Jch fürchte, daß Sie mich wegen meiner Hitze schelten werden; allein erfordert es nicht die Sa- che, daß ich hitzig schreiben muß? Es scheinet, das ich blos durch meine allzugrosse Mäßigung bey Gebung einer abschlägigen Antwort andern Ge- legenheit und Muth gegeben habe, so weit zu ge- hen, als sie gegangen sind. Sie müssen über die- ses einem durch so viele Beschimpfungen aufge- brachten und erbitterten Gemüthe etwas zu gute halten, da ich diese Beschimpfungen nicht verdient habe, wenn ich anders mein Hertz kenne.
Allein was schreibe ich so vieles, um mich des- wegen zu entschuldigen, daß man mich beschuldi- get, ich sey von Herr Lovelacen eingenommen, nachdem ich mich gegen meine Mutter erkläret ha- be, und mich hiemit abermals gegen Sie erkläre, daß wenn man mir nur keinen Mann und inson- derheit diesen Solmes nicht aufdringet, ich hin- wiederum auf das heiligste versprechen will, weder Lovelacen noch irgend einen andern ohne ihren Willen zu nehmen? d. i. keinen zu nehmen, ohne die Einwilligung von Vater, Mutter, Onckels/ und meinem Vetter Morden zu haben, weil diesem von meinem Grosvater aufgetragen ist, die Erfül- lung seiner letzten Gütigkeit gegen mich zu besorgen. Von meinem Bruder kan ich in der That nicht sa- gen, daß er sich bisher so brüderlich gegen mich auf- geführt hat, daß er mehr von mir erwarten könnte, als die gemeine Höflichkeit: und wenn wir von der reden solten, so möchte er sehr in meiner Schuld seyn. Nehmen Sie mir den Gedancken nicht un- gütig.
Viel-
Z 2
der Clariſſa.
Jch fuͤrchte, daß Sie mich wegen meiner Hitze ſchelten werden; allein erfordert es nicht die Sa- che, daß ich hitzig ſchreiben muß? Es ſcheinet, das ich blos durch meine allzugroſſe Maͤßigung bey Gebung einer abſchlaͤgigen Antwort andern Ge- legenheit und Muth gegeben habe, ſo weit zu ge- hen, als ſie gegangen ſind. Sie muͤſſen uͤber die- ſes einem durch ſo viele Beſchimpfungen aufge- brachten und erbitterten Gemuͤthe etwas zu gute halten, da ich dieſe Beſchimpfungen nicht verdient habe, wenn ich anders mein Hertz kenne.
Allein was ſchreibe ich ſo vieles, um mich des- wegen zu entſchuldigen, daß man mich beſchuldi- get, ich ſey von Herr Lovelacen eingenommen, nachdem ich mich gegen meine Mutter erklaͤret ha- be, und mich hiemit abermals gegen Sie erklaͤre, daß wenn man mir nur keinen Mann und inſon- derheit dieſen Solmes nicht aufdringet, ich hin- wiederum auf das heiligſte verſprechen will, weder Lovelacen noch irgend einen andern ohne ihren Willen zu nehmen? d. i. keinen zu nehmen, ohne die Einwilligung von Vater, Mutter, Onckels/ und meinem Vetter Morden zu haben, weil dieſem von meinem Grosvater aufgetragen iſt, die Erfuͤl- lung ſeiner letzten Guͤtigkeit gegen mich zu beſorgen. Von meinem Bruder kan ich in der That nicht ſa- gen, daß er ſich bisher ſo bruͤderlich gegen mich auf- gefuͤhrt hat, daß er mehr von mir erwarten koͤnnte, als die gemeine Hoͤflichkeit: und wenn wir von der reden ſolten, ſo moͤchte er ſehr in meiner Schuld ſeyn. Nehmen Sie mir den Gedancken nicht un- guͤtig.
Viel-
Z 2
<TEI><text><body><divn="2"><div><pbfacs="#f0375"n="355"/><fwplace="top"type="header"><hirendition="#b"><hirendition="#g">der Clariſſa.</hi></hi></fw><lb/><p>Jch fuͤrchte, daß Sie mich wegen meiner Hitze<lb/>ſchelten werden; allein erfordert es nicht die Sa-<lb/>
che, daß ich hitzig ſchreiben muß? Es ſcheinet, das<lb/>
ich blos durch meine allzugroſſe Maͤßigung bey<lb/>
Gebung einer abſchlaͤgigen Antwort andern Ge-<lb/>
legenheit und Muth gegeben habe, ſo weit zu ge-<lb/>
hen, als ſie gegangen ſind. Sie muͤſſen uͤber die-<lb/>ſes einem durch ſo viele Beſchimpfungen aufge-<lb/>
brachten und erbitterten Gemuͤthe etwas zu gute<lb/>
halten, da ich dieſe Beſchimpfungen nicht verdient<lb/>
habe, wenn ich anders mein Hertz kenne.</p><lb/><p>Allein was ſchreibe ich ſo vieles, um mich des-<lb/>
wegen zu entſchuldigen, daß man mich beſchuldi-<lb/>
get, ich ſey von Herr <hirendition="#fr">Lovelacen</hi> eingenommen,<lb/>
nachdem ich mich gegen meine Mutter erklaͤret ha-<lb/>
be, und mich hiemit abermals gegen Sie erklaͤre,<lb/>
daß wenn man mir nur keinen Mann und inſon-<lb/>
derheit dieſen <hirendition="#fr">Solmes</hi> nicht aufdringet, ich hin-<lb/>
wiederum auf das heiligſte verſprechen will, weder<lb/><hirendition="#fr">Lovelacen</hi> noch irgend einen andern ohne ihren<lb/>
Willen zu nehmen? d. i. keinen zu nehmen, ohne die<lb/>
Einwilligung von Vater, Mutter, <hirendition="#fr">Onckels/</hi> und<lb/>
meinem Vetter <hirendition="#fr">Morden</hi> zu haben, weil dieſem<lb/>
von meinem Grosvater aufgetragen iſt, die Erfuͤl-<lb/>
lung ſeiner letzten Guͤtigkeit gegen mich zu beſorgen.<lb/>
Von meinem Bruder kan ich in der That nicht ſa-<lb/>
gen, daß er ſich bisher ſo bruͤderlich gegen mich auf-<lb/>
gefuͤhrt hat, daß er mehr von mir erwarten koͤnnte,<lb/>
als die gemeine Hoͤflichkeit: und wenn wir von der<lb/>
reden ſolten, ſo moͤchte er ſehr in meiner Schuld<lb/>ſeyn. Nehmen Sie mir den Gedancken nicht un-<lb/>
guͤtig.</p><lb/><fwplace="bottom"type="sig">Z 2</fw><fwplace="bottom"type="catch">Viel-</fw><lb/></div></div></body></text></TEI>
[355/0375]
der Clariſſa.
Jch fuͤrchte, daß Sie mich wegen meiner Hitze
ſchelten werden; allein erfordert es nicht die Sa-
che, daß ich hitzig ſchreiben muß? Es ſcheinet, das
ich blos durch meine allzugroſſe Maͤßigung bey
Gebung einer abſchlaͤgigen Antwort andern Ge-
legenheit und Muth gegeben habe, ſo weit zu ge-
hen, als ſie gegangen ſind. Sie muͤſſen uͤber die-
ſes einem durch ſo viele Beſchimpfungen aufge-
brachten und erbitterten Gemuͤthe etwas zu gute
halten, da ich dieſe Beſchimpfungen nicht verdient
habe, wenn ich anders mein Hertz kenne.
Allein was ſchreibe ich ſo vieles, um mich des-
wegen zu entſchuldigen, daß man mich beſchuldi-
get, ich ſey von Herr Lovelacen eingenommen,
nachdem ich mich gegen meine Mutter erklaͤret ha-
be, und mich hiemit abermals gegen Sie erklaͤre,
daß wenn man mir nur keinen Mann und inſon-
derheit dieſen Solmes nicht aufdringet, ich hin-
wiederum auf das heiligſte verſprechen will, weder
Lovelacen noch irgend einen andern ohne ihren
Willen zu nehmen? d. i. keinen zu nehmen, ohne die
Einwilligung von Vater, Mutter, Onckels/ und
meinem Vetter Morden zu haben, weil dieſem
von meinem Grosvater aufgetragen iſt, die Erfuͤl-
lung ſeiner letzten Guͤtigkeit gegen mich zu beſorgen.
Von meinem Bruder kan ich in der That nicht ſa-
gen, daß er ſich bisher ſo bruͤderlich gegen mich auf-
gefuͤhrt hat, daß er mehr von mir erwarten koͤnnte,
als die gemeine Hoͤflichkeit: und wenn wir von der
reden ſolten, ſo moͤchte er ſehr in meiner Schuld
ſeyn. Nehmen Sie mir den Gedancken nicht un-
guͤtig.
Viel-
Z 2
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 355. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/375>, abgerufen am 23.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.