Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748.

Bild:
<< vorherige Seite

Die Geschichte
ich finde, daß sie nur einen Augenblick zweifelhaft
ist, (wie sehr man auch immer mit Zwangs-Mit-
teln, in sie dringet) ob sie mich dem vorziehen will,
von dem sie nicht leugnet, daß sie ihn hasset! Doch
nein! sie kan ohnmöglich so niederträchtig han-
deln, und die Freundschaft der Jhrigen so theuer
erkauffen. Sie kan ohnmöglich eine Handlung
vornehmen, dadurch boshafte Anschläge gerecht-
fertiget werden: Anschläge, die der Eigennutz auf
ihre Unkosten gemacht hat, den sie doch an andern
verachtet, und mich hier verachten muß, damit
man sie nicht für eine Harlowe halten möge.

Aus diesem Geschmier ohne Zusammenhang
wirst du leicht mercken, daß ich noch so bald nicht
kommen werde. Denn ich muß erst eine Versiche-
rung von meiner Geliebten haben, daß ich nicht
einem solchen Kerl, als Solmes ist, aufgeopfert
werden soll. Wehe dem artigen Kinde, wenn es
je gezwungen wird, sich unter meine Herrschaft zu
begeben, (denn daß sie es willig thun werde hoffe
ich nicht einmal) und sie alsdenn noch eine
Schwierigkeit macht, mich deshalb ausser Zwei-
fel zu stellen.

Meine Ketten werden mir dadurch empfindli-
cher, weil ich nicht sehe, daß ihre Kaltsinnigkeit ge-
gen mich daher rühret, daß sie irgend einen andern
vorzüglich liebet. Allein nimm dich in Acht, unver-
gleichliches Kind, nimm dich in Acht, du edelstes Ge-
müth, das ich bisher bey einem Frauenzimmer ge-
funden habe. Wie erniedrigest du dich, daß du es
deinen Verwanten erlaubest, aus Haß und Bosheit

gegen

Die Geſchichte
ich finde, daß ſie nur einen Augenblick zweifelhaft
iſt, (wie ſehr man auch immer mit Zwangs-Mit-
teln, in ſie dringet) ob ſie mich dem vorziehen will,
von dem ſie nicht leugnet, daß ſie ihn haſſet! Doch
nein! ſie kan ohnmoͤglich ſo niedertraͤchtig han-
deln, und die Freundſchaft der Jhrigen ſo theuer
erkauffen. Sie kan ohnmoͤglich eine Handlung
vornehmen, dadurch boshafte Anſchlaͤge gerecht-
fertiget werden: Anſchlaͤge, die der Eigennutz auf
ihre Unkoſten gemacht hat, den ſie doch an andern
verachtet, und mich hier verachten muß, damit
man ſie nicht fuͤr eine Harlowe halten moͤge.

Aus dieſem Geſchmier ohne Zuſammenhang
wirſt du leicht mercken, daß ich noch ſo bald nicht
kommen werde. Denn ich muß erſt eine Verſiche-
rung von meiner Geliebten haben, daß ich nicht
einem ſolchen Kerl, als Solmes iſt, aufgeopfert
werden ſoll. Wehe dem artigen Kinde, wenn es
je gezwungen wird, ſich unter meine Herrſchaft zu
begeben, (denn daß ſie es willig thun werde hoffe
ich nicht einmal) und ſie alsdenn noch eine
Schwierigkeit macht, mich deshalb auſſer Zwei-
fel zu ſtellen.

Meine Ketten werden mir dadurch empfindli-
cher, weil ich nicht ſehe, daß ihre Kaltſinnigkeit ge-
gen mich daher ruͤhret, daß ſie irgend einen andern
vorzuͤglich liebet. Allein nim̃ dich in Acht, unver-
gleichliches Kind, nim̃ dich in Acht, du edelſtes Ge-
muͤth, das ich bisher bey einem Frauenzimmer ge-
funden habe. Wie erniedrigeſt du dich, daß du es
deinen Verwanten erlaubeſt, aus Haß und Bosheit

gegen
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="2">
        <div n="2">
          <p><pb facs="#f0354" n="334"/><fw place="top" type="header"><hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Die Ge&#x017F;chichte</hi></hi></fw><lb/>
ich finde, daß &#x017F;ie nur einen Augenblick zweifelhaft<lb/>
i&#x017F;t, (wie &#x017F;ehr man auch immer mit Zwangs-Mit-<lb/>
teln, in &#x017F;ie dringet) ob &#x017F;ie mich dem vorziehen will,<lb/>
von dem &#x017F;ie nicht leugnet, daß &#x017F;ie ihn ha&#x017F;&#x017F;et! Doch<lb/>
nein! &#x017F;ie kan ohnmo&#x0364;glich &#x017F;o niedertra&#x0364;chtig han-<lb/>
deln, und die Freund&#x017F;chaft der Jhrigen &#x017F;o theuer<lb/>
erkauffen. Sie kan ohnmo&#x0364;glich eine Handlung<lb/>
vornehmen, dadurch boshafte An&#x017F;chla&#x0364;ge gerecht-<lb/>
fertiget werden: An&#x017F;chla&#x0364;ge, die der Eigennutz auf<lb/>
ihre Unko&#x017F;ten gemacht hat, den &#x017F;ie doch an andern<lb/>
verachtet, und mich hier verachten muß, damit<lb/>
man &#x017F;ie nicht fu&#x0364;r eine <hi rendition="#fr">Harlowe</hi> halten mo&#x0364;ge.</p><lb/>
          <p>Aus die&#x017F;em Ge&#x017F;chmier ohne Zu&#x017F;ammenhang<lb/>
wir&#x017F;t du leicht mercken, daß ich noch &#x017F;o bald nicht<lb/>
kommen werde. Denn ich muß er&#x017F;t eine Ver&#x017F;iche-<lb/>
rung von meiner Geliebten haben, daß ich nicht<lb/>
einem &#x017F;olchen Kerl, als S<hi rendition="#fr">olmes</hi> i&#x017F;t, aufgeopfert<lb/>
werden &#x017F;oll. Wehe dem artigen Kinde, wenn es<lb/>
je gezwungen wird, &#x017F;ich unter meine Herr&#x017F;chaft zu<lb/>
begeben, (denn daß &#x017F;ie es willig thun werde hoffe<lb/>
ich nicht einmal) und &#x017F;ie alsdenn noch eine<lb/>
Schwierigkeit macht, mich deshalb au&#x017F;&#x017F;er Zwei-<lb/>
fel zu &#x017F;tellen.</p><lb/>
          <p>Meine Ketten werden mir dadurch empfindli-<lb/>
cher, weil ich nicht &#x017F;ehe, daß ihre Kalt&#x017F;innigkeit ge-<lb/>
gen mich daher ru&#x0364;hret, daß &#x017F;ie irgend einen andern<lb/>
vorzu&#x0364;glich liebet. Allein nim&#x0303; dich in Acht, unver-<lb/>
gleichliches Kind, nim&#x0303; dich in Acht, du edel&#x017F;tes Ge-<lb/>
mu&#x0364;th, das ich bisher bey einem Frauenzimmer ge-<lb/>
funden habe. Wie erniedrige&#x017F;t du dich, daß du es<lb/>
deinen Verwanten erlaube&#x017F;t, aus Haß und Bosheit<lb/>
<fw place="bottom" type="catch">gegen</fw><lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[334/0354] Die Geſchichte ich finde, daß ſie nur einen Augenblick zweifelhaft iſt, (wie ſehr man auch immer mit Zwangs-Mit- teln, in ſie dringet) ob ſie mich dem vorziehen will, von dem ſie nicht leugnet, daß ſie ihn haſſet! Doch nein! ſie kan ohnmoͤglich ſo niedertraͤchtig han- deln, und die Freundſchaft der Jhrigen ſo theuer erkauffen. Sie kan ohnmoͤglich eine Handlung vornehmen, dadurch boshafte Anſchlaͤge gerecht- fertiget werden: Anſchlaͤge, die der Eigennutz auf ihre Unkoſten gemacht hat, den ſie doch an andern verachtet, und mich hier verachten muß, damit man ſie nicht fuͤr eine Harlowe halten moͤge. Aus dieſem Geſchmier ohne Zuſammenhang wirſt du leicht mercken, daß ich noch ſo bald nicht kommen werde. Denn ich muß erſt eine Verſiche- rung von meiner Geliebten haben, daß ich nicht einem ſolchen Kerl, als Solmes iſt, aufgeopfert werden ſoll. Wehe dem artigen Kinde, wenn es je gezwungen wird, ſich unter meine Herrſchaft zu begeben, (denn daß ſie es willig thun werde hoffe ich nicht einmal) und ſie alsdenn noch eine Schwierigkeit macht, mich deshalb auſſer Zwei- fel zu ſtellen. Meine Ketten werden mir dadurch empfindli- cher, weil ich nicht ſehe, daß ihre Kaltſinnigkeit ge- gen mich daher ruͤhret, daß ſie irgend einen andern vorzuͤglich liebet. Allein nim̃ dich in Acht, unver- gleichliches Kind, nim̃ dich in Acht, du edelſtes Ge- muͤth, das ich bisher bey einem Frauenzimmer ge- funden habe. Wie erniedrigeſt du dich, daß du es deinen Verwanten erlaubeſt, aus Haß und Bosheit gegen

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/354
Zitationshilfe: [Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 334. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/354>, abgerufen am 18.05.2024.