Es schien, daß sie gestern ersucht war, diesen Tag in unserm Hause zu seyn, um die Meinung meiner Freunde recht zu fassen, und alsdenn zu versuchen, was sie bey mir ausrichten könnte. Sie mochten zum wenigsten diesen Nutzen davon hof- fen, daß ich in den Augen der Frau Norton alle Entschuldigung verlieren würde, und daß sie die Vorstellungen, die sie bisweilen meiner Mutter zu meinem Besten gethan hätte, für überflüßig und unverdient ansehen möchte.
Meine Erklärung daß mein Hertz ungebunden sey, ward von Jhnen als ein Beweiß meiner Hartnäckigkeit und meines Eigensinnges ge- braucht Denn, hieß es, nichts anders als ein blos- ser Eigensinn könnte mich antreiben, mich ihrem Willen zu widersetzen, wenn ich keine besondere Zuneigung zu einem andern hätte. Nun ich ihnen diesen Beweiß zu nichte zu machen suche, und ih- nen Anlaß gegeben habe zu glauben, daß ich eine Neigung auf einen andern geworfen habe; so sind sie entschlossen, der Sache ein baldiges Ende zu machen. Jn dieser Absicht ward die gute Frau zu mir geschickt, gegen die ich (wie den Meinigen wohl bekannt ist) eine kindliche Liebe und Ehrfurcht habe.
Als sie der Einladung zu folge in unser Haus kam, fand sie meinen Vater, Mutter, Bruder, Schwester, und meine beyden Onckles nebst Frau Hervey beysammen.
Mein
Die Geſchichte
auf andere Gedancken zu bringen, Nachricht geben.
Es ſchien, daß ſie geſtern erſucht war, dieſen Tag in unſerm Hauſe zu ſeyn, um die Meinung meiner Freunde recht zu faſſen, und alsdenn zu verſuchen, was ſie bey mir ausrichten koͤnnte. Sie mochten zum wenigſten dieſen Nutzen davon hof- fen, daß ich in den Augen der Frau Norton alle Entſchuldigung verlieren wuͤrde, und daß ſie die Vorſtellungen, die ſie bisweilen meiner Mutter zu meinem Beſten gethan haͤtte, fuͤr uͤberfluͤßig und unverdient anſehen moͤchte.
Meine Erklaͤrung daß mein Hertz ungebunden ſey, ward von Jhnen als ein Beweiß meiner Hartnaͤckigkeit und meines Eigenſinnges ge- braucht Denn, hieß es, nichts anders als ein bloſ- ſer Eigenſinn koͤnnte mich antreiben, mich ihrem Willen zu widerſetzen, wenn ich keine beſondere Zuneigung zu einem andern haͤtte. Nun ich ihnen dieſen Beweiß zu nichte zu machen ſuche, und ih- nen Anlaß gegeben habe zu glauben, daß ich eine Neigung auf einen andern geworfen habe; ſo ſind ſie entſchloſſen, der Sache ein baldiges Ende zu machen. Jn dieſer Abſicht ward die gute Frau zu mir geſchickt, gegen die ich (wie den Meinigen wohl bekannt iſt) eine kindliche Liebe und Ehrfurcht habe.
Als ſie der Einladung zu folge in unſer Haus kam, fand ſie meinen Vater, Mutter, Bruder, Schweſter, und meine beyden Onckles nebſt Frau Hervey beyſammen.
Mein
<TEI><text><body><divn="2"><p><pbfacs="#f0452"n="432"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">Die Geſchichte</hi></hi></fw><lb/>
auf andere Gedancken zu bringen, Nachricht<lb/>
geben.</p><lb/><p>Es ſchien, daß ſie geſtern erſucht war, dieſen<lb/>
Tag in unſerm Hauſe zu ſeyn, um die Meinung<lb/>
meiner Freunde recht zu faſſen, und alsdenn zu<lb/>
verſuchen, was ſie bey mir ausrichten koͤnnte. Sie<lb/>
mochten zum wenigſten dieſen Nutzen davon hof-<lb/>
fen, daß ich in den Augen der Frau <hirendition="#fr">Norton</hi> alle<lb/>
Entſchuldigung verlieren wuͤrde, und daß ſie die<lb/>
Vorſtellungen, die ſie bisweilen meiner Mutter zu<lb/>
meinem Beſten gethan haͤtte, fuͤr uͤberfluͤßig und<lb/>
unverdient anſehen moͤchte.</p><lb/><p>Meine Erklaͤrung daß mein Hertz ungebunden<lb/>ſey, ward von Jhnen als ein Beweiß meiner<lb/>
Hartnaͤckigkeit und meines Eigenſinnges ge-<lb/>
braucht Denn, hieß es, nichts anders als ein bloſ-<lb/>ſer Eigenſinn koͤnnte mich antreiben, mich ihrem<lb/>
Willen zu widerſetzen, wenn ich keine beſondere<lb/>
Zuneigung zu einem andern haͤtte. Nun ich ihnen<lb/>
dieſen Beweiß zu nichte zu machen ſuche, und ih-<lb/>
nen Anlaß gegeben habe zu glauben, daß ich eine<lb/>
Neigung auf einen andern geworfen habe; ſo ſind<lb/>ſie entſchloſſen, der Sache ein baldiges Ende zu<lb/>
machen. Jn dieſer Abſicht ward die gute Frau<lb/>
zu mir geſchickt, gegen die ich (wie den Meinigen<lb/>
wohl bekannt iſt) eine kindliche Liebe und Ehrfurcht<lb/>
habe.</p><lb/><p>Als ſie der Einladung zu folge in unſer Haus<lb/>
kam, fand ſie meinen Vater, Mutter, Bruder,<lb/>
Schweſter, und meine beyden Onckles nebſt Frau<lb/>
H<hirendition="#fr">ervey</hi> beyſammen.</p><lb/><fwplace="bottom"type="catch">Mein</fw><lb/></div></body></text></TEI>
[432/0452]
Die Geſchichte
auf andere Gedancken zu bringen, Nachricht
geben.
Es ſchien, daß ſie geſtern erſucht war, dieſen
Tag in unſerm Hauſe zu ſeyn, um die Meinung
meiner Freunde recht zu faſſen, und alsdenn zu
verſuchen, was ſie bey mir ausrichten koͤnnte. Sie
mochten zum wenigſten dieſen Nutzen davon hof-
fen, daß ich in den Augen der Frau Norton alle
Entſchuldigung verlieren wuͤrde, und daß ſie die
Vorſtellungen, die ſie bisweilen meiner Mutter zu
meinem Beſten gethan haͤtte, fuͤr uͤberfluͤßig und
unverdient anſehen moͤchte.
Meine Erklaͤrung daß mein Hertz ungebunden
ſey, ward von Jhnen als ein Beweiß meiner
Hartnaͤckigkeit und meines Eigenſinnges ge-
braucht Denn, hieß es, nichts anders als ein bloſ-
ſer Eigenſinn koͤnnte mich antreiben, mich ihrem
Willen zu widerſetzen, wenn ich keine beſondere
Zuneigung zu einem andern haͤtte. Nun ich ihnen
dieſen Beweiß zu nichte zu machen ſuche, und ih-
nen Anlaß gegeben habe zu glauben, daß ich eine
Neigung auf einen andern geworfen habe; ſo ſind
ſie entſchloſſen, der Sache ein baldiges Ende zu
machen. Jn dieſer Abſicht ward die gute Frau
zu mir geſchickt, gegen die ich (wie den Meinigen
wohl bekannt iſt) eine kindliche Liebe und Ehrfurcht
habe.
Als ſie der Einladung zu folge in unſer Haus
kam, fand ſie meinen Vater, Mutter, Bruder,
Schweſter, und meine beyden Onckles nebſt Frau
Hervey beyſammen.
Mein
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 432. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/452>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.