Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
sage ich von Hertzen. Das beste ist, daß ich
(GOtt sey Danck) Junggesellen geblieben bin. - - -
Dieses ist ein Geschäfte, dazu Sie sich unvergleich-
lich schicken. Es ist Jhnen empfindlich, daß Jh-
nen die Haushaltung genommen ist: wohlan
Fräulein, so werden Sie in Herrn Solmes Hau-
se Jhnen selbst und Jhren Kindern zum Besten ei-
ne nützliche Arbeit haben, wenn Sie Rechnung
führen. Bey dem andern möchten Sie zwar auch
wol Rechnungen zu führen haben, von dem was er
zum Teufel gehen läst, was er borget, was er schul-
dig ist, und nie zu bezahlen gedencket. Kommen
Sie nur meine liebe Base: Sie kennen die Welt
noch nicht. Ein Mann ist ein Mann: mit einem
artigen Mann können Sie viel kostbare gute
Freunde bekommen, die Jhnen aufessen helfen
was da ist. Wenn ich handeln solte, so kauffte
ich Herrn Solmes, und ich hoffe Sie werden eben
so klug seyn.

Allein Herr Solmes ist nicht artig genug: er
ist nicht nach Jhrem zärtlichen Geschmack; weil er
sich nicht wie ein Stutzer kleidet, und einen nicht
durch den nichts-bedeutenden Unsinn von Com-
plimenten ermüdet, der eben das Gift für das
Frauenzimmer ist. Er hat aber Verstand: das
kan ich sagen. Uns gefallen keines Mannes Re-
den besser als seine: allein Sie fliehen so vor ihm,
daß er bisher noch nicht Gelegenheit gehabt hat,
Jhnen in seinen Reden zu gefallen. Ein verlieb-
ter Mensch sieht immer wie ein Schaaf aus, son-
derlich wenn seine Liebe verachtet wird, und wenn

man

Die Geſchichte
ſage ich von Hertzen. Das beſte iſt, daß ich
(GOtt ſey Danck) Junggeſellẽ geblieben bin. ‒ ‒ ‒
Dieſes iſt ein Geſchaͤfte, dazu Sie ſich unvergleich-
lich ſchicken. Es iſt Jhnen empfindlich, daß Jh-
nen die Haushaltung genommen iſt: wohlan
Fraͤulein, ſo werden Sie in Herꝛn Solmes Hau-
ſe Jhnen ſelbſt und Jhren Kindern zum Beſten ei-
ne nuͤtzliche Arbeit haben, wenn Sie Rechnung
fuͤhren. Bey dem andern moͤchten Sie zwar auch
wol Rechnungen zu fuͤhren haben, von dem was er
zum Teufel gehen laͤſt, was er borget, was er ſchul-
dig iſt, und nie zu bezahlen gedencket. Kommen
Sie nur meine liebe Baſe: Sie kennen die Welt
noch nicht. Ein Mann iſt ein Mann: mit einem
artigen Mann koͤnnen Sie viel koſtbare gute
Freunde bekommen, die Jhnen aufeſſen helfen
was da iſt. Wenn ich handeln ſolte, ſo kauffte
ich Herrn Solmes, und ich hoffe Sie werden eben
ſo klug ſeyn.

Allein Herr Solmes iſt nicht artig genug: er
iſt nicht nach Jhrem zaͤrtlichen Geſchmack; weil er
ſich nicht wie ein Stutzer kleidet, und einen nicht
durch den nichts-bedeutenden Unſinn von Com-
plimenten ermuͤdet, der eben das Gift fuͤr das
Frauenzimmer iſt. Er hat aber Verſtand: das
kan ich ſagen. Uns gefallen keines Mannes Re-
den beſſer als ſeine: allein Sie fliehen ſo vor ihm,
daß er bisher noch nicht Gelegenheit gehabt hat,
Jhnen in ſeinen Reden zu gefallen. Ein verlieb-
ter Menſch ſieht immer wie ein Schaaf aus, ſon-
derlich wenn ſeine Liebe verachtet wird, und wenn

man
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div>
          <p><pb facs="#f0386" n="366"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
&#x017F;age ich von Hertzen. Das be&#x017F;te i&#x017F;t, daß ich<lb/>
(GOtt &#x017F;ey Danck) Jungge&#x017F;elle&#x0303; geblieben bin. &#x2012; &#x2012; &#x2012;<lb/>
Die&#x017F;es i&#x017F;t ein Ge&#x017F;cha&#x0364;fte, dazu Sie &#x017F;ich unvergleich-<lb/>
lich &#x017F;chicken. Es i&#x017F;t Jhnen empfindlich, daß Jh-<lb/>
nen die Haushaltung genommen i&#x017F;t: wohlan<lb/>
Fra&#x0364;ulein, &#x017F;o werden Sie in Her&#xA75B;n <hi rendition="#fr">Solmes</hi> Hau-<lb/>
&#x017F;e Jhnen &#x017F;elb&#x017F;t und Jhren Kindern zum Be&#x017F;ten ei-<lb/>
ne nu&#x0364;tzliche Arbeit haben, wenn Sie Rechnung<lb/>
fu&#x0364;hren. Bey dem andern mo&#x0364;chten Sie zwar auch<lb/>
wol Rechnungen zu fu&#x0364;hren haben, von dem was er<lb/>
zum Teufel gehen la&#x0364;&#x017F;t, was er borget, was er &#x017F;chul-<lb/>
dig i&#x017F;t, und nie zu bezahlen gedencket. Kommen<lb/>
Sie nur meine liebe Ba&#x017F;e: Sie kennen die Welt<lb/>
noch nicht. Ein Mann i&#x017F;t ein Mann: mit einem<lb/>
artigen Mann ko&#x0364;nnen Sie viel ko&#x017F;tbare gute<lb/>
Freunde bekommen, die Jhnen aufe&#x017F;&#x017F;en helfen<lb/>
was da i&#x017F;t. Wenn ich handeln &#x017F;olte, &#x017F;o kauffte<lb/>
ich Herrn <hi rendition="#fr">Solmes,</hi> und ich hoffe Sie werden eben<lb/>
&#x017F;o klug &#x017F;eyn.</p><lb/>
          <p>Allein Herr S<hi rendition="#fr">olmes</hi> i&#x017F;t nicht artig genug: er<lb/>
i&#x017F;t nicht nach Jhrem za&#x0364;rtlichen Ge&#x017F;chmack; weil er<lb/>
&#x017F;ich nicht wie ein Stutzer kleidet, und einen nicht<lb/>
durch den nichts-bedeutenden Un&#x017F;inn von Com-<lb/>
plimenten ermu&#x0364;det, der eben das Gift fu&#x0364;r das<lb/>
Frauenzimmer i&#x017F;t. Er hat aber Ver&#x017F;tand: das<lb/>
kan ich &#x017F;agen. Uns gefallen keines Mannes Re-<lb/>
den be&#x017F;&#x017F;er als &#x017F;eine: allein Sie fliehen &#x017F;o vor ihm,<lb/>
daß er bisher noch nicht Gelegenheit gehabt hat,<lb/>
Jhnen in &#x017F;einen Reden zu gefallen. Ein verlieb-<lb/>
ter Men&#x017F;ch &#x017F;ieht immer wie ein Schaaf aus, &#x017F;on-<lb/>
derlich wenn &#x017F;eine Liebe verachtet wird, und wenn<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">man</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[366/0386] Die Geſchichte ſage ich von Hertzen. Das beſte iſt, daß ich (GOtt ſey Danck) Junggeſellẽ geblieben bin. ‒ ‒ ‒ Dieſes iſt ein Geſchaͤfte, dazu Sie ſich unvergleich- lich ſchicken. Es iſt Jhnen empfindlich, daß Jh- nen die Haushaltung genommen iſt: wohlan Fraͤulein, ſo werden Sie in Herꝛn Solmes Hau- ſe Jhnen ſelbſt und Jhren Kindern zum Beſten ei- ne nuͤtzliche Arbeit haben, wenn Sie Rechnung fuͤhren. Bey dem andern moͤchten Sie zwar auch wol Rechnungen zu fuͤhren haben, von dem was er zum Teufel gehen laͤſt, was er borget, was er ſchul- dig iſt, und nie zu bezahlen gedencket. Kommen Sie nur meine liebe Baſe: Sie kennen die Welt noch nicht. Ein Mann iſt ein Mann: mit einem artigen Mann koͤnnen Sie viel koſtbare gute Freunde bekommen, die Jhnen aufeſſen helfen was da iſt. Wenn ich handeln ſolte, ſo kauffte ich Herrn Solmes, und ich hoffe Sie werden eben ſo klug ſeyn. Allein Herr Solmes iſt nicht artig genug: er iſt nicht nach Jhrem zaͤrtlichen Geſchmack; weil er ſich nicht wie ein Stutzer kleidet, und einen nicht durch den nichts-bedeutenden Unſinn von Com- plimenten ermuͤdet, der eben das Gift fuͤr das Frauenzimmer iſt. Er hat aber Verſtand: das kan ich ſagen. Uns gefallen keines Mannes Re- den beſſer als ſeine: allein Sie fliehen ſo vor ihm, daß er bisher noch nicht Gelegenheit gehabt hat, Jhnen in ſeinen Reden zu gefallen. Ein verlieb- ter Menſch ſieht immer wie ein Schaaf aus, ſon- derlich wenn ſeine Liebe verachtet wird, und wenn man

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/386
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 366. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/386>, abgerufen am 18.05.2024.