind, von
Jhrer Clarissa Harlowe.
Ende des ersten Theils.
Die Geſchichte
Fechterin gehalten haͤtten. Nun ſie nicht wiſ- ſen, wie ſie meine Widerſetzung mit meiner uͤbri- gen Gemuͤths-Art reimen ſollen, ſo ſcheint es, daß ſie mich durch Veraͤnderung der angewandten Mittel endlich zu ermuͤden ſuchen. Mein Bru- der, wie Sie ſehen, iſt veſt entſchloſſen, die Sache durchzutreiben, oder Harlowe-Burg auf ewig zu verlaſſen. Mein Vater muß alſo entweder ei- nen Sohn verlieren, oder eine Tochter bezwingen; und zwar die unartigſte und undanckbarſte, die Eltern jemahls gehabt haben. Auf der Seite ſtellt er die Sache vor: und verſpricht mich zu zwingen, wenn man ſeinem Rath folget. Man wird es noch weiter verſuchen, davon bin ich uͤberfuͤhrt. Allein wer kann rathen, auf welches Mittel ſie nun fallen werden?
Jch ſchicke mit dieſem Brieffe die Antwart auf ihr Schreiben vom Sonntage, die ich den Mon- tag angefangen und noch nicht geendiget habe. Sie iſt zum Abſchreiben zu lang: ich habe jetzt kei- ne Zeit darzu. Jch bin in einigen Stellen ſehr frey mit Jhnen umgegangen: es gefaͤllt mir ſelbſt nicht alles was ich geſchrieben habe, ich will es aber doch ſtehen laſſen. Mein Hertz iſt nicht frey genug, Brieffe zu ſchreiben. Seyn Sie nicht ungehalten auf mich. Wenn Sie ein paar Stel- len entſchuldigen koͤnnen, ſo kommt es blos da- her, weil ſie geſchrieben ſind, von
Jhrer Clariſſa Harlowe.
Ende des erſten Theils.
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Die Geſchichte
Fechterin gehalten haͤtten. Nun ſie nicht wiſ-
ſen, wie ſie meine Widerſetzung mit meiner uͤbri-
gen Gemuͤths-Art reimen ſollen, ſo ſcheint es, daß
ſie mich durch Veraͤnderung der angewandten
Mittel endlich zu ermuͤden ſuchen. Mein Bru-
der, wie Sie ſehen, iſt veſt entſchloſſen, die Sache
durchzutreiben, oder Harlowe-Burg auf ewig
zu verlaſſen. Mein Vater muß alſo entweder ei-
nen Sohn verlieren, oder eine Tochter bezwingen;
und zwar die unartigſte und undanckbarſte, die
Eltern jemahls gehabt haben. Auf der Seite
ſtellt er die Sache vor: und verſpricht mich zu
zwingen, wenn man ſeinem Rath folget. Man
wird es noch weiter verſuchen, davon bin ich
uͤberfuͤhrt. Allein wer kann rathen, auf welches
Mittel ſie nun fallen werden?
Jch ſchicke mit dieſem Brieffe die Antwart auf
ihr Schreiben vom Sonntage, die ich den Mon-
tag angefangen und noch nicht geendiget habe.
Sie iſt zum Abſchreiben zu lang: ich habe jetzt kei-
ne Zeit darzu. Jch bin in einigen Stellen ſehr frey
mit Jhnen umgegangen: es gefaͤllt mir ſelbſt
nicht alles was ich geſchrieben habe, ich will es
aber doch ſtehen laſſen. Mein Hertz iſt nicht frey
genug, Brieffe zu ſchreiben. Seyn Sie nicht
ungehalten auf mich. Wenn Sie ein paar Stel-
len entſchuldigen koͤnnen, ſo kommt es blos da-
her, weil ſie geſchrieben ſind, von
Jhrer
Clariſſa Harlowe.
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 520. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/540>, abgerufen am 16.02.2025.
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