tel bey mir versucht hätte, die bey edlen Gemü- thern etwas ausrichten könnten, wenn ihre Nei- gungen und der Wille ihrer Freunde mit ein- ander streiten.
So wohl mein Bruder als meine Schwester widersprachen ihr hierin, und beriefen sich auf meine Mutter, ob sie mir nicht so gelinde begeg- net wäre, als schwerlich eine Mutter thun würde?
Meine Mutter sagte: sie von ihrer Seite hät- te es an gelinden Vorstellungen nicht ermangeln lassen: allein sie müßte es bekennen, und hätte es oft bekannt, daß sie mit der Art unmöglich zufrie- den seyn könnte, damit man mich empfangen, und mir Herrn Solmes Antrag kund gethan hätte, als ich von der Fräulein Howe zurück gekommen wäre. Jch hätte damahls nicht die geringste Ge- legenheit gehabt ihn kennen zu lernen, und man hätte mir gar keine Freyheit zu wählen ge- lassen.
Sie war bald zum Stillschweigen gebracht; durch wen? das werden Sie selbst errathen kön- nen. Mein Kind, Mein Kind --- du hast immer eine Entschuldigung für das wiederspänstige Mädchen. Erinnere dich, wie sie dir, wie sie mir begegnet ist; Erinnere dich, daß der Kerl, dem wir alle mit Recht feind sind, längst von seinem Verlangen würde abgestanden haben, wenn sie ihm nicht Hoffnung gemacht, und sich gegen uns halsstarrig bewiesen hätte. Frau Norton (sagte er mit Unwillen zu ihr) gehen sie noch einmahl hinauf, und
wenn
E e 4
der Clariſſa.
tel bey mir verſucht haͤtte, die bey edlen Gemuͤ- thern etwas ausrichten koͤnnten, wenn ihre Nei- gungen und der Wille ihrer Freunde mit ein- ander ſtreiten.
So wohl mein Bruder als meine Schweſter widerſprachen ihr hierin, und beriefen ſich auf meine Mutter, ob ſie mir nicht ſo gelinde begeg- net waͤre, als ſchwerlich eine Mutter thun wuͤrde?
Meine Mutter ſagte: ſie von ihrer Seite haͤt- te es an gelinden Vorſtellungen nicht ermangeln laſſen: allein ſie muͤßte es bekennen, und haͤtte es oft bekannt, daß ſie mit der Art unmoͤglich zufrie- den ſeyn koͤnnte, damit man mich empfangen, und mir Herrn Solmes Antrag kund gethan haͤtte, als ich von der Fraͤulein Howe zuruͤck gekommen waͤre. Jch haͤtte damahls nicht die geringſte Ge- legenheit gehabt ihn kennen zu lernen, und man haͤtte mir gar keine Freyheit zu waͤhlen ge- laſſen.
Sie war bald zum Stillſchweigen gebracht; durch wen? das werden Sie ſelbſt errathen koͤn- nen. Mein Kind, Mein Kind ‒‒‒ du haſt immer eine Entſchuldigung fuͤr das wiederſpaͤnſtige Maͤdchen. Erinnere dich, wie ſie dir, wie ſie mir begegnet iſt; Erinnere dich, daß der Kerl, dem wir alle mit Recht feind ſind, laͤngſt von ſeinem Verlangen wuͤrde abgeſtanden haben, wenn ſie ihm nicht Hoffnung gemacht, und ſich gegen uns halsſtarrig bewieſen haͤtte. Frau Norton (ſagte er mit Unwillen zu ihr) gehen ſie noch einmahl hinauf, und
wenn
E e 4
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0459"n="439"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa.</hi></hi></fw><lb/>
tel bey mir verſucht haͤtte, die bey edlen Gemuͤ-<lb/>
thern etwas ausrichten koͤnnten, wenn ihre Nei-<lb/>
gungen und der Wille ihrer Freunde mit ein-<lb/>
ander ſtreiten.</p><lb/><p>So wohl mein Bruder als meine Schweſter<lb/>
widerſprachen ihr hierin, und beriefen ſich auf<lb/>
meine Mutter, ob ſie mir nicht ſo gelinde begeg-<lb/>
net waͤre, als ſchwerlich eine Mutter thun wuͤrde?</p><lb/><p>Meine Mutter ſagte: ſie von ihrer Seite haͤt-<lb/>
te es an gelinden Vorſtellungen nicht ermangeln<lb/>
laſſen: allein ſie muͤßte es bekennen, und haͤtte es<lb/>
oft bekannt, daß ſie mit der Art unmoͤglich zufrie-<lb/>
den ſeyn koͤnnte, damit man mich empfangen, und<lb/>
mir Herrn <hirendition="#fr">Solmes</hi> Antrag kund gethan haͤtte,<lb/>
als ich von der Fraͤulein <hirendition="#fr">Howe</hi> zuruͤck gekommen<lb/>
waͤre. Jch haͤtte damahls nicht die geringſte Ge-<lb/>
legenheit gehabt ihn kennen zu lernen, und<lb/>
man haͤtte mir gar keine Freyheit zu waͤhlen ge-<lb/>
laſſen.</p><lb/><p>Sie war bald zum Stillſchweigen gebracht;<lb/>
durch wen? das werden Sie ſelbſt errathen koͤn-<lb/>
nen. Mein Kind, Mein Kind ‒‒‒ du haſt immer<lb/>
eine Entſchuldigung fuͤr das wiederſpaͤnſtige<lb/>
Maͤdchen. Erinnere dich, wie ſie dir, wie ſie mir<lb/>
begegnet iſt; Erinnere dich, daß der Kerl,<lb/>
dem wir alle mit Recht feind ſind, laͤngſt von<lb/>ſeinem Verlangen wuͤrde abgeſtanden haben,<lb/>
wenn ſie ihm nicht Hoffnung gemacht, und<lb/>ſich gegen uns halsſtarrig bewieſen haͤtte.<lb/>
Frau <hirendition="#fr">Norton</hi> (ſagte er mit Unwillen zu<lb/>
ihr) gehen ſie noch einmahl hinauf, und<lb/><fwplace="bottom"type="sig">E e 4</fw><fwplace="bottom"type="catch">wenn</fw><lb/></p></div></body></text></TEI>
[439/0459]
der Clariſſa.
tel bey mir verſucht haͤtte, die bey edlen Gemuͤ-
thern etwas ausrichten koͤnnten, wenn ihre Nei-
gungen und der Wille ihrer Freunde mit ein-
ander ſtreiten.
So wohl mein Bruder als meine Schweſter
widerſprachen ihr hierin, und beriefen ſich auf
meine Mutter, ob ſie mir nicht ſo gelinde begeg-
net waͤre, als ſchwerlich eine Mutter thun wuͤrde?
Meine Mutter ſagte: ſie von ihrer Seite haͤt-
te es an gelinden Vorſtellungen nicht ermangeln
laſſen: allein ſie muͤßte es bekennen, und haͤtte es
oft bekannt, daß ſie mit der Art unmoͤglich zufrie-
den ſeyn koͤnnte, damit man mich empfangen, und
mir Herrn Solmes Antrag kund gethan haͤtte,
als ich von der Fraͤulein Howe zuruͤck gekommen
waͤre. Jch haͤtte damahls nicht die geringſte Ge-
legenheit gehabt ihn kennen zu lernen, und
man haͤtte mir gar keine Freyheit zu waͤhlen ge-
laſſen.
Sie war bald zum Stillſchweigen gebracht;
durch wen? das werden Sie ſelbſt errathen koͤn-
nen. Mein Kind, Mein Kind ‒‒‒ du haſt immer
eine Entſchuldigung fuͤr das wiederſpaͤnſtige
Maͤdchen. Erinnere dich, wie ſie dir, wie ſie mir
begegnet iſt; Erinnere dich, daß der Kerl,
dem wir alle mit Recht feind ſind, laͤngſt von
ſeinem Verlangen wuͤrde abgeſtanden haben,
wenn ſie ihm nicht Hoffnung gemacht, und
ſich gegen uns halsſtarrig bewieſen haͤtte.
Frau Norton (ſagte er mit Unwillen zu
ihr) gehen ſie noch einmahl hinauf, und
wenn
E e 4
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 439. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/459>, abgerufen am 27.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.