sich unterstehen, so frey von einem Herrn zu schrei- ben, den wir alle werth schätzen. Allein vielleicht geschiehet es eben deshalb, damit es uns verdriessen soll.
Wie fangen Sie Jhren Brief an? weil Herr Solmes mein guter Freund ist/ so wollen Sie desto freyer auf ihn losziehen. Das ist die klare Meinung, Fräulein. Jch bin so tumm nicht, daß ich das nicht mercken sollte. - - Ein of- fenbarer und berüchtigter Huren-Hengst soll ei- nem Manne vorgezogen werden, der das Geld liebet! das schickt sich schlecht für eine so artige Fräulein, als ich Sie bisher angesehen habe. Was meynen Sie, wer thut andern am meisten Unrecht: ein Verschwender, oder ein sparsamer Mann? Der eine legt sein eignes Geld bey; der andere verpras- set fremder Leute Vermögen. Allein Jhr Lieb- ling ist ein rechter Ertz-Bösewicht: und sündiget auf anderer Leute Rechnung.
Der Teufel muß euch Mädchens allen im Her- tzen stecken. Gott vergebe mir meine schwere Sün- de! Das beste und artigste Mädchen verliebt sich immer am ersten in einen H - - - Jch glaube, ich darf das Wort nicht noch einmal schreiben: denn manche schämt sich vor dem Namen des Lasters, und verliebt sich doch in den Lasterhaften. Jch würde nicht so lange unverheyrathet geblieben seyn, wenn ich nicht eine solche Menge von widerspre- chenden und mit einander streitenden Leidenschaf- ten bey euch allen gefunden hätte. Jhr seyd alle
Mücken-
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der Clariſſa.
ſich unterſtehen, ſo frey von einem Herrn zu ſchrei- ben, den wir alle werth ſchaͤtzen. Allein vielleicht geſchiehet es eben deshalb, damit es uns verdrieſſen ſoll.
Wie fangen Sie Jhren Brief an? weil Herr Solmes mein guter Freund iſt/ ſo wollen Sie deſto freyer auf ihn losziehen. Das iſt die klare Meinung, Fraͤulein. Jch bin ſo tumm nicht, daß ich das nicht mercken ſollte. ‒ ‒ Ein of- fenbarer und beruͤchtigter Huren-Hengſt ſoll ei- nem Manne vorgezogen werden, der das Geld liebet! das ſchickt ſich ſchlecht fuͤr eine ſo artige Fraͤulein, als ich Sie bisher angeſehen habe. Was meynen Sie, wer thut andern am meiſten Unrecht: ein Verſchwender, oder ein ſparſamer Mann? Der eine legt ſein eignes Geld bey; der andere verpraſ- ſet fremder Leute Vermoͤgen. Allein Jhr Lieb- ling iſt ein rechter Ertz-Boͤſewicht: und ſuͤndiget auf anderer Leute Rechnung.
Der Teufel muß euch Maͤdchens allen im Her- tzen ſtecken. Gott vergebe mir meine ſchwere Suͤn- de! Das beſte und artigſte Maͤdchen verliebt ſich immer am erſten in einen H ‒ ‒ ‒ Jch glaube, ich darf das Wort nicht noch einmal ſchreiben: denn manche ſchaͤmt ſich vor dem Namen des Laſters, und verliebt ſich doch in den Laſterhaften. Jch wuͤrde nicht ſo lange unveꝛheyrathet geblieben ſeyn, wenn ich nicht eine ſolche Menge von widerſpre- chenden und mit einander ſtreitenden Leidenſchaf- ten bey euch allen gefunden haͤtte. Jhr ſeyd alle
Muͤcken-
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der Clariſſa.
ſich unterſtehen, ſo frey von einem Herrn zu ſchrei-
ben, den wir alle werth ſchaͤtzen. Allein vielleicht
geſchiehet es eben deshalb, damit es uns verdrieſſen
ſoll.
Wie fangen Sie Jhren Brief an? weil Herr
Solmes mein guter Freund iſt/ ſo wollen
Sie deſto freyer auf ihn losziehen. Das iſt
die klare Meinung, Fraͤulein. Jch bin ſo tumm
nicht, daß ich das nicht mercken ſollte. ‒ ‒ Ein of-
fenbarer und beruͤchtigter Huren-Hengſt ſoll ei-
nem Manne vorgezogen werden, der das Geld
liebet! das ſchickt ſich ſchlecht fuͤr eine ſo artige
Fraͤulein, als ich Sie bisher angeſehen habe. Was
meynen Sie, wer thut andern am meiſten Unrecht:
ein Verſchwender, oder ein ſparſamer Mann? Der
eine legt ſein eignes Geld bey; der andere verpraſ-
ſet fremder Leute Vermoͤgen. Allein Jhr Lieb-
ling iſt ein rechter Ertz-Boͤſewicht: und ſuͤndiget
auf anderer Leute Rechnung.
Der Teufel muß euch Maͤdchens allen im Her-
tzen ſtecken. Gott vergebe mir meine ſchwere Suͤn-
de! Das beſte und artigſte Maͤdchen verliebt ſich
immer am erſten in einen H ‒ ‒ ‒ Jch glaube, ich
darf das Wort nicht noch einmal ſchreiben: denn
manche ſchaͤmt ſich vor dem Namen des Laſters,
und verliebt ſich doch in den Laſterhaften. Jch
wuͤrde nicht ſo lange unveꝛheyrathet geblieben ſeyn,
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 361. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/381>, abgerufen am 09.11.2024.
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