"dich durch nichts bewegen, und ich will es nicht "einmal weiter versuchen hievon zu reden. Denn "jetzt bist du unter deines Vaters Hand, und "er wird sich weder etwas vorschreiben noch sich "bitten lassen.
"Jch würde mich gefreuet haben, wenn ich "auch diesen Brief, so wie die übrigen, hätte "sehen können. Allein du schreibest, daß die "Ehre und Klugheit dieses verbieten. O Clär- "chen, wie kommt dir das vor? Briefe zu em- "pfangen, die Ehre und Klugheit einem Kinde "verbieten seiner Mutter zu zeigen? Jch mag "aber den Brief auch nicht sehen, wenn du ihn "mir nun gleich zeigen wolltest. Jch will um eure "Geheimnisse nicht wissen. Jch will nicht ein- "mal wissen, daß ihr Briefe gewechselt habt. "Jn Absicht auf die Antwort folge deinen eige- "nen Gedancken; allein laß ihn wissen, daß es "der letzte Brief seyn soll, den er von dir erhal- "ten werde. Schreibst du, so mag ich den "Brief nicht lesen: siegele ihn zu, und gib ihn "an Schorey. Sie - - - dencke aber nicht, "daß ich dir erlaube zu schreiben.
"Wir gedencken ihm gar keine Bedingungen "zu zugestehen, und das sollst du auch nicht thun. "Dein Vater und deine Onckels würden ohn- "möglich Geduld haben können, wenn er sie be- "suchen wollte. Warum willst du dich ihm da- "durch gefällig machen, daß du zu Herrn Sol- "mes Nein sagest? Wird nicht dieses Nein "seiner Hoffnung ein neues Leben geben? Und
kön-
Die Geſchichte
„dich durch nichts bewegen, und ich will es nicht „einmal weiter verſuchen hievon zu reden. Denn „jetzt biſt du unter deines Vaters Hand, und „er wird ſich weder etwas vorſchreiben noch ſich „bitten laſſen.
„Jch wuͤrde mich gefreuet haben, wenn ich „auch dieſen Brief, ſo wie die uͤbrigen, haͤtte „ſehen koͤnnen. Allein du ſchreibeſt, daß die „Ehre und Klugheit dieſes verbieten. O Claͤr- „chen, wie kommt dir das vor? Briefe zu em- „pfangen, die Ehre und Klugheit einem Kinde „verbieten ſeiner Mutter zu zeigen? Jch mag „aber den Brief auch nicht ſehen, wenn du ihn „mir nun gleich zeigen wollteſt. Jch will um eure „Geheimniſſe nicht wiſſen. Jch will nicht ein- „mal wiſſen, daß ihr Briefe gewechſelt habt. „Jn Abſicht auf die Antwort folge deinen eige- „nen Gedancken; allein laß ihn wiſſen, daß es „der letzte Brief ſeyn ſoll, den er von dir erhal- „ten werde. Schreibſt du, ſo mag ich den „Brief nicht leſen: ſiegele ihn zu, und gib ihn „an Schorey. Sie ‒ ‒ ‒ dencke aber nicht, „daß ich dir erlaube zu ſchreiben.
„Wir gedencken ihm gar keine Bedingungen „zu zugeſtehen, und das ſollſt du auch nicht thun. „Dein Vater und deine Onckels wuͤrden ohn- „moͤglich Geduld haben koͤnnen, wenn er ſie be- „ſuchen wollte. Warum willſt du dich ihm da- „durch gefaͤllig machen, daß du zu Herrn Sol- „mes Nein ſageſt? Wird nicht dieſes Nein „ſeiner Hoffnung ein neues Leben geben? Und
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Die Geſchichte
„dich durch nichts bewegen, und ich will es nicht
„einmal weiter verſuchen hievon zu reden. Denn
„jetzt biſt du unter deines Vaters Hand, und
„er wird ſich weder etwas vorſchreiben noch ſich
„bitten laſſen.
„Jch wuͤrde mich gefreuet haben, wenn ich
„auch dieſen Brief, ſo wie die uͤbrigen, haͤtte
„ſehen koͤnnen. Allein du ſchreibeſt, daß die
„Ehre und Klugheit dieſes verbieten. O Claͤr-
„chen, wie kommt dir das vor? Briefe zu em-
„pfangen, die Ehre und Klugheit einem Kinde
„verbieten ſeiner Mutter zu zeigen? Jch mag
„aber den Brief auch nicht ſehen, wenn du ihn
„mir nun gleich zeigen wollteſt. Jch will um eure
„Geheimniſſe nicht wiſſen. Jch will nicht ein-
„mal wiſſen, daß ihr Briefe gewechſelt habt.
„Jn Abſicht auf die Antwort folge deinen eige-
„nen Gedancken; allein laß ihn wiſſen, daß es
„der letzte Brief ſeyn ſoll, den er von dir erhal-
„ten werde. Schreibſt du, ſo mag ich den
„Brief nicht leſen: ſiegele ihn zu, und gib ihn
„an Schorey. Sie ‒ ‒ ‒ dencke aber nicht,
„daß ich dir erlaube zu ſchreiben.
„Wir gedencken ihm gar keine Bedingungen
„zu zugeſtehen, und das ſollſt du auch nicht thun.
„Dein Vater und deine Onckels wuͤrden ohn-
„moͤglich Geduld haben koͤnnen, wenn er ſie be-
„ſuchen wollte. Warum willſt du dich ihm da-
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[Richardson, Samuel]: Clarissa. Bd. 1. Göttingen, 1748, S. 268. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/richardson_clarissa01_1748/288>, abgerufen am 22.11.2024.
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