Schorey saget, Herr Lovelace habe bestän- dig meiner Mutter Augen gewahret, und sich ge- gen sie gebeuget: sie hätte ihm auch gedanckt. Er hat sonst meine Mutter immer bewundert. Jch glaube, sie würde ihn auch nicht hassen, wenn es ihr nicht befohlen wäre, und wenn sie die Schlä- gerey nicht entrüstet hätte.
Der D. Lewin war in der Kirche. Als er sahe was alle Leute sahen, nemlich daß unsere Fa- milie über Herrn Lovelaces Gegenwart sich so unruhig bezeigete, war er so gütig, sich mit ihm in ein Gespräch einzulassen, und ihn aufzuhalten bis sie sich in die Kutschen gesetzt hatten.
Es scheint, daß mein Vater alle Tage hitziger gegen mich wird, und meine Onckles gleichfalls. Diesen Morgen haben sie meine Briefe bekom- men. Wenn sie mich einer Antwort würdigen, so wird sie (ich befürchte es) zeigen, daß Herr Love- lace sehr zur Unzeit in die Kirche gekommen ist.
Auf meine Mutter mögen sie auch (wie ich höre) ungehalten seyn, weil sie Hn. Lovelace gedanckt hat. Was für ein Widersacher auch so gar von der Welt-üblichen Höflichkeit ist der Haß! obgleich durch die Höflichkeit der mehr Ehre erlanget, der sie erzeiget, als dem sie erzeiget wird. Es sagen nunmehr alle meine Freunde, sie sähen nur Einen Weg vor sich, aller Unruhe und allem Pochen des Menschen ein Ende zu machen. Jch soll also dar- unter leiden. Was richtet der unvorsichtige Mensch doch aus? Gewinnen seine Sachen ein besseres Ansehen, als vorhin?
Jch
Erster Theil. X
der Clariſſa.
Schorey ſaget, Herr Lovelace habe beſtaͤn- dig meiner Mutter Augen gewahret, und ſich ge- gen ſie gebeuget: ſie haͤtte ihm auch gedanckt. Er hat ſonſt meine Mutter immer bewundert. Jch glaube, ſie wuͤrde ihn auch nicht haſſen, wenn es ihr nicht befohlen waͤre, und wenn ſie die Schlaͤ- gerey nicht entruͤſtet haͤtte.
Der D. Lewin war in der Kirche. Als er ſahe was alle Leute ſahen, nemlich daß unſere Fa- milie uͤber Herrn Lovelaces Gegenwart ſich ſo unruhig bezeigete, war er ſo guͤtig, ſich mit ihm in ein Geſpraͤch einzulaſſen, und ihn aufzuhalten bis ſie ſich in die Kutſchen geſetzt hatten.
Es ſcheint, daß mein Vater alle Tage hitziger gegen mich wird, und meine Onckles gleichfalls. Dieſen Morgen haben ſie meine Briefe bekom- men. Wenn ſie mich einer Antwort wuͤrdigen, ſo wird ſie (ich befuͤrchte es) zeigen, daß Herr Love- lace ſehr zur Unzeit in die Kirche gekommen iſt.
Auf meine Mutter moͤgen ſie auch (wie ich hoͤre) ungehalten ſeyn, weil ſie Hn. Lovelace gedanckt hat. Was fuͤr ein Widerſacher auch ſo gar von der Welt-uͤblichen Hoͤflichkeit iſt der Haß! obgleich durch die Hoͤflichkeit der mehr Ehre erlanget, der ſie erzeiget, als dem ſie erzeiget wird. Es ſagen nunmehr alle meine Freunde, ſie ſaͤhen nur Einen Weg vor ſich, aller Unruhe und allem Pochen des Menſchen ein Ende zu machen. Jch ſoll alſo dar- unter leiden. Was richtet der unvorſichtige Menſch doch aus? Gewinnen ſeine Sachen ein beſſeres Anſehen, als vorhin?
Jch
Erſter Theil. X
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der Clariſſa.
Schorey ſaget, Herr Lovelace habe beſtaͤn-
dig meiner Mutter Augen gewahret, und ſich ge-
gen ſie gebeuget: ſie haͤtte ihm auch gedanckt. Er
hat ſonſt meine Mutter immer bewundert. Jch
glaube, ſie wuͤrde ihn auch nicht haſſen, wenn es
ihr nicht befohlen waͤre, und wenn ſie die Schlaͤ-
gerey nicht entruͤſtet haͤtte.
Der D. Lewin war in der Kirche. Als er
ſahe was alle Leute ſahen, nemlich daß unſere Fa-
milie uͤber Herrn Lovelaces Gegenwart ſich ſo
unruhig bezeigete, war er ſo guͤtig, ſich mit ihm in
ein Geſpraͤch einzulaſſen, und ihn aufzuhalten bis
ſie ſich in die Kutſchen geſetzt hatten.
Es ſcheint, daß mein Vater alle Tage hitziger
gegen mich wird, und meine Onckles gleichfalls.
Dieſen Morgen haben ſie meine Briefe bekom-
men. Wenn ſie mich einer Antwort wuͤrdigen, ſo
wird ſie (ich befuͤrchte es) zeigen, daß Herr Love-
lace ſehr zur Unzeit in die Kirche gekommen iſt.
Auf meine Mutter moͤgen ſie auch (wie ich hoͤre)
ungehalten ſeyn, weil ſie Hn. Lovelace gedanckt
hat. Was fuͤr ein Widerſacher auch ſo gar von
der Welt-uͤblichen Hoͤflichkeit iſt der Haß! obgleich
durch die Hoͤflichkeit der mehr Ehre erlanget, der
ſie erzeiget, als dem ſie erzeiget wird. Es ſagen
nunmehr alle meine Freunde, ſie ſaͤhen nur Einen
Weg vor ſich, aller Unruhe und allem Pochen des
Menſchen ein Ende zu machen. Jch ſoll alſo dar-
unter leiden. Was richtet der unvorſichtige
Menſch doch aus? Gewinnen ſeine Sachen ein
beſſeres Anſehen, als vorhin?
Jch
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 321. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/341>, abgerufen am 25.11.2024.
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