uns desto mehr lieben. Jch bekenne es, daß ich hierauf sonst nicht gedacht hätte: und es kan doch wohl etwas daran seyn. Jch will dieses nicht ausmachen, aber so viel versichern, daß ich Sie um eines jeden Verweises willen, den Sie mir geben, desto mehr lieben will, sobald sich nur die erste Hitze abgekühlt haben wird. Verschonen Sie meiner demnach nie, wenn Sie Unarthen an mir bemercken. Jch liebe Jhre an- genehme Satyre: und Sie wissen daß ich dieses immer gethan habe. Wenn ich gleich Jhrer Meinung nach allzu ernsthaft bin, so habe ich Sie doch noch nie für allzu leichtsinnig gehalten, wie Sie es auszudrücken belieben. Eine der er- sten Bedingungen unserer Freundschaft war, daß wir einander unsere Meinung frey entdecken sollten, ohne deswegen auf einander ungehalten zu werden: und ohne diese Bedingung kan kei- ne Freundschaft bestehen.
Jch wuste schon zum voraus, daß Jhre Frau Mutter von einem Kinde blinden Gehorsam verlangen würde. Jch bedaure, daß ich in sol- chen Umständen bin, in denen mir der Gehorsam unmöglich fällt; wie meine Frau Norton sagt, daß es meine Schuldigkeit sey, zu gehorchen, wenn ich könte. Sie sind glücklich, da Sie nichts zu überwinden haben, als Jhre angeneh- me aber sondernbaren Einfälle, um die Bitte Jhrer Frau Mutter zu erfüllen, und Herrn Hickmann zu wählen. Wie vergnügt wollte ich seyn, wenn mir mit so vieler Gelindigkeit be-
gegnet
der Clariſſa.
uns deſto mehr lieben. Jch bekenne es, daß ich hierauf ſonſt nicht gedacht haͤtte: und es kan doch wohl etwas daran ſeyn. Jch will dieſes nicht ausmachen, aber ſo viel verſichern, daß ich Sie um eines jeden Verweiſes willen, den Sie mir geben, deſto mehr lieben will, ſobald ſich nur die erſte Hitze abgekuͤhlt haben wird. Verſchonen Sie meiner demnach nie, wenn Sie Unarthen an mir bemercken. Jch liebe Jhre an- genehme Satyre: und Sie wiſſen daß ich dieſes immer gethan habe. Wenn ich gleich Jhrer Meinung nach allzu ernſthaft bin, ſo habe ich Sie doch noch nie fuͤr allzu leichtſinnig gehalten, wie Sie es auszudruͤcken belieben. Eine der er- ſten Bedingungen unſerer Freundſchaft war, daß wir einander unſere Meinung frey entdecken ſollten, ohne deswegen auf einander ungehalten zu werden: und ohne dieſe Bedingung kan kei- ne Freundſchaft beſtehen.
Jch wuſte ſchon zum voraus, daß Jhre Frau Mutter von einem Kinde blinden Gehorſam verlangen wuͤrde. Jch bedaure, daß ich in ſol- chen Umſtaͤnden bin, in denen mir der Gehorſam unmoͤglich faͤllt; wie meine Frau Norton ſagt, daß es meine Schuldigkeit ſey, zu gehorchen, wenn ich koͤnte. Sie ſind gluͤcklich, da Sie nichts zu uͤberwinden haben, als Jhre angeneh- me aber ſondernbaren Einfaͤlle, um die Bitte Jhrer Frau Mutter zu erfuͤllen, und Herrn Hickmann zu waͤhlen. Wie vergnuͤgt wollte ich ſeyn, wenn mir mit ſo vieler Gelindigkeit be-
gegnet
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der Clariſſa.
uns deſto mehr lieben. Jch bekenne es, daß ich
hierauf ſonſt nicht gedacht haͤtte: und es kan
doch wohl etwas daran ſeyn. Jch will dieſes
nicht ausmachen, aber ſo viel verſichern, daß
ich Sie um eines jeden Verweiſes willen, den
Sie mir geben, deſto mehr lieben will, ſobald
ſich nur die erſte Hitze abgekuͤhlt haben wird.
Verſchonen Sie meiner demnach nie, wenn Sie
Unarthen an mir bemercken. Jch liebe Jhre an-
genehme Satyre: und Sie wiſſen daß ich dieſes
immer gethan habe. Wenn ich gleich Jhrer
Meinung nach allzu ernſthaft bin, ſo habe ich Sie
doch noch nie fuͤr allzu leichtſinnig gehalten,
wie Sie es auszudruͤcken belieben. Eine der er-
ſten Bedingungen unſerer Freundſchaft war,
daß wir einander unſere Meinung frey entdecken
ſollten, ohne deswegen auf einander ungehalten
zu werden: und ohne dieſe Bedingung kan kei-
ne Freundſchaft beſtehen.
Jch wuſte ſchon zum voraus, daß Jhre Frau
Mutter von einem Kinde blinden Gehorſam
verlangen wuͤrde. Jch bedaure, daß ich in ſol-
chen Umſtaͤnden bin, in denen mir der Gehorſam
unmoͤglich faͤllt; wie meine Frau Norton ſagt,
daß es meine Schuldigkeit ſey, zu gehorchen,
wenn ich koͤnte. Sie ſind gluͤcklich, da Sie
nichts zu uͤberwinden haben, als Jhre angeneh-
me aber ſondernbaren Einfaͤlle, um die Bitte
Jhrer Frau Mutter zu erfuͤllen, und Herrn
Hickmann zu waͤhlen. Wie vergnuͤgt wollte
ich ſeyn, wenn mir mit ſo vieler Gelindigkeit be-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 301. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/321>, abgerufen am 16.02.2025.
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