man ihm so begegnet, als Sie Herrn Solmes das letzte mahl begegneten.
Was seine Schwester anlanget, so hat sich die wider seinen Willen und Warnung an einen Kerl gehangen; so wie Sie auch Lust haben zu thun. Er hat ihr zum voraus gesagt, was sie von ihm zu gewarten hätte, wenn sie die Heyrath thäte. Er hält sein Wort, und das muß ein ehrlicher Mann thun. Wer gewarnt ist, und doch sün- digt, der muß dafür büssen. Nehmen Sie sich in Acht, daß es Jhnen nicht auch so gehet. Mer- cken Sie sich das.
Sein Onckle hat es um ihn nicht verdient, daß er ihm Wohlthaten erzeigen solte: denn er hätte ihn gern ausgestochen; und den alten Ritter Oli- ver dahin vermocht, daß er ihm den Reichthum vermachen möchte, den er immer Willens gewesen war, Herrn Solmes zu vermachen, und ihn in dieser Hoffnung hatte aufwachsen lassen. Wer allzubald vergiebt, dem geben andere etwas zu vergeben: das ist die kluge Regel Jhres lieben Vaters. Es würden nicht so viel eigensinnige Töchter in der Welt seyn, wenn diese Regel fleißi- ger beobachtet würde. Die Strafe ist eine Wohl- that für den Sünder! und Belohnungen gehören für niemanden, als für den, der sie verdienet. Jene müssen scharf und schwer seyn, wenn die Sünde muthwillig begangen ist.
Jch komme auf seine Liebe zu Jhnen. Davon hat er bisher grössere Proben gegeben, als Sie es durch Jhre neuliche Aufführung gegen ihn ver-
dient
der Clariſſa.
man ihm ſo begegnet, als Sie Herrn Solmes das letzte mahl begegneten.
Was ſeine Schweſter anlanget, ſo hat ſich die wider ſeinen Willen und Warnung an einen Kerl gehangen; ſo wie Sie auch Luſt haben zu thun. Er hat ihr zum voraus geſagt, was ſie von ihm zu gewarten haͤtte, wenn ſie die Heyrath thaͤte. Er haͤlt ſein Wort, und das muß ein ehrlicher Mann thun. Wer gewarnt iſt, und doch ſuͤn- digt, der muß dafuͤr buͤſſen. Nehmen Sie ſich in Acht, daß es Jhnen nicht auch ſo gehet. Mer- cken Sie ſich das.
Sein Onckle hat es um ihn nicht verdient, daß er ihm Wohlthaten erzeigen ſolte: denn er haͤtte ihn gern ausgeſtochen; und den alten Ritter Oli- ver dahin vermocht, daß er ihm den Reichthum vermachen moͤchte, den er immer Willens geweſen war, Herrn Solmes zu vermachen, und ihn in dieſer Hoffnung hatte aufwachſen laſſen. Wer allzubald vergiebt, dem geben andere etwas zu vergeben: das iſt die kluge Regel Jhres lieben Vaters. Es wuͤrden nicht ſo viel eigenſinnige Toͤchter in der Welt ſeyn, wenn dieſe Regel fleißi- ger beobachtet wuͤrde. Die Strafe iſt eine Wohl- that fuͤr den Suͤnder! und Belohnungen gehoͤren fuͤr niemanden, als fuͤr den, der ſie verdienet. Jene muͤſſen ſcharf und ſchwer ſeyn, wenn die Suͤnde muthwillig begangen iſt.
Jch komme auf ſeine Liebe zu Jhnen. Davon hat er bisher groͤſſere Proben gegeben, als Sie es durch Jhre neuliche Auffuͤhrung gegen ihn ver-
dient
<TEI><text><body><divn="2"><div><p><pbfacs="#f0387"n="367"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa.</hi></hi></fw><lb/>
man ihm ſo begegnet, als Sie Herrn S<hirendition="#fr">olmes</hi><lb/>
das letzte mahl begegneten.</p><lb/><p>Was ſeine Schweſter anlanget, ſo hat ſich die<lb/>
wider ſeinen Willen und Warnung an einen Kerl<lb/>
gehangen; ſo wie Sie auch Luſt haben zu thun.<lb/>
Er hat ihr zum voraus geſagt, was ſie von ihm<lb/>
zu gewarten haͤtte, wenn ſie die Heyrath thaͤte.<lb/>
Er haͤlt ſein Wort, und das muß ein ehrlicher<lb/>
Mann thun. Wer gewarnt iſt, und doch ſuͤn-<lb/>
digt, der muß dafuͤr buͤſſen. Nehmen Sie ſich<lb/>
in Acht, daß es Jhnen nicht auch ſo gehet. Mer-<lb/>
cken Sie ſich das.</p><lb/><p>Sein Onckle hat es um ihn nicht verdient, daß<lb/>
er ihm Wohlthaten erzeigen ſolte: denn er haͤtte<lb/>
ihn gern ausgeſtochen; und den alten Ritter <hirendition="#fr">Oli-<lb/>
ver</hi> dahin vermocht, daß er ihm den Reichthum<lb/>
vermachen moͤchte, den er immer Willens geweſen<lb/>
war, Herrn S<hirendition="#fr">olmes</hi> zu vermachen, und ihn in<lb/>
dieſer Hoffnung hatte aufwachſen laſſen. <hirendition="#fr">Wer<lb/>
allzubald vergiebt, dem geben andere etwas<lb/>
zu vergeben:</hi> das iſt die kluge Regel Jhres lieben<lb/>
Vaters. Es wuͤrden nicht ſo viel eigenſinnige<lb/>
Toͤchter in der Welt ſeyn, wenn dieſe Regel fleißi-<lb/>
ger beobachtet wuͤrde. Die Strafe iſt eine Wohl-<lb/>
that fuͤr den Suͤnder! und Belohnungen gehoͤren<lb/>
fuͤr niemanden, als fuͤr den, der ſie verdienet.<lb/>
Jene muͤſſen ſcharf und ſchwer ſeyn, wenn die<lb/>
Suͤnde muthwillig begangen iſt.</p><lb/><p>Jch komme auf ſeine Liebe zu Jhnen. Davon<lb/>
hat er bisher groͤſſere Proben gegeben, als Sie<lb/>
es durch Jhre neuliche Auffuͤhrung gegen ihn ver-<lb/><fwplace="bottom"type="catch">dient</fw><lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[367/0387]
der Clariſſa.
man ihm ſo begegnet, als Sie Herrn Solmes
das letzte mahl begegneten.
Was ſeine Schweſter anlanget, ſo hat ſich die
wider ſeinen Willen und Warnung an einen Kerl
gehangen; ſo wie Sie auch Luſt haben zu thun.
Er hat ihr zum voraus geſagt, was ſie von ihm
zu gewarten haͤtte, wenn ſie die Heyrath thaͤte.
Er haͤlt ſein Wort, und das muß ein ehrlicher
Mann thun. Wer gewarnt iſt, und doch ſuͤn-
digt, der muß dafuͤr buͤſſen. Nehmen Sie ſich
in Acht, daß es Jhnen nicht auch ſo gehet. Mer-
cken Sie ſich das.
Sein Onckle hat es um ihn nicht verdient, daß
er ihm Wohlthaten erzeigen ſolte: denn er haͤtte
ihn gern ausgeſtochen; und den alten Ritter Oli-
ver dahin vermocht, daß er ihm den Reichthum
vermachen moͤchte, den er immer Willens geweſen
war, Herrn Solmes zu vermachen, und ihn in
dieſer Hoffnung hatte aufwachſen laſſen. Wer
allzubald vergiebt, dem geben andere etwas
zu vergeben: das iſt die kluge Regel Jhres lieben
Vaters. Es wuͤrden nicht ſo viel eigenſinnige
Toͤchter in der Welt ſeyn, wenn dieſe Regel fleißi-
ger beobachtet wuͤrde. Die Strafe iſt eine Wohl-
that fuͤr den Suͤnder! und Belohnungen gehoͤren
fuͤr niemanden, als fuͤr den, der ſie verdienet.
Jene muͤſſen ſcharf und ſchwer ſeyn, wenn die
Suͤnde muthwillig begangen iſt.
Jch komme auf ſeine Liebe zu Jhnen. Davon
hat er bisher groͤſſere Proben gegeben, als Sie
es durch Jhre neuliche Auffuͤhrung gegen ihn ver-
dient
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 367. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/387>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.